Berlin/München – Seit fast fünfzehn Jahren treffen sich in München Kinderorthopädinnen und Kinderorthopäden zu einem regelmäßigen Zusammenschluss, um Behandlungsmaßnahmen zu koordinieren, gemeinsame Interessen zu transportieren und berufspolitische Probleme zu formulieren. Der ursprünglich kleine Stammtisch hat sich in den letzten Jahren enorm erweitert. Dr. Hartmut Gaulrapp, BVOU-Bezirksvorsitzender in München, hat die Initiative ins Leben gerufen und spricht über gemeinsame Ziele.
Herr Dr. Hartmut Gaulrapp, in München haben Sie ein kinderorthopädisches Netzwerk aufgebaut: Was ist das und wie muss man sich das vorstellen?
Dr. Hartmut Gaulrapp: Das kinderorthopädische Netzwerk ist ein loser Zusammenschluss von ursprünglich zunächst in München niedergelassenen Kinderorthopäden, also Ärztinnen und Ärzte mit der seit 2005 von der Ärztekammer gemäß der Weiterbildungsordnung ergebenen Zusatzbezeichnung „Kinderorthopädie”. Seit 2015 ist daraus ein großer und weiter zunehmender Kreis mit allen in München niedergelassenen Kinderorthopäden und auch Klinik-Kollegen entstanden.
Warum braucht man ein kinderorthopädisches Netzwerk?
Dr. Gaulrapp: Das hat mehrere Gründe: gemeinsame Interessen der Ärzte zu bestimmen und zu transportieren, Behandlungsmaßnahmen zu vergleichen, zu koordinieren und abzustimmen, für schwierige Kasuistiken Lösungen zu finden und ebenso, um berufspolitische Probleme und Interessen zu formulieren und mitzuteilen.
Wie oft und wo treffen Sie zusammen?
Dr. Gaulrapp: Aktuell treffen wir uns zweimal im Jahr, jeweils in der Praxis oder Klinik eines der Mitglieder des Arbeitskreises.
Was wird dort besprochen? Welche Ziele verfolgen Sie? Wie erfolgt der Erfahrungsaustausch?
Dr. Gaulrapp: Wir haben eine Plattform und ein Forum für kinderorthopädische Fragen der Ärzte entwickelt. Hier beraten wir auch zu berufspolitischen Themen, hinsichtlich der Wissenschaft und der Patientenanliegen und Therapieformen. Wir besprechen in der Runde auch E-Mail Anfragen einzelner Mitglieder.
Was möchten Sie verändern?
Dr. Gaulrapp: Wir möchten optimale Angebote für Patienten schaffen. Ziel ist es, das hier in München eingeführte lose, aber informative, Netzwerk auch regional in anderen Regionen zu etablieren. Inhaltlich setzen wir uns für kindgerechte fachorthopädische Diagnostik und Therapie ein und wollen kind- und familiengerechte Betreuung schaffen. Dies gilt insbesondere auch für behinderte Patienten. Hier sollte die Zusammenarbeit zwischen Praxis und Klinik gestärkt werden: Orthopädietechnik, Physiotherapie und Ergotherapie, gesetzliche Behinderungen (Notfalldepot, Ausschluss bestimmter Abrechnungsziffern, Minderbewertung der Ordinationsziffer, fehlende Ziffern für bestimmte Leistungen, zu wenig Präventionsziffern) abbauen, durch die EBM Reform 2005 geschaffene Benachteiligungen ausgleichen und neue Vorsorgeziffern im Bereich der Kinderorthopädie etablieren.
Mit wem teilen Sie Ihre gewonnenen Erkenntnisse?
Dr. Gaulrapp: Die gewonnenen Erkenntnisse teilen wir mit Kollegen, Berufsverbänden, Patientenorganisationen, Krankenkassen und dem Gesetzgeber. Uns erreichen auch Presseanfragen von Medienvertretern.
Wer darf zu dem Treffen dazu?
Dr. Gaulrapp: Voraussetzung ist die Zusatzbezeichnung Kinderorthopädie, da diese die notwendige qualitative und quantitative Ausbildung voraussetzt. Voraussetzung ist ferner Interesse und auch die aktive Beteiligung im Arbeitskreis.
Wie viele Leute sind dabei?
Dr. Gaulrapp: Zu Beginn waren es drei Kollegen, mittlerweile sind es über 20.
Wie sollte sich das kinderorthopädische Netzwerk Ihrer Meinung nach entwickeln?
Dr. Gaulrapp: Es wäre schön, wenn sich nach dem Münchner Vorbild bundesweit kinderorthopädische Netzwerke einrichten würden, die ein wichtiger Basisaspekt eines bundesweiten orthopädischen Netzwerkes werden könnten, wie dies von der Kommission Kinderorthopädie (DGOU, Vereinigung Kinderorthopädie und BVOU) initiiert wurde.
Könnte das kinderorthopädische Netzwerk auch als Modell für andere Bundesländer dienen?
Dr. Gaulrapp: In München ist die Besonderheit gegeben, dass viele niedergelassene Kinderorthopäden in eigenen Praxen tätig sind und zusätzlich an vier Kliniken kinderorthopädische Leistungen angeboten werden. Auf jeden Fall sollte die Münchner Initiative Vorbild für eigenständige Zentren in den verschiedenen Regionen Deutschlands sein, auch wenn die in München umfangreichen Inhalte in einzelnen Regionen schwer abzubilden oder darzustellen sein könnten. Es zählt die Initiative, Kindern qualitativ gute kinderorthopädische Behandlung zukommen zu lassen.
Was war bis jetzt Ihr größtes Erfolgserlebnis?
Dr. Gaulrapp: Das Highlight unserer bisherigen Arbeit im Netzwerk (Arbeitskreisarbeit) war sicherlich die gemeinsame Planung, Organisation und Durchführung der kinderorthopädischen Jahrestagung 2016 in München.
Dr. Hartmut Gaulrapp ist Facharzt für Orthopädie, Kinderorthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie. Außerdem ist er als Kinder-D-Arzt (Unfallarzt) für die Behandlung von Schulunfällen, Wegeunfällen und Arbeitsunfällen von den Berufsgenossenschaften zugelassen. Seit 2001 ist er Bezirksvorsitzender des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) in München und berufspolitisch in der Kassenärztlichen Vereinigung, Ärztekammer und im Kreisverband engagiert. Seit 1999 ist er niedergelassener Arzt in einer eigenen Praxis.
Das Interview führte Janosch Kuno, Presse BVOU