Berlin – Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) fordert Nachbesserungen bei der Umsetzung der so genannten Hybrid-DRG. Größter Kritikpunkt: die Reform wird ausschließlich vom stationären Standpunkt aus konzipiert. Ein Wettbewerb um die beste Patientenversorgung zwischen der ambulanten und stationären Versorgungsebene werde so kaum entstehen.
Die Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen soll gefördert und zügig umgesetzt werden, so der Wunsch der Ampelparteien im Koalitionsvertrag. Mit der Einführung der sektorengleichen Vergütung mittels Hybrid-DRG zum 1.1.2024 ist ein wichtiger Schritt getan. Allerdings fehlen echte Anreize, kurzstationäre Leistungen künftig ambulant zu erbringen, zum Teil werden sogar Fehlanreize gesetzt, die es unbedingt im Vorfeld zu vermeiden gilt.
Hierzu Dr. Helmut Weinhart, 2. stellvertretender Vorsitzender des SpiFa und BVOU-Vizepräsident: „Während für die Vorbereitung der Förderung der Ambulantisierung im stationären Versorgungsbereich strukturelle und materielle Voraussetzungen geschaffen werden, ist dies für den ambulanten Versorgungsbereich nicht vorgesehen, sodass ein Wettbewerb auf Augenhöhe – wie seit über 30 Jahren – politisch gewünscht, erneut ad absurdum geführt wird. Ohne entsprechende Anreize aber und ohne gleichwertigen Zugang zu Hybrid-DRGs für die stationäre und die ambulante Seite wird man mit Hybrid-DRGs das Ambulantisierungspotenzial kaum heben geschweige denn Kosten im Gesundheitssystem sparen.“
Der SpiFa erhebt konkrete Forderungen, die erfüllt sein müssen, um auch für ambulante Versorgungsstrukturen Planungssicherheit herzustellen und einen sinnvollen Wettbewerb entstehen zu lassen. Dazu gehört zum einen eine zeitnahe verbindliche Weiterentwicklung des Startkataloges sowie eine Herausnahme von Sachkosten aus der Fallpauschale, damit insbesondere komplexere ambulantisierbare Operationen, welche mit hohen Sachkosten verbunden sind, auch kostendeckend erbracht werden können.
Weitere Forderungen sind ferner der mögliche Einsatz von Investitionsmitteln für den Aufbau hybrider Versorgungsstrukturen, sowie die Einführung einer Vorhaltevergütung, wie sie für den stationären Versorgungsbereich vorgesehen ist, auch für den ambulanten Bereich. Darüber hinaus fordert der SpiFa Regelungen, die Rechtssicherheit bei der Kooperation von Krankenhäusern und Vertragsärztinnen und -ärzten schafft.
Detaillierter Forderungskatalog
Mit den nachfolgenden fünf Forderungen kann auch für ambulante Versorgungsstrukturen Planungssicherheit hergestellt werden und der für Patienten sinnvolle Wettbewerb entstehen:
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Startkatalog muss verbindlich weiterentwickelt werden
Im verabschiedeten Pflegestudiumstärkungsgesetz ist in Artikel 8a eine Änderung des § 115f SGB V vorgesehen, in der die Frist zur Überprüfung und ggf. erforderlichen Anpassung um ein Jahr auf den 31. März 2024 vorgezogen wird. Damit soll die Ambulantisierung bisher unnötig stationär erbrachten Leistungen, die das primäre Ziel der speziellen sektorengleichen Vergütung ist, weiter beschleunigt werden. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Verordnung zu einer speziellen sektorengleichen Vergütung gemäß § 115f SGB V (Hybrid-DRG-V) gibt mit der Anlage 3 eine Grundlage für die Erweiterung des Kataloges nach § 115f SGB V, die noch durch eine Anpassung der Rechtsverordnung mit Wirkung zum 1. April 2024 konkretisiert werden soll. Um für den Aufbau konkurrierender ambulanter Versorgungsstrukturen im Hinblick auf den Katalog nach § 115f SGB V zu schaffen, ist der derzeitige Katalog zu wenig umfangreich, sodass niedergelassene Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und andere Träger der ambulanten Versorgungsstrukturen nur dann Investitionen tätigen werden können, wenn der Katalog nach § 115f SGB V breiter angelegt wird.
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Sachkosten bei ambulanten Operationen, stationsersetzenden Eingriffen und stationsersetzenden Behandlungen dürfen nicht die Ambulantisierung verhindern und Qualität der medizinischen Versorgung verschlechtern
Sachkosten, die im Zusammenhang mit der Erbringung einer operativen Prozedur des Kataloges nach § 115f SGB V entstehen, bestimmen maßgeblich den finanziellen Gesamtaufwand. Nachdem unter der Höhe der Vergütung einer Fallpauschale gemäß Anlage 2 des Referentenentwurfs der Hybrid-DRG-V eine Vielzahl von Prozeduren subsummiert sind, entsteht die Situation, dass bei kostenintensiven operativen Prozeduren die Höhe der Sachkosten die Entscheidung determiniert, ob eine Fallpauschale oder ob nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gemäß § 4 Absatz 2 Satz 2 der Hybrid- DRG-V angewandt wird. Von daher werden gerade die komplexeren ambulantisierbaren Operationen nicht nach diesem Katalog abgerechnet werden können, sodass der nach Koalitionsvereinbarung gewünschte Ambulantisierungseffekt nicht entstehen wird. Um die gewünschten Effekte der Ambulantisierung wirken zu lassen, wird daher dringend vorgeschlagen, die Sachkosten aus der Fallpauschale herauszunehmen.
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Gute Qualität bedarf einer Investition in die ambulanten Versorgungsstrukturen
Während im stationären Versorgungsbereich im Rahmen der Krankenhausstrukturreform ausdrücklich vorgesehen ist, dass Investitionsmittel der Länder für den Aufbau hybrider Versorgungsstrukturen genutzt werden dürfen, ist eine entsprechende Regelung für die praxisambulanten Versorgungsstrukturen nicht vorgesehen. Damit entsteht eine nachhaltige Wettbewerbsverzerrung, die nur dann aufgehoben werden kann, wenn auch praxisambulante Versorgungsstrukturen die Leistungen nach § 115f SGB erbringen werden und entsprechend gefördert werden.
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Materielle Planungssicherheit an der Schnittstelle ambulant-stationär
Die im Rahmen der Krankenhausstrukturreform ausdrücklich als strukturgebendes Element im stationären Bereich vorgesehene Vorhaltevergütung soll auch an der Schnittstelle ambulant-stationär als strukturgebendes Element für Versorgungsstrukturen vorgesehen werden.
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Kooperationssicherheit für die beste Patientenversorgung
Die Kooperation zwischen niedergelassenen Vertragsärzten und Krankenhäusern ist unabhängig vom Status des Patienten und vom Ort der Erbringung der Leistung sicherzustellen. Dazu hat es aktuelle Rechtsprechung zu unterschiedlichen Rechtskreisen gegeben, die dieser Forderung entgegenstehen. Wir schlagen daher vor, die zukünftige Krankenhausbehandlung auch in Kooperation mit zugelassenen Ärztinnen und Ärzte, zugelassenen medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Ärztinnen und Ärzten gemäß § 95 Absatz 1 SGB V im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit erbringen zu lassen.
Quelle: SpiFa