ZÜRICH, Schweiz – In dem neuen Kooperationsprojekt XoSoft entwickeln Wissenschaftler der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gemeinsam mit mehreren europäischen Partnern ein Soft-Exoskelett für Menschen, die beim Gehen beeinträchtigt sind. Das für die Stützstruktur verwendete Material soll dank integrierter Sensoren lernfähig sein und sich je nach Bewegungsablauf mehr oder weniger versteifen. So könnte beispielsweise Patienten mit einem Fallfuß besser geholfen werden.
Wer nach einer Verletzung oder von Geburt an beim Gehen beeinträchtigt ist, kann heutzutage mittels Orthesen wieder besser laufen. Doch diese teils schweren und unflexiblen Konstruktionen passen sich oft nur einem Teil des Bewegungsablaufes an. Deshalb entwickelt das internationale Forschungsteam eine Stützstruktur, welche sich je nach Bewegung versteift oder weich wird. Das innovative Gewebe wird mit Sensoren ausgerüstet, mit deren Hilfe eine integrierte Elektronik die Bewegung der betroffenen Gliedmaßen lernt und diese dann im richtigen Augenblick stützt, entlastet oder frei bewegen lässt.
Die Form der Stützstruktur müsse man sich wie eine Leggins oder eine Socke vorstellen, je nachdem, für welchen Bereich die Gehhilfe gedacht sei, so Christoph Bauer, Physiotherapie-Forscher an der ZHAW. „Grundsätzlich sollte das Ganze bequem sein. Patienten sollen die Gehhilfe den ganzen Tag lang tragen können und das unter der Kleidung.“
Ein Anwendungsbeispiel für XoSoft sei der Fallfuß, erklärt Bauer. Das betreffe Patienten, bei denen beispielsweise die vordere Seite der Fußmuskeln gelähmt sei, der Fuß dadurch herunterhänge und beim Gehen schleife. „XoSoft könnte beispielsweise mit Sensoren erkennen, wann die Schwungphase beginnt, und dann dem Antriebselement übermitteln, wann er stabilisieren soll. Oder dadurch sogar eine Bewegung auslösen, welche den Fuß hochzieht. Beim Landen würde das Exoskelett dann wieder weich werden. Das können herkömmliche feste Hilfsmittel, sogenannte Orthesen, im Moment nicht. „Das Prinzip hinter dem sich in der Festigkeit verändernden Material sind Strukturen, welche auf elektrische Felder reagieren. Dieses Material entwickeln die Projektpartner vom Italian Institute of Technology.
„Der Bewegungsablauf wird über Algorithmen erfasst, welche die Daten der eingesetzten Sensoren auswerten“, erklärt Konrad Stadler, der im Bereich Regelungstechnik an der ZHAW School of Engineering forscht. Dahinter stecke ein Modell der Bewegungsabfolgen beim Gehen, welches auf den jeweiligen Patienten angepasst werde.
Während der Entwicklung werden der Prototyp und die Software regelmäßig im Bewegungslabor des Instituts für Physiotherapie der ZHAW getestet. Dort arbeitet Bewegungswissenschaftlerin Eveline Graf mit sehr präzisen Messmethoden um zu kontrollieren, ob die Algorithmen den Bewegungsablauf auch in gewünschter Weise unterstützen. „Wir können die menschliche Haltung und den Gang exakt messen und erkennen sofort, ob Prototypen von XoSoft das Gehen wie gewünscht unterstützen oder ob Anpassungen an Material oder Software notwendig sind“, erklärt Graf.
Das XoSoft-Projekt läuft über drei Jahre und wird von der EU unterstützt. Mit der Entwicklung hat das aus neun Partnern bestehende europäische Konsortium im Februar 2016 begonnen. Einen ersten Prototyp soll es bereits innerhalb eines Jahres geben. Neben dem ZHAW-Departement Gesundheit und der ZHAW School of Engineering gehören zu dem Konsortium vier weitere europäische Forschungsgruppen in den Bereichen Robotik, Bioengineering, Ambient Intelligence und Design. Ebenfalls beteiligt sind vier Firmen und klinische Partner, welche in den Gebieten der Rehabilitationstechnologien, Geriatrie und Prothetik tätig sind.