Berlin – Geht man von der bestehenden Krankenhausstruktur in Deutschland aus, dann könnten 99,6 Prozent aller Einwohner in einer Fahrtzeit von 30 Minuten in rund 700 ambulanten Notfallzentren an bestehenden Kliniken versorgt werden. Mehr brauchte es rechnerisch nicht. Das geht aus einem Gutachten im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor, welches das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) erstellt hat. Es hat dafür Daten zur Notfallversorgung in Deutschland ausgewertet und den tatsächlichen Bedarf an ortsgebundenen Notfall-Versorgungszentren im Land im Rahmen einer Simulationsmodellierung veranschaulicht. Derzeit nehmen dem RWI zufolge 1.456 Krankenhäuser an der Notfallversorgung teil.
Das Gutachten geht davon aus, dass jeder Einwohner bundesweit einen Anfahrtsweg von maximal 30 Minuten bis zum nächsten Notfallversorger haben sollte. Nach dem Modell „Grüne Wiese“, das heißt bei freier Wahl von Standorten, wären theoretisch bundesweit nur 337 Anlaufstellen ausreichend. Nach dem Modell „reale Standorte“, bei dem die ambulanten Notfallzentren an bereits bestehende Kliniken mit Notfallversorgung angegliedert würden, wären bundesweit 736 Zentren nötig, die sich idealerweise mit der Notaufnahme einer Klinik einen gemeinsamen Tresen teilten.
Gassen: Notfallpraxen an allen Kliniken nicht umsetzbar
„Diese Zahlen verdeutlichen, dass wir nicht an jeder Klinik eine Portalpraxis brauchen. Das wäre vollkommen unwirtschaftlich“, kommentierte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen das Gutachten. In bestimmten Regionen stünden mehrere Anlaufstellen zur Auswahl, wenn es an jeder Klinik eine Portalpraxis gäbe. „Das ist versorgungstechnisch sowie im Hinblick auf einen vernünftigen Ressourceneinsatz nicht sinnvoll“, erklärte Gassen. KBV-Vorstand Dr. Stephan Hofmeister ergänzte: „Selbst wenn ausreichend Finanzmittel vorhanden wären, könnte man nicht an jeder Klinik eine Portalpraxis einrichten. Für so viele Standorte gibt es nicht genügend medizinisches Fachpersonal – das gilt für Ärzte genauso wie für medizinische Fachangestellte.“ Derzeit bestehen rund 650 Bereitschaftsdienstpraxen, die an Notaufnahmen von Kliniken angegliedert sind. Auch aus rechtlichen Gründen sind sie aber nicht rund um die Uhr geöffnet.
G-BA: Mindestanforderungen für Notfallkliniken
Kurz nach Präsentation des RWI-Gutachtens stimmte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über Vorgaben für ein gestuftes System der stationären Notfallversorgung ab. Er beschloss Mindestanforderungen für die Kliniken, die zukünftig Vergütungszuschläge für ihre vorgehaltenen Notfallstrukturen bekommen sollen. Nach Einschätzung des G-BA werden von derzeit 1.748 teilnehmenden Häusern etwa 1.120, also zwei Drittel, Zuschläge erhalten. Das restliche Drittel habe auch in der Vergangenheit kaum Notfallpatienten versorgt. Der Unparteiische Vorsitzende Prof. Josef Hecken sprach von nur etwa fünf Prozent. Den Beschluss mit allen Details will der G-BA umgehend veröffentlichen.
Quellen: Pressemitteilungen KBV, G-BA