Der zunehmende Trend zu einer gesunden Lebensweise und das Aufkommen immer neuer Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung lassen auch die Häufigkeit von Sportverletzungen heute verstärkt in die Höhe schnellen. Sportmediziner und Unfallchirurgen sehen sich hier stetig neuen Herausforderungen gegenüber. Prof. Dr. Alexander Beck ist Sportmediziner und Chefarzt für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Juliusspital in Würzburg. BVOU.net sprach mit ihm über Möglichkeiten zur Prävention und moderne Verfahren zur erfolgreichen Behandlung von Sportverletzungen.
BVOU.net: Prof. Dr. Beck, neben Ihrer Position als Chefarzt für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Juliusspital sind sie zudem Leiter des im Jahr 2012 dort gegründeten Instituts für Sportmedizin und Sportverletzungen. Welche Sportverletzungen begegnen Ihnen dort vor allem?
Prof. Dr. Alexander Beck: Primär behandeln wir alle Arten von Sportverletzungen und auch Sportüberlastungsschäden. Neben normalen Knochenbrüchen – dies sind vor allem Brüche am Schlüsselbein, am Sprunggelenk und am Handgelenk, also die einfachen, wenn auch teilweise mehr fragmentierten Knochenbrüche – sind Bandverletzungen relativ häufig. Hier sehen wir sehr viele vordere Kreuzbandrupturen im Kniegelenk, die meist relativ schnell mit einem arthroskopischen Bandersatz behandelt werden können, aber auch Meniskusverletzungen oder Verletzungen im Schultereckgelenk.
Wo sind Sportverletzungen und Sportschäden häufiger, im Breiten- oder im Profisport, und welche Ursachen sehen Sie dafür?
Prinzipiell haben Profisportler sicher ein erhöhtes Risiko. Zwar sind sie besser trainiert, allerdings üben sie den Sport natürlich als Beruf aus und betreiben somit weitaus mehr Sport. Deshalb sehen wir sehr viele Profisportler hier im Institut. Im Breitensport demgegenüber gibt es natürlich eine weitaus größere Anzahl an Sportlern insgesamt. Zudem sind die Leute teilweise untrainiert und nehmen sich zu viel auf einmal vor. Aus diesem Grund kommt es dann auch sehr schnell zu Verletzungen. Insgesamt ist es allerdings schwierig zu sagen, wo Sportverletzungen tatsächlich häufiger auftreten.
Was empfehlen Sie Leistungs- aber auch Hobbysportlern im Allgemeinen, um Sportverletzungen vorzubeugen?
Besonders wichtig ist es, sich vor dem Sport aufzuwärmen und zusätzlich zu dehnen. Damit kann man schon einmal viele Muskel- und Weichteilverletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden. Allgemein gilt natürlich, dass wenn ich beispielsweise nachts im Dunkeln jogge, das Risiko für eine Verletzung weitaus höher ist, als wenn ich das Ganze bei Tageslicht mache. Es sind häufig ganz banale Dinge, die eigentlich jeder nachvollziehen kann: wenn ich eine gute Sicht habe, wenn ich gut vorbereitet bin, wenn ich eine gute Ausrüstung habe, dann ist das Risiko mich zu verletzen natürlich geringer als mit einer schlechten Ausrüstung und einer schlechten Vorbereitung.
Bei Profisportlern ist es natürlich unheimlich wichtig, dass sie nicht nur ihren Beruf, also ihre eine Sportart ausüben, sondern außerdem ein sehr ausgewogenes Begleittraining machen, um auch andere Muskelgruppen aufzubauen. Für Profisportler ist es zudem wichtig, engmaschig von ihrem Sportmediziner und von ihrem Physiotherapeuten begleitet zu werden, damit es gar nicht erst zu Überlastungsschäden kommt.
Welche modernen Therapiemöglichkeiten gibt es bei Sportverletzungen heute, z.B. im minimal-invasiven Bereich, um Langzeitschäden zu verhindern und eine schnelle Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung zu ermöglichen?
Also im Allgemeinen ist zu sagen: je schneller eine Verletzung endgültig behandelt werden kann, umso schneller beginnt die Regenration. Nehmen wir beispielsweise Sportverletzungen im Knie- oder Schultergelenk: diese werden heute vor allem über eine Gelenkspiegelung, also komplett arthroskopisch minimal-invasiv behandelt. Nur in seltenen Fällen müssen hier zusätzlich durch eine Miniarthrotomie, also eine ganz kleine Gelenköffnung, bestimmte Verletzungsfolgen behandelt werden. Neben solchen modernen Therapiemöglichkeiten bei den Gelenkverletzungen, gibt es heute außerdem auch minimal-invasive Methoden um Knochenbrüche zu stabilisieren. Diese gibt es am Schlüsselbein, am Sprunggelenk und zum Teil auch am Handgelenk. Das heißt allerdings nicht, dass die minimal-invasive Therapiemöglichkeit immer die beste ist. Es kommt hierbei immer ganz auf die jeweilige Verletzung an. Wenn man durch eine solche Operation weniger Weichteilschaden verursacht, so ist es natürlich von Vorteil, die Verletzung minimal-invasiv behandeln zu können.
Auch im Hinblick auf Langzeitschäden, wie zum Beispiel bei Läufern oder Fahrradfahrern, deren Hüftgelenk nach langjähriger sportlicher Betätigung abgenutzt ist, gibt es derzeit bereits minimal-invasive Möglichkeiten, um etwa Hüftprothesen zu implantieren. Hier gibt es mittlerweile sehr gute Verfahren, die es möglich machen, dem Patienten mit einer sehr schnellen Regeneration wieder zur Sportfähigkeit zurück zu verhelfen. Damit können Patienten heute auch nach Implantation eines solchen Kunstgelenks – in einem vernünftigen Maße – wieder Sport treiben.
Demzufolge bedeutet auch eine schwerere Sportverletzung heute kein endgültiges Aus mehr für die sportliche Betätigung?
Das muss man von Fall zu Fall entscheiden, aber es bedeutet sicher kein definitives Aus. Betrachtet man beispielsweise Profisportler wie Skirennläufer, so gibt es da nur noch sehr wenige, die schon lange dabei sind und noch mit dem eigenen Kreuzband fahren. Sehr viele haben hier schon einen Kreuzbandersatz hinter sich – die vordere Kreuzbandruptur ist eine der typischen Verletzungen beim Skifahren. Aber auch bei Fußballern oder anderen Kontaktsportarten ist es eine nicht untypische Verletzung, die recht häufig vorkommt, und die meisten von ihnen spielen danach auch wieder Fußball.
Heutzutage sind immer mehr Menschen sportlich aktiv, nicht zuletzt auch wegen moderner Trendsportarten, die permanent neu aufkommen. Wie beeinflussen diese neuen Sportarten die Sportmedizin und die Häufigkeit von Sportverletzungen?
Es ist definitiv zu beobachten, dass neue Sportarten immer auch ganz spezifische Verletzungen mit sich bringen und natürlich schnellt dann auch die Verletzungshäufigkeit erst einmal in die Höhe. Mit dem Aufkommen der Rollerblades waren es vor allem Verletzungen der Schulter, welche wir in dieser Form überhaupt noch nicht kannten. Wir hatten damals zahlreiche Patienten mit schwersten Schulterverletzungen, die wir so sonst nur bei sehr alten Patienten mit schwerer Osteoporose gesehen haben. Alle anderen Gelenke sind beim Rollerbladen durch die entsprechenden Schützer relativ gut gesichert, prallt man allerdings mit dem meist ungeschützten Schultergelenk mit hoher Geschwindigkeit auf den Asphalt, so kann dies schwere Verletzungen nach sich ziehen. Diese beobachten wir mittlerweile auch zunehmend bei aktiven Mountainbikern, die häufig auch einmal von ihrem Fahrrad über den Lenker „absteigen“ und sich dann insbesondere Verletzungen des Akromioklavikulargelenks, also des Schultereckgelenks zuziehen. Beim Skifahren ist die typische Verletzung wie bereits erwähnt die vordere Kreuzbandruptur. Früher war es noch der „einfache“ Bruch des Schienbeins, aber da die Skistiefel immer höher geworden sind, geht das Trauma nun nicht mehr auf das Schienbein, sondern direkt auf das Kniegelenk. Auch durch die neue Formgestaltung der Ski, zum Beispiel bei den Carving-Ski, kommt es gerade auch im Breitensport zu viel mehr Verletzungen als früher. Jede neue Sportart bringt für die Unfallchirurgie und die Sportmedizin somit neue Herausforderungen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.
Bild: Prof. Dr. Alexander Beck (Quelle: Stiftung Juliusspital Würzburg)