München – Es sind vor allem junge Patienten, bei denen ein Ewing-Sarkom diagnostiziert wird: die meisten sind zwischen zehn und 16 Jahre alt. Aber dass bereits ein Vierjähriger betroffen ist, so wie der kleine Josef aus München, ist ausgesprochen selten. Im Herbst 2015 fand man in seinem Oberschenkelknochen einen bösartigen Tumor. Da eine herkömmliche Tumorprothese bei einem solch kleinen Kind nicht verwendet werden kann, suchten die Ärzte der Orthopädie am Klinikum rechts der Isar nach einer innovativen Methode, um das Bein des Jungen erhalten zu können.
Mit einer neuartigen Operationstechnik und einer ausgeklügelten Kombination aus Fremd- und Eigenknochen konnten sie den nach der Entfernung des Tumors entstandenen Knochendefekt auffüllen. Josefs Chancen sind damit hoch, auch künftig auf zwei eigenen Beinen und ohne künstliches Gelenk oder Prothese laufen zu können.
Bevor der Junge operiert werden konnte, musste er zunächst eine mehrmonatige Chemotherapie in der Kinderklinik in Schwabing absolvieren. Anschließend waren die Voraussetzungen gegeben, um den Tumor möglichst vollständig operativ zu entfernen.
Bei älteren Kindern und Jugendlichen würde man bei einer solchen Operation das betroffene Knochenstück durch eine Tumorprothese ersetzen. Doch bei Josef schied diese Möglichkeit aus: Sein Oberschenkelknochen ist noch so klein, dass kein Prothesenschaft darin Platz finden würde. Der Direktor der Klinik für Orthopädie, Prof. Rüdiger von Eisenhart-Rothe erklärt: „Normalerweise müsste man in einem solchen Fall entweder das Bein des Vierjährigen amputieren oder die Möglichkeit einer Umkehrplastik wählen. Wir wollten aber alles tun, um Josefs Bein zu erhalten. Deshalb haben wir nach einer innovativen Lösung gesucht.“
Die Orthopäden am Klinikum rechts der Isar füllten den Defekt, der durch die Entfernung des Tumors entstanden war, mit einem 10 cm langen Knochenstück vom Oberarm eines Erwachsenen. „Wir sind sehr dankbar, dass uns das Deutsche Institut für Zell- und Gewebeersatz bei der Suche nach einem geeigneten Transplantat sehr schnell und engagiert unterstützt hat“, so Eisenhart-Rothe.
Für den passgenauen Einsatz war eine penible Vorarbeit erforderlich: Zunächst wurden mit Hilfe von CT und MRT die genauen Dimensionen des notwendigen Knochentransplantats errechnet. Um den Tumor millimetergenau entfernen und das Transplantat exakt einpassen zu können, wurden dann mehrere Hilfsmittel eigens für Josef hergestellt: Mit individualisierten Schnittschablonen, die bei der OP auf den Knochen des Patienten aufgesetzt wurden, konnte bei der Entfernung des Tumors der Oberschenkelknochen haarscharf entlang der Wachstumsfuge durchtrennt werden.
„Die Herausforderung war, dass wir die Fuge unbedingt erhalten wollten, obwohl der Tumor in unmittelbarer Nähe lag“, erklärt Eisenhart-Rothe. Auch für das Zurechtsägen des Fremdknochens, der absolut passgenau in die entstandene Lücke eingefügt werden musste, setzten die Ärzte individuell hergestellte Schablonen ein. Für die Verankerung des Transplantats im verbliebenen Oberschenkelknochen nutzten sie schließlich eine speziell gefertigte Platte.
Nach der erfolgreichen Operation muss sich nun in den kommenden Jahren zeigen, ob der Knochen nicht nur stabil ist, sondern auch mit Josef mitwächst. Der Fremdknochen dient dabei als Platzhalter und gibt den Raum vor, in den nun nach und nach körpereigenes Gewebe einwachsen und das Transplantat schließlich ersetzen soll.
Um diesen Prozess zu unterstützen, setzten die Ärzte bei der Operation einen zweiten, körpereigenen Knochen auf den Fremdknochen auf: Sie entnahmen das Knochenstück mitsamt der dazugehörigen Blutgefäße von der Fibula des Jungen und schlossen es an seinem neuen Bestimmungsort wieder an die Gefäßversorgung an. „Wir hoffen außerdem, dass wir die Wachstumsfuge am Oberschenkel so gut erhalten konnten, dass das Bein weiter wächst. Wie gut das funktioniert, können wir allerdings erst in etwa zwei Jahren beurteilen, wenn wir die Platte am Knochen entfernen“, so Eisenhart-Rothe.