BOCHUM – Ob in der Wundbehandlung oder bei Implantaten – aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften kommt Silber bereits seit Längerem in der Medizin zum Einsatz. Wird es in Form von Nanopartikeln angewendet, verstärkt sich die keimtötende Wirkung des Edelmetalls sogar noch. Dies birgt allerdings auch Gefahren, so zum Beispiel eine potenziell zellschädigende Wirkung. Um die keimtötenden Eigenschaften des Nanosilbers weiter zu erforschen und für medizinische Implantatmaterialien sicher nutzbar zu machen, erhält eine Bochumer Forscherin nun eine Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von rund 237.000 Euro.
Dr. Christina Sengstock, Junior-Professorin für Experimentelle Regenerative Medizin und Nano-Biomaterialforschung am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum, sucht nach Wegen, wie man die keimtötende Wirkung des Silbers durch Kombination mit anderen Edelmetallen für die Entwicklung von antimikrobiellen Implantatmaterialien nutzen kann. Ihr neues Forschungsvorhaben zur „Biologischen Wirkung von bimetallischen Nanopartikeln auf Basis von Silber und Platinmetallen“ ist Teil eines DFG-Kooperationsprojektes, in dem die Bergmannsheil-Forscher mit Chemikern der Universität Duisburg-Essen und Physikern des Forschungszentrums Jülich eine Arbeitsgruppe bilden.
„Aufgrund zunehmender bakterieller Resistenzen gegen Antibiotika ist die Entwicklung zusätzlicher antibakteriell wirkender Materialien essentiell, um Infektionsgefahren abzuwehren“, sagt die Wissenschaftlerin. Implantat-assoziierte Infektionen stellen ein ernstes klinisches Problem dar. Spezielle neue Oberflächen und chemische Modifikationen von Implantatmaterialien können dabei helfen, das Anhaften von Keimen an Implantaten zu verhindern oder zu erschweren. Aus der Gruppe der Metalle ist Silber aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften besonders gut geeignet. Die keimtötende Wirkung des Silbers hängt dabei mit der Menge der Ionen zusammen, die durch oxidative Prozesse freigesetzt werden.
„Wir haben kürzlich zeigen können, dass ein sogenanntes Opferanodenprinzip die Silberionenfreisetzung und damit die antibakterielle Wirkung effizient steigern kann“, so Sengstock. „Hierfür ist eine Kombination von Silber mit einem elektrochemisch edleren Metall, zum Beispiel Platin, in einem Elektrolyt-System – wie zum Beispiel Gewebsflüssigkeit oder Blut – nötig. Unter diesen Bedingungen löst sich vornehmlich das elektrochemisch unedlere Silber initial auf; es ‚opfert‘ sich für das edlere Platin“, erklärt die Wissenschaftlerin. Dieses Prinzip ist in technischen Anwendungen, wie zum Beispiel im Schiffbau, im Straßenfahrzeugbau oder in Heißwasser-Geräten weit verbreitet.
Für antibakterielle Strategien im medizinischen Bereich wird es bisher aber kaum genutzt. Jetzt wollen die Forscher dieses Prinzip in Nanopartikeln realisieren, um es in neuartigen Biomaterialien einzusetzen. Sie untersuchen dabei, welchen Einfluss die Zusammensetzung der Partikel und ihre Größe auf Bakterien und auf Zellen haben. Die zentrale Fragestellung lautet: Ist es möglich, eine selektive antibakterielle Wirkung des Silbers bei niedriger Zelltoxizität zu erreichen, also ohne die Zellen zu schädigen? Sengstock sieht in dem neuen Ansatz großes Potenzial: „Mit unseren Forschungen wollen wir in Zukunft antiinfektive Oberflächen für Implantate entwickeln und für die klinische Anwendung testen.“