Berlin – Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) hat die Krankenkassen aufgefordert, ihre Überschüsse auch in die Erprobung alternativer Versorgungsmodelle außerhalb des Kollektivvertragssystems zu investieren. Hintergrund: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat am 22. Juni mitgeteilt, die Kassen hätten im I. Quartal 2016 einen Überschuss von 406 Millionen Euro erzielt. „Dabei verzeichneten sämtliche Kassenarten ein positives Finanzergebnis. Die Finanzreserven der Krankenkassen stiegen bis Ende März 2016 damit auf 14,9 Milliarden Euro“, so die weiteren Informationen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Ausgaben je Versicherten stiegen um 3,2 Prozent.
Bessere fachärztliche Versorgung für Schwerkranke und Chroniker
Spifa-Hauptgeschäftsführer Lars F. Lindemann erklärte daraufhin: „Der Innovationsfonds ist ein Weg, Innovationen ins System zu bringen. Es besteht für die Krankenkassen jedoch die Möglichkeit – und aus Sicht der Fachärzteschaft auch die Notwendigkeit –, über selektives Kontrahieren Versorgungsformen außerhalb des Kollektivsystems zu etablieren.“ Patienten mit chronischen oder schweren Krankheitsverläufen könne man so Möglichkeiten einer abgestimmten, zielgenauen und damit besseren Versorgung anbieten. „Die solide Finanzlage der Krankenkassen würde das offenbar auch hergeben“, befand Lindemann.
Medienberichte: GKV-Finanzergebnisse sind Schönfärberei
In verschiedenen Medien wurde die Interpretation der jüngsten Finanzergebnisse der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) jedoch als Schönfärberei eingeordnet, die dem langsam beginnenden Wahlkampf geschuldet ist. So wird in der BMG-Pressemitteilung nicht erwähnt, dass zu Jahresbeginn die kassenindividuellen Zusatzbeiträge durchweg gestiegen sind, die jeder Versicherte zahlen muss. Dies entspricht Zusatzeinnahmen von rund 3,5 Milliarden Euro. Ein Teil dieser Zusatzeinnahmen stammte allerdings vor dem Jahr 2015 aus dem regulären Krankenkassenbeitrag.
Gröhe hat zudem bereits angekündigt, im nächsten Jahr die Liquiditätsreserve im Gesundheitsfonds anzuzapfen und 1,5 Milliarden Euro zu entnehmen. Offizielle Begründung dafür sind Ausgaben für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen. Aber in der gesundheitspolitischen Szene ist es kein Geheimnis, dass schon seit Jahren für bestimmte Gruppen in der GKV keine ausreichend hohen Beiträge bezahlt werden, darunter für Arbeitslose. Jüngst hat der Landesverband Bayern der Betriebskrankenkassen vorgerechnet, dass die gesundheitliche Versorgung der Empfänger von Arbeitslosengeld II rund 200 Euro im Monat kostet, der Staat aber nur 90 Euro davon finanziert.
Woher mehr Geld kommt? „Keine Ahnung.“
Hinzu kommt, dass die Große Koalition zahlreiche Leistungsverbesserungen auf den Weg gebracht und weitere angekündigt hat. Diese werden die Versorgung ebenfalls verteuern. Nur ein Beispiel: Vor kurzem hat Gröhes Ministerium einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem für das Personal in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern ein verbindlicher Stellenschlüssel vorgegeben werden soll. Auf die Frage, wie dies zu finanzieren sei, antwortete bei einer Veranstaltung der Bundespsychotherapeutenkammer ein Kassenvertreter: „Gute Frage – darauf habe ich keine Antwort.“
Sabine Rieser