Berlin – Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) begrüßt die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für ein qualifiziertes und standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren in Notaufnahmen von Krankenhäusern.
Mit Hilfe des Ersteinschätzungsverfahrens muss schnell und verlässlich beurteilt werden, wie dringend bei Hilfesuchenden der Behandlungsbedarf ist. Nur wenn ein sofortiger Behandlungsbedarf festgestellt wird, soll die Patientin oder der Patient ambulant im Krankenhaus behandelt oder ggf. auch stationär aufgenommen werden. In allen anderen Fällen soll die Behandlung grundsätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen.
Hierzu der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich: „Die Notfallversorgung in Deutschland muss so reformiert werden, dass Patientinnen und Patienten schneller und effizienter behandelt werden. Vor Allem muss aber sichergestellt werden, dass die notfallmedizinische Hilfe denjenigen schneller zuteilwird, die wirkliche Notfälle sind und schnelle notfallmedizinische Versorgung brauchen. Das gelingt aber nur mit einem effizienten System, in welchem Patientinnen und Patienten zur für sie passenden Versorgungseinrichtung gesteuert werden.“
Dazu bedürfe es aber auch struktureller Reformen im System und einer funktionierenden Struktur selbst, am besten auch einer effizienten Steuerung von Beginn an über die 116 117 verbunden mit dem Verweis an den Hausarzt, der Vermittlung eines Termins an einen Facharzt oder falls indiziert mit der Vermittlung in ein INZ, ein integriertes Notfallzentrum.
Die Kritik, mit einem Ersteinschätzungsverfahren würde die Patientensicherheit gefährdet, teilt der SpiFa nicht. „Das ist reine Panikmache. Keine Patientin und kein Patient, die in einer lebensgefährlichen Situation sind, sollen wieder weggeschickt werden. Es geht lediglich darum, dauerhaft und nachhaltig Patientenströme zu entwickeln, die die überfüllten Notaufnahmen entlasten. Darüber hinaus müssen Patientinnen und Patienten lernen, dass nicht jede körperliche Beschwerde ein Notfall ist, der im nächstgelegenen Krankenhaus versorgt werden muss. Hier sind auch die Bundesländer und Kommunen in der Pflicht, entsprechend darüber zu informieren, wohin sich Patientinnen und Patienten mit ihrem gesundheitlichen Anliegen wenden können, bevor sie ins nächstgelegene Krankenhaus marschieren.“
Der SpiFa bekräftigt überdies die Forderung nach einem absoluten Aufnahmeverbot von Patientinnen und Patienten für Krankenhäuser ohne integrierte Notfallzentren (INZ) und fordert die Regierungskommission auf, Ihre Empfehlungen für die Notfallreform entsprechend zu ergänzen. „Ohne eine entsprechende Regelung macht das ganze Reformkonzept keinen Sinn. Denn damit bliebe prinzipiell bei der Notfallversorgung Alles beim Alten und sie würde lediglich um die INZ ergänzt,“ so Heinrich.
Reform der Notfallversorgung: gemeinsames Positionspapier und Empfehlungen von BVOU und DGOU
Vorgesehen ist, dass alle Notfallpatienten die Ersteinschätzung per Telefon, digital oder persönlich unverzüglich erhalten sollen. Minutenlange Warteschleifen sind inakzeptabel. Das Ersteinschätzungsverfahren selbst sollte innerhalb von zehn Minuten abgeschlossen sein. In keiner Empfehlung ist vorgesehen, dass die Einschätzung durch einen Arzt vorgenommen werden muss, dieser sollte jedoch auf Zuruf erreichbar bzw. zuschaltbar sein. Mit dem Ersteinschätzungsverfahren sollten die Dringlichkeiten priorisiert und Empfehlungen für eine geeignete Versorgung abgegeben werden. Bei verzögerter Dringlichkeit sollte die weitere Versorgung, z.B. im Regelbetrieb am nächsten Tag, nahtlos organisiert werden.
Kommentar aus der Sicht von O&U
Eine digitale unterstützte Ersteinschätzung ist zu begrüßen. Sie entlastet die Ärzte in den Krankenhausnotaufnahmen und hilft Bagatellen und nichtdringliche Fälle in die Regelversorgung zu überführen. Dazu bedarf es eines evaluierten digital unterstützen Ersteinschätzungsverfahrens, denn damit kann das Notfallsystem effektiv entlastet werden.
Um ein solches Ersteinschätzungsverfahren effektiv zu etablieren, sollte es aus unserer Sicht durch ein Ticketsystem ergänzt werden. Durch ein solches Ticket wäre der Patient der versorgenden Rettungsstelle oder Praxis als berechtigter Notfall vorab angemeldet, was für ihn eine kürzere Wartezeit bedeuten würde.
Patienten ohne ein entsprechendes Notfallticket nehmen die Rettungsstellen unberechtigt in Anspruch, verzögern die Behandlung von dringlicheren Notfällen und tragen zur Überlastung des Personals bei. Daher erscheint in diesem Fall eine Zuzahlung per nachträglicher Rechnung mehr als gerechtfertigt.
Die Patienten werden so durch verkürzte Wartezeiten und vermiedene Zuzahlungen gesteuert, am präklinischen Ersteinschätzungsverfahren teilzunehmen.
Findet die Ersteinschätzung „Inhouse“ statt, sollte auch dort ein evaluiertes Ersteinschätzungsverfahren durch nichtärztliches Personal zum Einsatz kommen. Dies ermöglicht es dann in den Rettungsstellen, eine verzögerte Priorisierung festzustellen und ggfs. den Verweis auf die Versorgung im Regelbetrieb.
Wer „Inhouse“ die Ersteinschätzung vornimmt – Rettungsstelle, Portalpraxis oder gemeinsamer Tresen – sollte vor Ort entschieden werden.
Empfehlungen BVOU und DGOU
- Die Ersteinschätzung sollte möglichst im präklinischen Bereich vorgenommen werden
- Dazu bedarf es eines evaluierten Ersteinschätzungsverfahrens
- 112 und 116117 sollten dieses standardisierte Verfahren verwenden
- Die Erreichbarkeit der 116117 muss deutlich und nachweislich verbessert werden, um effektiv steuern zu können
- Der Patient sollte ein sogenanntes Ticket nach Ersteinschätzung erhalten, das helfen soll, Wartezeiten und Zuzahlungen zu vermeiden
- Im Fall einer Ersteinschätzung „Inhouse“ sollte ebenfalls ein standardisiertes Verfahren zum Einsatz kommen
- Wer die „Inhouse Steuerung“ übernimmt – ob gemeinsamer Tresen, Portalpraxis oder Rettungsstelle, sollte den Kollegen vor Ort überlassen werden.