Karlsruhe – Eine niedergelassene Dermatologin und Allergologin hat sich erfolgreich gegen ihre Präsentation im Arztsuch- und Bewertungsportal Jameda gewehrt. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied bereits am 23. Januar in ihrem Sinne. Seit heute liegt das Urteil nun auch schriftlich vor, wie der BGH in einer Pressemitteilung bekanntgab. Dass Ärzte generell ein Recht darauf haben, missliebige Einträge oder gar ihr ganzes Profil löschen zu lassen, lässt sich aus dem Urteil aber nicht ohne weiteres ableiten.
Die Hautärztin wurde entgegen ihrem Wunsch bei Jameda ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Klickte man auf ihr Profil, erschienen unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung“ weitere Profile von Ärzten desselben Fachbereichs und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Für diese Darstellung zahlten die konkurrierenden Ärzte, während von der Hautärztin ein kostenfreies Profil angelegt worden war. Dargestellt wurde neben den Noten der jeweiligen anderen Ärzte noch die Distanz zwischen deren Praxis und der Praxis der Klägerin.
Premiumzahlen bei Jameda werden von Konkurrenz verschont
Hintergrund: Auf dem Arztsuch- und Bewertungsportal können Informationen über Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden. Dabei werden als „Basisdaten“ eines Arztes in der Regel akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen angegeben. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch als Freitextkommentare abgeben.
Jameda bietet Ärzten aber ebenso kostenpflichtige Verträge an. Dann wird ihr Profil – anders als das Basisprofil der nichtzahlenden Ärzte – mit einem Foto und zusätzlichen Informationen versehen. Daneben wurden bislang beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes als „Anzeige“ gekennzeichnete Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet. Anders verfuhr Jameda bei den Profilen zahlender Ärzte: Wer ein kostenpflichtiges „Premium-Paket“ gebucht hatte, musste keine Konkurrenten-Anzeigen beim eigenen Profil tolerieren.
Klägerin konnte bereits Bewertungslöschungen bewirken
Die Klägerin, die sich nun gegen Jameda wehrte, wurde in der Vergangenheit mehrfach bewertet. Seit 2015 hatte sie mit anwaltlicher Hilfe insgesamt 17 abrufbare Bewertungen beanstandet. Nach deren Löschung stieg ihre Gesamtnote von 4,7 auf 1,5. Dennoch verlangte sie am Ende, dass Jameda ihren Eintrag vollständig löschen sollte.
Der BGH gab ihrer Klage statt: Nach § 35 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 Bundesdatenschutzgesetz sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Zwar hatten die Richter mit Urteil vom 23. September 2014 (Aktenzeichen VI ZR 358/13) entschieden, dass eine Speicherung von personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten generell zulässig ist. Doch der Fall der Hautärztin liege anders, betonten nun die Richter.
Bundesgerichtshof: Werbepakete konterkarieren neutrale Mittlerrolle
Jameda stellt nach Ansicht des BGH durch seine Premiumpakete zahlende Ärzte besser als nichtzahlende. Sie müssen keine Hinweise auf konkurrierende Kollegen auf ihren Profilen hinnehmen und erscheinen außerdem auf den Profilen nichtzahlender Ärzte in ihrer Nähe. Die Nutzer des Portals erfahren von diesen Unterschieden nichts. Mit einer solchen Geschäftspraxis verlässt Jameda aber nach Ansicht der Richter die Position als „neutraler“ Informationsmittler und agiert als Anbieter von Werbung. Dann kann sich das Portal aber auch nicht länger auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit und damit verbundene Rechte stützen. Die Klägerin wiederum kann dann ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung stärker geltend machen – in der Abwägung sei ihr ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung ihrer Daten“ zuzubilligen (Urteil vom 20. Februar 2018, Aktenzeichen: VI ZR 30/17).
Jameda hat bereits reagiert
Jameda teilte mit, dass man die Anzeigen auf Arztprofilen, die Grund für das Urteil gewesen seien, mit sofortiger Wirkung entfernt habe. „Ärzte können sich nach wie vor nicht aus jameda löschen lassen“, betonte Geschäftsführer Dr. Florian Weiß allerdings. Die klagende Ärztin sei, so hatte „Spiegel Online“ berichtet, schon gar nicht mehr gelistet gewesen, weil sie mittlerweile ihre Praxis aufgegeben hat.
Die Rechtsanwälte Dr. Carsten Brennecke und Dr. Anja Wilkat, die die Dermatologin vertreten hatten, erklärten in einer Pressemitteilung: „Wir freuen uns, dass mit der ,Schutzgelderpressung‘ seitens jameda nun endlich Schluss ist. Dass sich Ärzte anonyme Bewertungen im Internet gefallen lassen müssen, ist schlimm genug. Eine Zwangsteilnahme an einer profitorientierten Werbeplattform, bei der die Bewertungsfunktion nur dazu dient, sich möglichst alle Ärzte und Zahnärzte Deutschlands zu Werbezwecken einzuverleiben, kann erst recht niemandem zugemutet werden. Insoweit sind alle Ärzte und Zahnärzte Deutschlands aufgerufen, nunmehr ihrerseits ihren Austritt aus dem System jameda durchzusetzen.“
BVOU-Orthinform als Alternative
BVOU-Geschäftsführer Dr. Jörg Ansorg verwies darauf, dass der Berufsverband mit seinem Patienteninformations- und Arztsuchportal „Orthinform“ einen seit Jahren etablierten Service biete, der vor kurzem modernisiert wurde. Hier könnten sich Patienten über Erkrankungen informieren und ihren Orthopäden und Unfallchirurgen vor Ort finden. Neben der kompletten Überarbeitung von Struktur und redaktionellen Inhalten für medizinische Laien wurden die Arztprofile deutlich erweitert, um jedem BVOU-Mitglied die Möglichkeit zu geben, kostenlos die eigene Expertise informativ und repräsentativ darzustellen.