Wertheim – Akupunktur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenke durch Gonarthrose gehört zum kassenärztlichen Leistungsangebot vieler konservativ tätiger Orthopäden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.2.2019 (B 6 KA 56/17R) könnte vielen Akupunkteuren nun eine Honorarrückforderung drohen: Nach jahrelangem Weg durch die Instanzen hat das BSG in seinem Urteil höchste Anforderungen an die Dokumentation der Eingangsvoraussetzungen für Akupunktur als Krankenkassenleistung bestätigt, wie sie vielen Ärzten nicht bewusst sein dürften.
Danach reicht es nicht aus, dass die Voraussetzung einer 6-monatigen Beschwerdedauer anamnestisch oder durch Ankreuzen auf dem Eingangsdokumentationsbogen festgehalten wird. Der behandelnde Arzt muss den Patienten entweder in den beiden Quartalen unmittelbar vor der Akupunkturbehandlung in der eigenen Praxis wegen dieser Krankheit selbst behandelt haben oder alternativ eine Behandlung bei anderen Ärzten in den beiden Vorquartalen durch vorliegende Arztbriefe nachweisen können. Auch reicht eine frühere Behandlung derselben Krankheit vor diesem 6-Monatsintervall irgendwann in der Vergangenheit als Nachweis einer entsprechenden Beschwerdedauer nicht aus.
Der Fall in Kürze: BVOU-Mitglied Dr. B. (Name der Redaktion bekannt) hatte Patienten im Quartal II/2007 kassenärztlich mit Akupunktur behandelt. Die Voraussetzungen der Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur seien bei seinen Patienten erfüllt gewesen, so der betroffene Kollege. Er dokumentierte die Beschwerdedauer in den Behandlungsunterlagen, wie dem üblichen Eingangsdokumentationsbogen für Akupunktur. “Ich habe in bestem Glauben gehandelt, dass diese Dokumentation ausreichend ist” schildert der Betroffene sein Vorgehen. “Ich bin als guter Akupunkteur in der Region bekannt, die Krankenkassen haben mir diese Patienten sogar geschickt!”
Doch der Arzt erlebte sein blaues Wunder: Auf Antrag einer großen Krankenkasse musste die zuständige KV im Jahr 2011 in 69 Behandlungsfällen eine Rückforderung der vergüteten Akupunkturleistungen nach GOP 30790 und 30791 in Höhe von 9.322€ im Rahmen einer Richtigstellung festsetzen, da in den beiden Vorquartalen bei den behandelten Patienten keine entsprechende ICD-Diagnose in den Quartalsabrechnungen kodiert und somit das geforderte mindestens sechsmonatige ärztlich dokumentierte Schmerzintervall nicht festgestellt werden konnte.
Seinem Widerspruch, dass dieses im Eingangsbogen nach EBM 30790 entsprechend dokumentiert sei, wurde nicht stattgegeben. In den vom BVOU als Musterprozess anwaltlich unterstützten Verfahren wiesen sowohl das SG München (S 39 KA 307/12) 2014 als auch das LSG München (L 12 KA 221/14) 2016 die Klage des Orthopäden ab und folgten der Ansicht von KV und Krankenkasse. Wie im Text von Dr. Heberer dargestellt hat sich nun auch das BSG in seiner Entscheidung 2019 den Vorinstanzen angeschlossen. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung der Einführung der EBM Ziffern 30790 und 30791 lege nahe, dass Akupunktur als zusätzliche Behandlungsoption mit Ausnahmecharakter nicht schon zu Beginn einer Schmerzbehandlung zum Einsatz kommen solle.
Dr. Karsten Braun, Wertheim, Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken