Berlin – Anschließen oder abwarten? Dr. Henning Leunert, niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg aus Brandenburg und Vizepräsident des BVOU, im Kurzinterview über seine Einschätzung der derzeitigen Lage der Telematikinfrastruktur (TI) und seine Pläne für die eigene Praxis.
Herr Dr. Leunert, halten Sie es für realistisch, dass sich bis zum Ende des Jahres alle Arztpraxen an die TI anschließen können?
Dr. Henning Leunert: Nein, definitiv nicht. Erstens glaube ich nicht, dass es eine ausreichende Menge von Konnektoren geben wird und zweitens halte ich es nicht für machbar, alle Praxen bis dahin anzuschließen. Deshalb ist es auf jeden Fall notwendig, dass hier bei der Frist und den Erstattungspauschalen noch einmal nachverhandelt wird, wie es die KBV Dr. Thomas Kriedel zufolge nun auch plant. Denn nach dem E-Health-Gesetz sind die Krankenkassen dazu verpflichtet, die Kosten für die Anbindung an die TI zu tragen, auch wenn sich nun alles nach hinten verschiebt aufgrund der Schwierigkeiten auf Seiten der Industrie.
Was würden Sie Ihren Kollegen derzeit raten: Besser noch abwarten und die weitere Entwicklung beobachten? Oder jetzt aktiv werden und sich Angebote einholen?
Leunert: Das ist eine Ermessens- und auch eine Mentalitätsfrage. Wer sehr IT-affin ist, für den ist es vielleicht die richtige Entscheidung, die Installation bereits jetzt vornehmen zu lassen. Irgendwann müssen wir uns ohnehin alle anschließen. Allerdings höre ich sowohl von Kollegen, die sich bereits angeschlossen haben, als auch zum Beispiel erst kürzlich in einer Informationsveranstaltung unserer KV, dass die Technik nicht völlig reibungslos läuft und es nach wie vor einige Probleme gibt.
In jedem Fall sollten die Kolleginnen und Kollegen bei jedem Angebot prüfen, dass ihnen auch vertraglich zugesichert wird, wann genau die Installation erfolgt. Und man sollte nur das bezahlen, was auch gefördert wird.
Was sind aus Ihrer Sicht derzeit noch die größten Hürden und Probleme im Hinblick auf die TI?
Leunert: Das größte Problem ist aus meiner Sicht, dass es derzeit nur einen Hersteller gibt, der die notwendigen Konnektoren anbietet. Eigentlich ist man davon ausgegangen, dass mittlerweile drei verschiedene Hersteller auf dem Markt sein würden. Der derzeitige Anbieter wirbt zugleich damit, dass man sich frühzeitig an die TI anschließen lassen solle, um die anfangs noch höhere Förderung nicht zu verpassen. Das setzt die Kolleginnen und Kollegen natürlich erheblich unter Druck und lässt Unsicherheit entstehen.
Außerdem heißt es von verschiedenen Seiten, dass die Konnektoren, die bereits ausgeliefert wurden, eventuell noch einmal nachgerüstet werden müssen bzw. ein Update benötigen. Dies wird sicherlich, wenn es denn so ist, kein großes Problem darstellen. Es zeigt allerdings, dass die ganze Hardware noch nicht völlig ausgereift ist.
Auch was die Förderung der Kartenlesegeräte angeht, gibt es noch Schwachstellen. In einer Praxis mit bis zu drei Ärzten bekommt man nur ein Lesegerät erstattet. Das ist aus meiner Sicht zu wenig, sowohl für den regulären Praxisbetrieb als auch zum Beispiel für den Nachtdienst mit mehreren Ärzten. Ich glaube, dass da gerade größere Praxen wahrscheinlich noch einmal nachrüsten müssen, was nach derzeitigem Stand allerdings nicht finanziell gefördert wird.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Patienten noch die alten Gesundheitskarten haben, die mit den neuen Geräten gar nicht mehr lesefähig sind. Und bis diese alle von den Krankenkassen ausgetauscht werden können, wird es sicher noch dauern. Hier habe ich schon Bedenken, dass die Krankenkassen vielleicht erst einmal überfordert sind, wenn dann auf einmal eine Flut von Anfragen kommt. Das heißt, selbst wenn man als Praxis dann angeschlossen ist, kann es auch von dieser Seite zu zusätzlichen Beeinträchtigungen kommen. In meinen Augen sind noch viele Dinge ungeklärt, die dann erst im Praxisalltag so richtig zu Tage treten werden.
Welche Konsequenz ziehen Sie daraus für Ihre eigene Praxis: Planen Sie trotzdem bereits den Anschluss an die TI? Oder warten Sie lieber noch ab?
Leunert: Wir schrecken derzeit noch davor zurück, unsere gesamte EDV mit den TI-Komponenten umzurüsten, um dann vielleicht ein System zu haben, das noch nicht wirklich rund läuft und ausgereift ist.
Außerdem haben wir, was unseren Telefon- und Internetanschluss betrifft, derzeit noch gar nicht die Voraussetzungen, um unsere Praxis an die TI anschließen zu können. Wir wollen uns also zunächst erst einmal internetmäßig aufrüsten und eine eigene DSL-Leitung einrichten lassen, die dafür notwendig ist. Das würde ich auch alle Kolleginnen und Kollegen raten: Als erstes einmal die Leistung der anliegenden Internetleitung prüfen zu lassen.
Ansonsten warten wir aber erst einmal ab. Ich vertraue da nun auf die KBV und Dr. Kriedel und Dr. Gassen, die angekündigt haben, dass nachverhandelt wird und dass weitere Firmen mit ihren Geräten im ersten Halbjahr auf den Markt kommen werden. Deshalb schließe ich auch nicht aus, dass ich möglicherweise im dritten Quartal dann auch eine Bestellung aufgebe. Aber im Moment sind wir da eher zurückhaltend. Ich warte lieber, bis die Technik ausgereift ist und dann angeschlossen wird, wenn sie auch direkt funktioniert.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.