Montreal – Etwa 5.000 bis 7.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einer atraumatischen Femurkopfnekrose. Die möglichen Ursachen der Erkrankung sind vielfältig und nicht abschließend geklärt. Kanadische Forscher haben nun eine neue Genmutation entdeckt, die mit der Entstehung der Femurkopfnekrose zusammenhängen könnte. Dies könnte künftig dabei helfen, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um einer Coxarthrose vorzubeugen.
Bekannte Risikofaktoren für die Entstehung einer atraumatischen Femurkopfnekrose sind unter anderem eine Dauertherapie mit Kortikosteroiden, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum. Auch eine genetische Prädisposition gilt als eine der möglichen Ursachen – wobei Fälle einer rein erblich bedingten Femurkopfnekrose eher selten auftreten. Welche Gene dabei eine Rolle spielen, ist noch nicht gänzlich erforscht.
Wissenschaftler des McGill University Health Centre in Montreal haben nun eine neue Genmutation identifiziert, die mit der Ausbildung der Femurkopfnekrose zusammenhängen könnte. Die Forscher endeckten die Genmutation in einer Familie europäischer Abstammung mit mehreren Fällen von fortgeschrittener atraumatischen Femurkopfnekrose. Vier von sechs Geschwistern in der Familie litten an einer Femurkopfnekrose und wiesen zugleich die Genmutation auf. Bei den restlichen Familienmitgliedern, die nicht von der Erkrankung betroffen waren, konnten die Forscher die Genmutation nicht feststellen.
Die Mutation betrifft das Gen TRPV4 (Transient Receptor Potential Vanilloid 4), das eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Durchblutung und der Bildung von Knochenzellen spielt. Eine Reihe skelettaler und neuromuskulärer Erkrankungen, wie zum Beispiel verschiedene spinale Muskelatrophien, sind TRPV4-assoziiert. Die Studie der kanadischen Forscher ist die erste, die einen Zusammenhang des Gens zur Entstehung der atraumatischen Femurkopfnekrose feststellen konnte. Dies sei ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Verständnis der biologischen Mechanismen, die der Erkrankung zugrunde liegen, so die Studienautorin Dr. Chantal Séguin, außerordentliche Professorin im Bereich Hämatologie und Onkologie der Medizinischen Fakultät der McGill University, in einer Pressemitteilung. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, gezielte Therapien zu entwickeln, die bereits bei den Ursachen der Erkrankung und nicht erst bei den Symptomen ansetzen, so Séguin.
Die Studie „Gain-of-function mutation in TRPV4 identified in patients with osteonecrosis of the femoral head” wurde am 21. Juni 2016 online in der Fachzeitschrift Journal of Medical Genetics veröffentlicht.
Anne Faulmann
Weitere Informationen:
Studie der knandischen Forscher im Journal of Medical Genetics
Aktuelle Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt: „Atraumatische Femurkopfnekrose des Erwachsenen“
Bild:
Bleibt die Femurkopfnekrose unbehandelt, führt sie im Großteil der Fälle zu einer Coxarthrose (links), die schließlich einen künstlichen Hüftgelenkersatz erforderlich machen kann (rechts). (Quelle: Suttha Burawonk/Shutterstock)