Dresden – Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden ist es gelungen, neuartige Titanlegierungen herzustellen, die sich als Material für Knochenimplantate eignen könnten. Die Legierungen, sogenannte metallische Gläser, besitzen eine weit höhere Bruch- und Verschleißfestigkeit als bisher genutzte Titanlegierungen, sind zugleich aber weniger steif und hoch elastisch. Damit könnten sie insbesondere bei lasttragenden Implantaten für Osteosynthese-Systeme Verwendung finden.
Als Material für lasttragende Knochenimplantate wie Schrauben, Nägel, Drähte oder Platten kommen meist Titanlegierungen zum Einsatz. Sie besitzen bessere Biokompatibilität als andere metallische Implantatmaterialien und ihre mechanischen Eigenschaften kommen denen des Knochens am nächsten. Wichtig ist dabei das richtige Verhältnis zwischen hoher Festigkeit und niedriger Steifigkeit. Das Material muss also sehr stabil und bruchfest, aber gleichzeitig auch elastisch sein.
Die derzeit verwendeten Legierungen haben den Nachteil, steifer als Knochen zu sein, was zur Schwächung und sogar zur Rückbildung des Knochens führen kann. Die Folge: Nach 10 bis 15 Jahren muss erneut operiert werden, um das Implantat zu ersetzen. Dies ist besonders für ältere Patienten problematisch. Deshalb wird vor allem in der Orthopädie dringend nach einem metallischen Ersatzmaterial gesucht, das sich besser mit dem Knochen verträgt. Das betrifft sowohl die mechanischen Eigenschaften als auch die chemische Zusammensetzung.
Metallische Gläser mit vielversprechenden Eigenschaften
Die Arbeitsgruppe am IFW untersuchte unterschiedliche Strukturen von Titan-basierten Materialien. Neben neuen Titanlegierungen des beta-Typs erwiesen sich metallische Gläser als besonders vielversprechend. Dabei handelt es sich um Legierungen, die auf atomarer Ebene keine kristalline, sondern eine amorphe Struktur aufweisen. Ihre speziellen Eigenschaften machen sie als Implantat-Material besonders attraktiv. Bisher werden metallische Gläser in der Biomedizin aber selten verwendet, denn ihre Herstellung in massiver Form und in Zusammensetzungen mit guter biologischer Verträglichkeit ist schwierig.
Zur Glasbildung dienen herkömmlicherweise Elemente wie Nickel und Kupfer, die für den menschlichen Körper schädlich sind. Den Dresdner Wissenschaftlern ist es nun gelungen, biokompatible metallische Gläser ohne Nickel oder andere schädliche Legierungszusätze herzustellen. Die neu entwickelten Legierungen bestehen aus Titan, Zirkon und Silicium, eine Variante enthält zusätzlich das Element Niob.
Laut den Forschern übertreffen die Legierungen die etablierten Materialien in entscheidenden Punkten. Sie besitzen eine weit höhere Bruch- und Verschleißfestigkeit, geringes spezifisches Gewicht und sind äußerst korrosionsbeständig sowie präzise und vielseitig zu formen. Sie sind hart wie Stahl, zugleich aber weniger steif und hoch elastisch wie Kunststoff. Dieses Eigenschaftsspektrum prädestiniere die neu entwickelten Ti-basierten Gläser für den Einsatz in der Biomedizin, so die Dresdner Forscher.
Verwendung für Implantatbeschichtungen
Jedoch können die amorphen Ti-Legierungen aufgrund ihrer geringen Glasbildungsfähigkeit bis jetzt nicht in Form von Platten oder Nägeln hergestellt werden. Damit sind sie bisher eher als verschleiß- und korrosionsbeständige Beschichtungen für metallischen Implantate interessant. Weitere Experimente seien erforderlich, um die Glasbildungsfähigkeit der Ti-basierten metallischen Gläser zu verbessern, so die Wissenschaftler.
Die Forschungen sind Teil eines überregionalen interdisziplinären Projekts mit dem Titel „Werkstoffe für die Geweberegeneration im systemisch erkrankten Knochen“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Ziel ist es, neue Knochenersatzmaterialien und Implantate für einen langzeitstabilen Gewebeersatz zu entwickeln und zu testen.
Quelle: IFW Dresden