Stuttgart – Zum 1. Januar 2018 wird der Facharztvertrag Orthopädie in Baden-Württemberg um den Bereich Internistische Rheumatologie erweitert. Das haben die Vertragspartner Anfang November mitgeteilt. Das neue Modul steht Versicherten der AOK Baden-Württemberg und der Bosch BKK offen, die am gemeinsamen Facharztprogramm ihrer Krankenkasse teilnehmen. Wesentliche Vorteile gegenüber der Regelversorgung sollen ein schnellerer Zugang zu moderner, qualitätsgesicherter Diagnostik und Therapie sein sowie mehr Zeit für eine umfassende Patientenberatung.
Erhärtet sich der Verdacht auf eine rheumatologische Erkrankung, sollte möglichst rasch eine zielgerichtete Therapie beginnen. Allerdings dauert es derzeit ab dem Auftreten erster Krankheitssymptome im Schnitt elf Monate, bis ein Patient erstmals von einem Rheumatologen untersucht wird. Und auch nach einer Rheumadiagnose ist die Versorgung verbesserungswürdig, wie eine Analyse der AOK Baden-Württemberg zeigt. Demnach haben fast ein Viertel der Betroffenen – insbesondere Ältere – keinen Kontakt zu einem ambulant tätigen internistischen Rheumatologen oder Orthopäden.
Gute Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Rheumatologen und Orthopäden im Blick
Zudem erfordern gerade diese entzündlichen Systemerkrankungen einen guten Überblick der beteiligten Ärzte über den gesamten Gesundheitszustand und damit eine gute Zusammenarbeit vor allem zwischen Hausärzten, Rheumatologen und Orthopäden. Wichtig ist ferner eine intensive Beratung zur Medikation im Sinne der Patientensicherheit und Therapietreue und zu Fragen der Lebensführung und Rehabilitation. „Genau an diesen Punkten setzen wir gemeinsam mit den ärztlichen Vertragspartnern an”, erklärt Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender AOK Baden-Württemberg. „Wir wollen eine koordinierte und qualitätsgesicherte Behandlung durch Haus- und Fachärzte fördern.”
Damit Verdachtsfälle frühzeitig abgeklärt werden, erhalten Versicherte bei einer Überweisung zum Facharzt innerhalb von zwei Wochen einen Termin, bei Notfällen sogar am selben Tag. Der Vertrag berücksichtigt auch Faktoren wie Multimorbidität und Polypharmazie, motivationale Beratung und den erhöhten Beratungsbedarf schwangerer Rheumapatientinnen. Bei psychosozialen Belastungen oder beruflichen Risikofaktoren können außerdem der Soziale Dienst der AOK und die Patientenbegleiter der Bosch BKK ergänzend beraten, wie Dr. Gertrud Prinzing, Vorständin der Bosch BKK erklärt. Der Hausarzt erhält möglichst innerhalb von drei, spätestens jedoch innerhalb von 14 Werktagen einen strukturierten Befundbericht; bei Neueinstellung oder Therapieumstellung unmittelbar – inklusive aktualisiertem Medikationsplan.
Ermöglicht wird diese neue Versorgung durch eine abgestimmte Vergütungssystematik, bestehend aus einem Mix von Pauschal- und Einzelleistungsvergütungen sowie Qualitätszuschlägen. Für die Ärzte ergibt sich im Schnitt ein deutliches Honorarplus gegenüber dem KV-System.
Orthopädievertrag mit dem BVOU läuft erfolgreich
Erfolgreich läuft seit nunmehr knapp vier Jahren der bundesweit erste Facharztvertrag für Orthopäden, Unfallchirurgen und Chirurgen in Baden-Württemberg, den der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) engagiert auf den Weg gebracht hatte. Dr. Burkhard Lembeck, BVOU-Landesvorsitzender in Württemberg, hatte zu Jahresanfang betont, dieser morbiditätsorientierte Facharztvertrag verschaffe auch Spielräume für eine zeitintensive Versorgung.
Verbesserung im Bereich bestimmter Schwerpunktdiagnosen
Der Vertrag ist insbesondere auf eine verbesserte Versorgung folgender orthopädischer Schwerpunktdiagnosen ausgelegt: unspezifischer Rückenschmerz (48 Prozent), Gon-Coxarthrose (37 Prozent), spezifischer Rückenschmerz (33 Prozent), Osteoporose (9 Prozent) und entzündliche Gelenkerkrankungen (4 Prozent). Die Prozentzahlen geben die durchschnittliche Häufigkeit für die im Orthopädievertrag behandelten Versicherten für die Jahre 2015 und 2016 wieder (Mehrfachaufzählung möglich).
Dass mehr Zeit für Beratung und Motivation der Patienten als wichtige Ziele des 2014 gestarteten Facharztvertrags Orthopädie in Baden-Württemberg umgesetzt werden, belegen zwei Patientenbefragungen aus den Jahren 2015 und 2016, deren Ergebnisse sich ähneln. Für 2015 fühlten sich 81 Prozent der Befragten durch ihren Orthopäden gut beraten, 85 Prozent würden ihn weiterempfehlen. Auch die knapp 580 teilnehmenden Ärzte profitieren: 82 Prozent gaben an, wichtige Rückmeldungen zur Patientensicht erhalten zu haben, 72 Prozent erhielten Hinweise auf Verbesserungspotentiale. Diese bestanden etwa bei der Beratung zu Selbsthilfeangeboten (zum Beispiel für Ernährung und Bewegung).
Lembeck: „Veränderung von Gewohnheiten ist elementar“
Aus Ärztesicht ist gerade die Motivation zu einem gesundheitsfördernden Lebensstil essentiell. „In unserem Fachgebiet sind ausführliche Aufklärung zu biologisch-psychologischen und medizinischen Zusammenhängen sowie Beratung und Anleitung zu dauerhaften gesundheitsförderlichen Veränderungen eingeschliffener Gewohnheiten elementar für eine gute Versorgung. Ein solch intensives Gespräch erfordert mehr Zeit, die der Arzt im Facharztvertrag Orthopädie jetzt zur Verfügung hat“, erklärte Lembeck.
Quellen: Pressemitteilungen Vertragspartner