Honorarverhandlungen für 2022 nach zähem Ringen beendet –
Orientierungswert steigt um 1,275 Prozent
Quelle: KBV
15.09.2021 – Der Orientierungswert und damit die Preise ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen steigen im kommenden Jahr um 1,275 Prozent an. Das hat der Erweiterte Bewertungsausschuss heute beschlossen, nachdem sich KBV und GKV-Spitzenverband auf dem Verhandlungsweg nicht auf eine Anhebung einigen konnten.
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen sprach von schwierigen Verhandlungen und einem „zähen Ringen über Wochen“. Nachdem die Krankenkassen in der ersten Verhandlungsrunde Anfang August eine Null-Runde gefordert hätten, sei jetzt zumindest eine Steigerung in mit den Vorjahren vergleichbarer Größenordnung erzielt worden, sagte er in einem Video-Statement.
Kostenentwicklung wird nicht sachgerecht abgebildet
Ein Problem sind Gassen zufolge die gesetzlichen Vorgaben zur jährlichen Anpassung des Orientierungswertes (OW). „Wir stellen zunehmend fest, dass eine Anpassung des Orientierungswertes mit den im Gesetz vorgegebenen Regeln nicht sachgerecht gelingen kann“, betonte er. Die Kostenentwicklung in den Praxen könne darüber nicht adäquat abgebildet werde. Hier seien dringend Änderungen erforderlich.
So konnten die von der KBV angeführten höheren Personalkosten infolge der Ende 2020 beschlossenen Tarifsteigerungen für Medizinische Fachangestellte (MFA) nicht berücksichtigt werden. „Die deutlich über sechsprozentige Tariflohnsteigerung in diesem Jahr wurde nicht abgebildet“, sagte KBV-Vizechef Dr. Stephan Hofmeister.
Die Mehrheit des Erweiterten Bewertungsausschusses (EBA) hätte nicht davon überzeugt werden können, bei dem so wichtigen Punkt, wie dem Gehalt der MFA, von der retrospektiven Betrachtung der Kostenentwicklung abzuweichen und diesen Posten vorzuziehen. Hofmeister machte deutlich, dass die KBV die Forderung nach der Berücksichtigung der Tarifsteigerung im nächsten Jahr erneut einbringen werde.
Nach den gesetzlichen Vorgaben zur Anpassung des Orientierungswertes müssen die für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskostenentwicklungen herangezogen werden. Dabei werden jeweils die Veränderungen der Kosten in zwei zurückliegenden Jahren als Grundlage der Anpassung des Orientierungswertes herangezogen. Für den Orientierungswert 2022 wurde die Kostenentwicklung vom Jahr 2019 zu 2020 betrachtet.
Geld für allgemeine Hygieneaufwände
Zur Kompensierung der Kosten für allgemeine Hygieneaufwände wurde heute die Beratung im Erweiterten Bewertungsausschuss fortgesetzt. Hintergrund sind im Juni gegen die Stimmen der Krankenkassen im EBA beschlossene Eckpunkte. Nun sollen alle Praxen ab 1. Januar 2022 einen Zuschuss erhalten, wie Gassen mitteilte.
Er wies zugleich daraufhin, dass dies angesichts des geringen Betrages, den die Krankenkassen dafür bereitstellten, nur ein erster Schritt sein könne. Die Details müssten jetzt noch ausgearbeitet werden. Über die Hygienekosten bei speziellen Leistungen wie ambulante Operationen wird Gassen zufolge separat verhandelt.
Corona-Sonderregelungen verlängert
Darüber hinaus wurden heute mehrere Sonderregelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bis Jahresende verlängert. Dazu gehören unter anderem die zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeiten bei Telefonkonsultationen und die uneingeschränkte Nutzung der Videosprechstunde.
Über die Details werden die PraxisNachrichten in einer Sonderausgabe berichten, sobald der Gemeinsame Bundesausschuss über eine Verlängerung der dort veranlassten Sonderregelungen beraten hat. Der Beschluss ist für morgen geplant.
Veränderungsraten für 2022
Bereits im August hatten KBV und GKV-Spitzenverband im Rahmen der Honorarverhandlungen die regionalen Veränderungsraten der Morbidität und Demografie beschlossen. Sie bilden neben dem Orientierungswert die Grundlage für die regionalen Vergütungsverhandlungen, die im Herbst beginnen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verhandeln dann mit den Krankenkassen vor Ort, wie viel Geld diese im neuen Jahr für die ambulante Versorgung ihrer Versicherten bereitstellen.
Der Orientierungswert beträgt aktuell 11,1244 Cent. Mit der jetzt beschlossenen Anhebung von 1,275 Prozent steigt er auf 11,2662 Cent. Dies entspricht einer Anhebung von rund 540 Millionen Euro. Hinzu kommen etwa 60 Millionen Euro infolge der Veränderungsraten der Morbidität und Demografie.