Berlin – Zum Regierungsentwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG) vom 7. Dezember 2018 und in Ergänzung der Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 17. August 2018, hat der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) eine Ergänzende Stellungnahme veröffentlicht.
Er reagiere damit mit Blick auf die aktuelle öffentliche Debatte um die mit § 95 SGB V in Zusammenhang stehenden Änderungen durch den Regierungsentwurf zum TSVG. Die Reaktion solle als Beitrag zu einer notwendigerweise auch über die jetzt anstehende Gesetzgebung hinaus zu führenden Debatte verstanden werden.
Vorbemerkungen
Mit dem GKV-Modernisierungsgesetzes aus 2004 sowie dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2007 ist die vertragsärztliche Berufsausübung flexibilisiert worden. Die Intention lag in der Förderung von Kooperation und einer weiteren Flexibilisierung in Richtung angestellter ambulanter ärztlicher Tätigkeit, die die Attraktivität der ärztlichen Tätigkeit – auch angesichts größerer Erwartungen an die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben – erhöht. Notwendig sind dafür wirtschaftlich stabile Trägerstrukturen in der ambulanten Versorgung, die auch dem wachsenden Bedürfnis, dauerhaft oder vorübergehend ambulant als angestellter Arzt bzw. Ärztin tätig zu werden, genügen können.
Nicht beabsichtigt war und ist es, einer die Diagnose- und Therapiefreiheit beeinträchtigen-den Ökonomisierung und Konzernbildung oder gar der Bildung von Monopolen in der ambulanten Versorgung Vorschub zu leisten. Grundsätzlich gilt, je spezifischer der Versorgungsauftrag und je spezialisierter die ärztliche Leistungserbringung in den dafür aufzubauenden und vorzuhaltenden Strukturen einerseits ist und andererseits, je mehr Kapital für die Investition in diese Versorgungsstrukturen benötigt wird, desto stärker ist auch das Interesse „nicht-ärztlicher potenzieller Gründer“ an diesen Strukturen. Es überwiegen dann die kommerziellen Interessen über die Übernahme von Verantwortung für die medizinische Versorgung der Versicherten.
Ärztliche Unabhängigkeit vs. Interessen von Kapitalinvestoren?
Grundsätzlich spricht sich der SpiFa im Spannungsfeld ärztlicher Tätigkeit und dem Interesse von Kapitalinvestoren im Gesundheitswesen für eine deutliche Gewichtung und gesetzgeberischen Festschreibung zu Gunsten des freien Berufes Arzt und der damit einhergehenden Diagnose- und Therapiefreiheit zum Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient aus. Das gilt für alle Formen der ärztlichen Berufsausübung im ambulanten und stationären Versorgungsbereich.
Dem SpiFa ist bewusst, dass auch durch nicht-ärztliche Investoren im Gesundheitswesen Investitionen vorgenommen werden können, da die bisherige Ausrichtung des Gesundheitswesen und die damit einhergehenden Verpflichtungen zur Finanzierung der Strukturen mittlerweile handfeste Unzulänglichkeiten aufzeigen; z.B. ein sichtbarer Investitionsstau bei der Finanzierung der stationären Versorgungsstrukturen durch die Bundesländer oder auch die durch die Aufrechterhaltung der Budgetierung weiter verstärkende Investitionsschwäche im ambulanten Versorgungsbereich. Grundsätzlich würde es der SpiFa begrüßen, wenn statt-dessen die originären ärztlichen Strukturen so gestärkt würden, dass sie selbst wirtschaftlich in der Lage wären, die notwendigen Investitionen zu schultern.
Vorschlag des SpiFa
Der SpiFa schlägt vor, § 95 SGB V an geeigneter Stelle durch folgende Regelungsinhalte zu ergänzen, um die Nachhaltigkeit von Investitionen in Versorgungsstrukturen im Sinne einer langfristigen Orientierung an Versorgungs- und Gemeinwohlinteressen von Investoren zu erreichen:
1. Ändern sich Trägerstruktur, Gesellschaftsform oder die Verteilung von Gesellschafts- bzw. Stimmrechten oder die wirtschaftliche Berechtigung an einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum in einem Zeitraum von 10 Jahren nach dem Tag der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, sind die Zulassungsvoraussetzungen erneut zu prüfen. Die Zulassung ist zu entziehen, wenn innerhalb von 5 Jahren nach dem Tag der Zulassung die Mehrheit der Gesellschaftsanteile veräußert wird oder ein Wechsel in der wirtschaftlichen Berechtigung an der Versorgungsstruktur eintritt. Dies gilt nicht für die Fälle des § 95 Absatz 6 SGB V.
2. Beauftragung der gemeinsamen Selbstverwaltung mit der Einrichtung eines Transparenzregisters hinsichtlich der Trägerstrukturen und wirtschaftlichen Berechtigungen an ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen; Regelung der Ausgestaltung über vierseitige Verträge der Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung (GKV-Spitzenverband, Kassen(zahn)ärztliche Bundesvereinigungen, Deutsche Krankenhausgesellschaft).
3. Aufnahme einer Verpflichtung, dass der ärztliche Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrum stets ein zugelassener Vertragsarzt sein muss, der – ab drei im Medizinischen Versorgungszentrum tätigen Ärzten – in Vollzeit im Medizinischen Versorgungszentrum beschäftigt sein muss.
4. Festschreibung als Voraussetzung für die Zulassung eines von einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus gegründeten Medizinischen Versorgungszentrums, dass das Krankenhaus für die im Medizinischen Versorgungszentrum vertretenen Fachrichtungen die entsprechenden Haupt- und Belegabteilungen im aktuellen Landesbettenbedarfsplan sowie einen aus der Versorgungsnotwendigkeit heraus begründenden räumlichen Bezug des Krankenhauses zum Medizinischen Versorgungszentrum nachweisen muss.
Der SpiFa schlägt zudem vor, die Ungleichbehandlung von Vertragsärzten gegenüber Medizinischen Versorgungszentren in § 103 SGB V an geeigneter Stelle durch folgende Regelungsinhalte aufzuheben:
1. Wegen der bis heute nicht erfolgten Überarbeitung der Bedarfsplanungsrichtlinie durch die gemeinsame Selbstverwaltung und einer so noch immer auf einer realitätsfernen Grundlage aufbauenden Regelungen zur Ablehnung von Nachbesetzungsverfahren bei festgestellter Überversorgung von 140 Prozent durch die Landesausschüsse (§ 103 Absatz 1 Satz 3 SGB V) bei niedergelassenen Ärzten sollte diese Regelung – entgegen dem Vorschlag des Gesetzgebers – gerade nicht auf Medizinische Versorgungszentren ausgedehnt werden, sondern auch für alle anderen an der ambulanten ärztlichen Versor-gung Beteiligten ausgesetzt werden.
2. Aufhebung der für niedergelassene Ärzte bundesmantelvertraglich bestehenden Grenzen zur Anstellung von weiteren Ärzten (analog zu Medizinischen Versorgungszentren).
Quelle: SpiFa