Der Begriff „Compliance“ wird im Gesundheitswesen üblicherweise mit der Einhaltung von Therapieempfehlungen durch Patienten in Verbindung gebracht. Mit der im rechtlichen und geschäftlichen Bereich üblichen Definition des Begriffs als „Verhalten im Einklang mit geltendem Recht“ setzt sich das in 4. Auflage neu erschienene Handbuch „Compliance im Gesundheitswesen“ von Herausgeber Dr. jur. Peter Dieners, Rechtsanwalt in Düsseldorf, differenziert auseinander. Auf 980 Seiten wird dabei deutlich, dass Compliance mehr bedeutet als die reine Vermeidung von Gesetzesverstößen; auch freiwillige Standards („Best Practice“) und Verhaltenskodices als Voraussetzungen für Erfolg durch Verlässlichkeit, Kontinuität, Vertrauen, Risiko- und Wertemanagement existieren und sind einzuhalten, beispielsweise im Bereich der Pharmaindustrie. Mit solchen sind Ärzte z. B. als Veranstalter von Fortbildungsveranstaltungen, bei Beratungs- oder Vortragstätigkeiten konfrontiert.
Andere Bereiche, wie Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a, b StGB, „Herzklappenskandal“, „Kick-back-Zahlungen“, Depotverbot), kommen immer wieder medienwirksam zur Geltung. Sie sind Ausdruck der Aktualität des Compliancethemas, auch für O&U, und haben 10 Jahre nach Erscheinen der 3. Auflage eine Neuauflage des Standardwerks erforderlich gemacht. Im Kern dreht sich aber alles weiter um Fragen erlaubter oder nicht erlaubter Zusammenarbeit, Unabhängigkeit von Therapieentscheidungen und unerlaubter Vorteilsnahmen, die aus verschiedenen Perspektiven wie Sozial-, Straf-, Berufs-, Werbe-, Dienst-, Hochschul-, Steuer-, Kartell-, Datenschutz-, Medizinprodukte- oder Drittmittelrecht detailliert und tiefgehend beleuchtet werden. Neben dem Herausgeber zeichnen 11 weitere deutsche Rechtsanwälte und Steuerberater als Experten für die Inhalte der 17 ausführlichen und übersichtlich untergliederten Kapitel verantwortlich. Diese adressieren in erster Linie Juristen, aber auch Industrie, Ärzte, Krankenhäuser, nichtärztliche Gesundheitsberufe, Krankenkassen, Organisationen und Verbände. Nach Erläuterung von Ausgangssituation, Rechts- und Problemlage beschäftigen sich die Autoren mit Problembewältigungsstrategien, Grundlagen der Kooperation, Vertragsgestaltungen und Compliance-Management in der betrieblichen Praxis.
Lehrreich ist dabei schon allein die Vermittlung der zwischenzeitlich etablierten Fachterminologie für Compliancethemen. Bei aufgetretenen Problemen helfen die Kapitel über Verhaltensweisen bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen und über interne Untersuchungen weiter. Für Verbände sind die Kapitel über Lobbying und die FSA-Kodices für die Zusammenarbeit mit Ärzten, Apothekern und Angehörigen medizinischer Fachkreise bzw. Patientenorganisationen von Bedeutung. Abgerundet wird das Buch durch die Darstellung des FSA-Transparenzkodex und der Verfahrensordnung des Vereins „Freiwilliger Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“. Ergänzend zum umfangreichen Sachverzeichnis am Ende des Buches verfügt auch jedes Kapitel über ein umfangreiches Literaturverzeichnis und Verweise zu gerichtlichen Entscheidungen in den Fußnoten, viele Kapitel zusätzlich über hilfreiche Diagramme, Tabellen und Checklisten. Das Handbuch kostet 109,- € und ist kein „Lesebuch“, sondern ein wertvolles und gelungenes Fachhandbuch für Interessierte, die sich differenziert mit den juristischen Aspekten von Compliance im Gesundheitswesen auseinandersetzen möchten oder müssen.
Dr. med. Karsten Braun, LL. M.
BVOU-Referat Presse/Medien