Bei den Wahlen zum Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg im Sommer 2022 kandidiert Dr. Karsten Braun aus Wertheim als aussichtsreicher Spitzenkandidat des MEDIVERBUNDs. Er ist wie der jetzige Amtsinhaber Dr. Norbert Metke Orthopäde und Unfallchirurg. Für den BVOU engagiert sich Braun als Qualitätszirkelmoderator und Bezirksvorsitzender, im Landesteam Baden-Württemberg und auf Bundesebene im Pressereferat. Janosch Kuno hat mit dem 53-jährigen Kandidaten ein Interview geführt.
Was reizt Sie an dem Job?
Dr. Karsten Braun: Die Vorstandstätigkeit bietet großes Gestaltungspotential und die Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen. Das hat mir schon immer gefallen. Gegenüber der Öffentlichkeit müssen wir die bedeutende Rolle der Ärzteschaft herausstellen. Das geht nur mit qualitativ hochwertiger ambulanter medizinischer Versorgung im konstruktiven Dialog zwischen Hausärzten, Fachärzten und Psychotherapeuten einerseits und Politik und Kassen andererseits.
Welche Erfahrungen können Sie einbringen?
Dr. Braun: Ich bin niedergelassen in einer chirurgisch-orthopädischen Gemeinschaftspraxis mit ambulanten Operationszentrum. Die Ehefrauen meiner Praxispartner sind Allgemeinärztin und Kinder- und Jugendpsychiaterin. In unserem Ärztezentrum sind weitere Fachdisziplinen angesiedelt. Ich weiß daher, wie leistungsstarke ambulante Versorgung funktioniert und habe Einblick in die Sorgen und Nöte aller Fachgebiete. Seit vielen Jahren bin ich bei der Ärztekammer und für die KV engagiert. Durch die Gremienarbeit als Notfallpraxisbeauftragter, für die gemeinsamen Prüfeinrichtungen, im Disziplinarausschuss, als Stellvertreter im beratenden Fachausschuss Fachärzte und im Zulassungsausschuss weiß ich gut, wie die KV denkt und arbeitet. Beim BVOU habe ich gelernt, wie wichtig die Arbeit der Verbände ist, wenn die KV als Körperschaft nicht alles so sagen und machen darf, wie sie vielleicht gerne möchte.
Sie haben den OrthoHeroBKK-Vertrag mitverhandelt und außer Medizin auch Medizinrecht studiert. Die ideale Ergänzung?
Dr. Braun: Das ist richtig. Wenn ich nicht Arzt geworden wäre, wäre ich Jurist geworden. Ich habe Medizinrecht an der Uni Münster studiert und einen juristischen Masterabschluss erlangt. Dieses Wissen und die juristische Denkweise sind für die KV-Themen unglaublich hilfreich.
Was werden bei Wahlerfolg voraussichtlich die großen Themen Ihrer Amtszeit?
Dr. Braun: Man kann das in drei große Gruppen bündeln: Honorar, zukünftige Strukturen des Gesundheitswesens und Altersstruktur der Vertragsärzte mit Ärztemangel. Beim Honorar wollen wir von MEDI leistungsgerechtes Honorar in Euro, ohne Budgets und Fallzahlbegrenzung, einen neuen EBM ohne das Diktat der Punktsummenneutralität und ohne unangemessene Pauschalisierung oder Quartalsflatrate. Außerdem brauchen wir eine ständige Honoraranpassung. Die derzeit mit dem EBM zu erzielenden Honorare reichen nicht mehr aus, um die neuen Anstellungsstrukturen in großen Praxen oder MVZ ausreichend zu finanzieren. Das Ganze muss im harmonischen Miteinander von KV-System und den Selektivverträgen geschehen, ein baden-württembergisches Erfolgsmodell.
Was muss sich speziell beim Honorar für O&U ändern?
Dr. Braun: Es muss sich Einiges ändern. O&U wurde bei der Honorarentwicklung von vielen Fachgruppen weit überholt. Auch bei uns versinkt zu viel in Komplexen. Der Trend zu immer älter werdenden Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Arthrose, Osteoporose, Rheuma und hoher Aufwand bei Multimorbidität findet zu wenig Berücksichtigung bei der Bewertung der Leistungen. O&U hat keine Chronikerziffern und die DMP sind immer noch nicht umgesetzt, weil die Kassen mauern. Außerdem werden die hohen Hygienekosten, die speziell die Operateure treffen, nicht ausreichend berücksichtigt.
Wie sieht es mit dem Gesundheitswesen der Zukunft aus?
Dr. Braun: Da werden uns zunächst die Digitalisierung, eine weitere Öffnung der Krankenhäuser und die Reform der Notfallversorgung beschäftigen. Digitalisierung ist sinnvoll, muss aber auf die Bedürfnisse von denjenigen zugeschnitten sein, die damit arbeiten. Außerdem muss sie auf höchstem Niveau ausfallsicher sein. Beides ist bei der derzeitigen TI, die nur die Interessen der Politik und der Industrie bedient, nicht der Fall. Die Sektorengrenzen und die Notfallversorgung sind originäre Themen für O&U.
Und welche Ärzte sollen das leisten?
Braun: Wir Freiberufler scheinen zu aussterbenden Dinosauriern zu werden. Bei den schlechten Rahmenbedingungen ist verständlich, dass immer mehr Ärztinnen und Ärzte nur angestellt und ohne Unternehmerrisiko arbeiten wollen. Das wird weiter die Rolle der übrigen Gesundheitsberufe stärken. Wir von MEDI wollen aber Hausärzte vor Ort und Fachärzte nicht nur an Krankenhäusern. Wir müssen unseren Nachwuchs fördern und Berufswege ohne Einbahnstraßen schaffen. Dafür brauchen wir moderne Praxen mit Teamstrukturen und Teilzeitarbeitsplätzen. VERAHs, EFAs und Physician Assistants müssen wir sinnvoll in Konzepte ärztlich geleiteter Delegation einbeziehen. Wir Ärzte koordinieren und stellen qualitativ hochwertige Versorgung sicher. Verantwortung zu übernehmen ist unsere Stärke!
Sind MVZ dafür eine gute Alternative?
Dr. Braun: Ein MVZ kommt den Wünschen des Nachwuchs entgegen. Es gehört aber klar in Ärztehand. Mit Sorge sehe ich, dass da immer mehr Kapitalinvestoren ihr Unwesen treiben. Sie betreiben dann Rosinenpickerei, die Basisversorgung leidet und ärztliche Produktivität soll systemfremde Gewinnerzielungsabsichten befriedigen. Wir müssen der Politik klar machen, dass dagegen nur attraktive Konzepte für Freiberuflichkeit junger Kolleginnen und Kollegen helfen, keine staatliche oder planwirtschaftliche Steuerung.
Der BVOU-Landesverband Baden-Württemberg hat sich bei den KV-Wahlen sehr eindeutig zur Unterstützung von MEDI bekannt. Warum?
Dr. Braun: Das liegt weniger daran, dass der Spitzenkandidat aus der Fachgruppe stammt. Nicht nur für O&U, sondern auch für zahlreiche andere Fachgebiete hat sich bei uns „im Ländle“ gezeigt, dass man eine verbesserte Versorgung und ein Mehr an Honorar insbesondere in Form von Selektivverträgen umsetzen kann. Der wichtigste Partner dafür ist MEDI, eine Organisation, in der sich Haus- und Fachärzte ohne Hausarzt-Facharztkonflikt engagieren. Die Zusammenarbeit mit MEDI ist für das BVOU-Landesteam Teil der beruflichen Identität geworden. Eine innere Spaltung der Ärzteschaft schwächt uns nur nach außen. Die erfolgreiche Politik der KVBW der letzten Jahre war MEDI-Leistung. Ich hoffe, dass das möglichst viele andere Facharztgruppen genauso sehen und ihre Stimmen den MEDI-Listen geben, insbesondere wenn sie von den von MEDI gemachten Selektivverträgen profitieren. MEDI steht dabei klar zur bisher schon erfolgreichen Koalition mit einem fachärztlichen Vorstand von MEDI und einem zweiten Vorstand vom Hausärzteverband. Auf den MEDI-Listen und den MEDI-nahen Listen finden sich viele bekannte BVOU-Mandatsträger.
Vielen Dank für das Interview. Für die Wahlen wünschen wir Ihnen viel Erfolg!