Berlin – In der Diskussion um die aktuellen Finanzierungsgespräche für die Zukunft der ambulanten Versorgung in Deutschland erneuert der Virchowbund seine Forderung: Die Praxen müssen im nächsten Jahr mindestens 15 Prozent mehr GKV-Budget erhalten.
„Personalkosten sind mit rund 60 bis 70 Prozent der mit Abstand größte Kostenblock einer Arztpraxis“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes. „Die deutlichen Tarifsteigerungen bei den Medizinischen Fachangestellten (MFA) in den letzten Jahren wurden bislang noch nicht gegenfinanziert. Viele Praxen wollen angesichts der Inflation ihren MFA das Gehalt aufstocken, können das aber wirtschaftlich nicht mehr leisten.“ Von 2018 bis 2021 nahmen die Personalaufwendungen um mehr als 22 Prozent zu.
Der Orientierungspunktwert (OPW) ist in den letzten 10 Jahren weit unter der Inflationsrate angestiegen. Um die Preisentwicklung – auch im Vergleich zum Krankenhaus-Sektor – aufzuholen, hat der Virchowbund errechnet, dass mindestens 15,4 Prozent mehr Mittel für die ambulante Versorgung notwendig sind. Auch der medizinische Bedarf durch Patienten steigt kontinuierlich, was mehr Arbeit und mehr Kosten für die Praxen verursacht.
Die aktuelle Interpretation der Krankenkassen der destatis-Zahlen zum Reinertrag ist „grob falsch und bewusst irreführend“, sagt Dr. Heinrich. „Die Zahlen suggerieren ein ärztliches Pro-Kopf-Einkommen. Der Reinertrag bemisst sich aber pro Praxis, muss also unter mehreren Ärzten aufgeteilt werden.“ Vom Reinertrag müssen außerdem Kranken- und Rentenversicherung zu 100 Prozent (anders als bei Angestellten) und Steuern in Höhe von rund 35 Prozent abgezogen werden. Dazu kommen Finanzierungskosten für die Praxis (z. B. Kredite) und Mittel für notwendige Investitionen. „Ertrag ist eben nicht dasselbe wie Einkommen.“
Zudem hält der Virchowbund-Bundesvorsitzende die Datenbasis des Statistischen Bundesamtes für fragwürdig: „Dort geht man von knapp 65.000 Arztpraxen aus, während die Kassenärztliche Bundesvertretung rund 100.000 verzeichnet. Gut möglich, dass destatis nur Daten jener Praxen hat, die groß genug sind, um sich einen Steuerberater zu leisten. Das würde die Zahlen zu den durchschnittlichen Erträgen natürlich grob verfälschen.“
Eine solide Datenbasis bieten die Berechnungen des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (Zi), das u. a. einen Nettostundensatz von 39 bzw. 45 Euro für niedergelassene Ärzte ermittelt hat. Einem Oberarzt im Krankenhaus bleiben nach Tariflohn 10 Prozent netto mehr.
„2021 hatten die Ärzte und Praxisteams durch die Pandemie und die Impfungen eine ungeheure Arbeitsbelastung, die sogar das normale Wochenpensum von durchschnittlich 49 Stunden noch einmal stark angehoben hat. Natürlich hat diese Mehrarbeit durch Impfungen, Testungen und Behandlungen auch zu mehr Umsatz geführt – aber auch zu mehr Kosten für Personal, Schutzkleidung etc.“
15 Prozent mehr Finanzmittel für die ambulante Versorgung kommen vor allem den Medizinischen Fachangestellten zugute. Diese demonstrieren am 8. September 2023 erneut u. a. für eine „vollumfängliche, staatliche Gegenfinanzierung der verhandelten Tariferhöhung“. Der Virchowbund hat seine Mitglieder dazu aufgerufen, die Demonstration zu unterstützen.
Quelle: Virchowbund