Unsere Bevölkerung wird immer älter – die zunehmende Lebenserwartung und der Rückgang der Geburtenrate sind ausschlaggebend für diese Entwicklung. Der demographische Wandel hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Medizin. Erkrankungen wie Osteoporose treten immer häufiger auf und stellen Ärzte vor neue Herausforderungen. Der aktuelle Stand der Diagnostik, Prävention und Therapie von Osteoporose wird auch im Rahmen des DKOU 2015 in verschiedenen Sitzungen diskutiert. Während des Kongresses sprach BVOU.net mit Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer, Chefarzt für Orthopädie in der Klinik Medical Park Berlin Humboldtmühle sowie Vizepräsident des BVOU, über die Erkrankung und darüber, was getan werden kann, um die Versorgung von Osteoporose-Patienten weiter zu verbessern.
BVOU.net: Prof. Dr. Dreinhöfer, die Zahl der Osteoporose-Patienten in Deutschland steigt stetig. Welche Ursachen gibt es dafür und was sind die zentralen Risikofaktoren für Osteoporose?
Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer: Der Hauptgrund ist sicherlich der demographische Wandel – einer der wesentlichen Risikofaktoren für die Osteoporose ist ein fortgeschrittenes Alter. Ab dem 40. Lebensjahr verliert man physiologisch etwa 1 Prozent Knochenmasse. Weitere wesentliche Risikofaktoren sind eine verminderte Knochendichte, vorausgegangene Knochenbrüche und die Einnahme von Medikamenten, wie zum Beispiel Cortison.
Was empfiehlt der BVOU Patienten, um Osteoporose und den dadurch bedingten Knochenbrüchen vorzubeugen?
Wichtige Maßnahmen zur Vorbeugung sind eine adäquate knochengesunde Ernährung einschließlich ausreichender Calcium- und Vitamin D-Zufuhr sowie regelmäßige Bewegung und Muskelkräftigung. Um das Sturzrisiko zu verringern ist zudem ein neuromuskuläres Training einschließlich Balancetraining sinnvoll.
Welche aktuellen Möglichkeiten bieten sich in der Therapie von Osteoporose?
Neben der Basistherapie mit Vitamin D und Calcium sind moderne Medikamente auf dem Markt, die den Knochenabbau hemmen bzw. den Aufbau stimulieren können. Hierzu zählen traditionell vor allem die Bisphosphonate sowie neuere Entwicklungen wie etwa RANK/RANKL-Antagonisten und Parathormon.
Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen sehen Sie gegenwärtig noch was die Diagnostik und Behandlung von Osteoporose betrifft?
Ein zentrales Problem ist die mangelnde Aufmerksamkeit für die Erkrankung und die inadäquate Betreuung der Patienten. Trotz vieler engagierter Orthopäden und Unfallchirurgen, sowie zum Teil zusätzlich speziell ausgebildeter Osteologen, wird die Erkrankung von vielen anderen Ärzten nicht priorisiert. Aus diesem Grund besteht eine große Dunkelziffer bei Osteoporose-Patienten und vor allem eine absolute Unterversorgung. Erschreckend ist dies insbesondere nach dem ersten sicht- und spürbaren Event, dem ersten Knochenbruch. Weniger als 20 Prozent dieser Patienten erhalten nach der Frakturversorgung eine Erläuterung über ihr hohes Risiko für weitere Brüche und insbesondere die Einleitung einer adäquaten Prävention einschließlich Knochendichtemessung und ggf. Verordnung von Knochenabbau hemmenden Medikamenten. Aber selbst von diesen nehmen leider weniger als ein Drittel nach 12 Monaten noch ihre Medikamente.
Seit Jahren engagieren Sie sich in verschiedenen Kommissionen und Initiativen für die Verbesserung der Vorsorge und Behandlung von Osteoporose-Patienten. Welche Entwicklungen und Bestrebungen gibt es aktuell, um die Behandlung von Osteoporose-Patienten weiter zu optimieren?
Zum einen wird versucht die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren – gerade erst, am 20. Oktober, war der Welt-Osteoporose-Tag unter dem Motto: „Servieren Sie starke Knochen lebenslang“. Weltweit wird dazu aufgerufen, Aktionen rund um das Thema knochengesunde Ernährung zu starten. Zudem wird versucht durch weltweite Kampagnen wie „Capture the Fracture“ die Aufmerksamkeit der Ärzte auf Patienten mit frischen Frakturen zu lenken und hier eine adäquate vernetzte Therapie einzuleiten, die zum einen die osteologische Diagnostik und weitere Abklärung des Patienten erlaubt, zum anderen die Einleitung einer adäquaten Behandlung und Prävention weiterer Frakturen. Zudem ist, um Überleben und Lebensqualität der oft sehr alten Osteoporose-Patienten zu gewährleisten, eine multidisziplinäre Versorgung notwendig. In diesem Bereich hat die AG Alterstrauma in Deutschland bereits viel erreicht.
Ich selbst leite auf europäischer Ebene eine kombinierte Leitliniengruppe der EFORT und EULAR zur Behandlung von Patienten mit Fragilitätsfrakturen. Zudem haben wir vor wenigen Jahren das multidisziplinäre Fragility Fracture Network (FFN) gegründet, dessen Ziel es ist, weltweit eine bessere Versorgung dieser Patienten zu vermitteln. Ich darf nächstes Jahr den FFN-Weltkongress in Rom ausrichten, an welchem ärztliche Spezialisten aus Orthopädie und Unfallchirurgie, Geriatrie, Osteologie, Rheumatologie und Anästhesie sowie spezialisierte Pflegekräfte und Physiotherapeuten teilnehmen werden. Hier kommen die führenden Experten in diesem Bereich zusammen und können voneinander lernen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.
Bild: Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer (Quelle: Anne Faulmann)