Starnberg – Was ist seit April zu beachten, damit man von den Krankenkassen nicht wegen unzulässiger Arthroskopien des Kniegelenks in Regress genommen wird? Und warum bleiben Unsicherheiten? Im BVOU-Infobrief antwortet darauf Dr. med. Helmut Weinhart, Mitglied des BVOU-Vorstands.
BVOU: Der G-BA hat darauf verwiesen, dass auch in hochwertigen Studien keine wissenschaftlichen Belege für den Nutzen athroskopischer Verfahren bei der Gonarthrose gefunden werden konnten. Diese Eingriffe sind seit längerem umstritten. Ihre Kolleginnen und Kollegen, die die Indikation bisher eher streng gestellt haben, dürften doch keine großen Schwierigkeiten mit der Umsetzung des G-BA-Beschlusses haben, oder?
Weinhart: Vermutlich nicht. Schwieriger wird es sicher für diejenigen, die die Indikation bisher immer sehr großzügig gestellt haben. Vor allem diese Kollegen haben wohl ärgerlich auf den Beschluss reagiert. Sie sagen: „Was müssen wir uns denn noch alles bieten lassen? Wo bleibt unsere ärztliche Freiheit, wenn wir den Patienten nicht mehr nach unserem Ermessen behandeln können?“ Man darf aber auch nicht vergessen, dass es bestimmte Patienten gibt, die eine Arthroskopie bei einer Gonarthrose fordern. Die sagen: „Herr Doktor, ich will noch keine Knieprothese. Machen Sie doch erst noch mal arthroskopisch sauber.“ Dann haben die Kollegen in der Vergangenheit eben häufiger arthroskopiert.
BVOU: Aber solchen Patienten, die partout eine Arthroskopie wollen, müsste man nun doch gut erläutern können, dass das die Krankenkassen nicht mehr finanzieren. Mit ihnen wäre dann eine Vereinbarung über eine Individuelle Gesundheitsleistung (Igel) zu schließen.
Weinhart: Das wird in der gemeinsamen Empfehlung zur Umsetzung des Beschlusses ja auch so angeregt. Formal hat man als Orthopäde und Unfallchirurg in diesem Fall auch keine andere Wahl. Ich habe damit aber ein Problem. Bisher sind IGeL Verfahren, die grundsätzlich nicht von der Krankenkasse finanziert werden. In unserer Fachrichtung sind die Hyaloronsäure-Therapie oder die Stoßwellenbehandlung Beispiele für solche IGeL.
Bei der Arthroskopie ist das aber etwas anderes. Hier wird in die Indikationsstellung einer grundsätzlich zugelassenen Therapieform aktiv eingegriffen. Das Verfahren darf ja grundsätzlich beim Verdacht oder beim Vorliegen bestimmter Gelenkschäden eingesetzt werden, und die Krankenkasse finanziert dies. Der G-BA hat hier Traumen angeführt, eine akute Gelenkblockade oder eine meniskusbezogene Indikation. Nur wenn der Patient bereits an einer Arthrose leidet und davon auszugehen ist, dass vor allem diese die Ursache seiner Beschwerden ist, dürfen wir nicht arthroskopieren.
BVOU: Wie das Kniegelenk innen genau aussieht, weiß man aber ja erst nach einem Eingriff. Was ist zu tun, zum Beispiel bei der Dokumentation?
Weinhart: Ohne detaillierte Dokumentation geht es gar nicht. Einer Überprüfung wird meine ärztliche Entscheidung nur standhalten können, wenn ich die Gründe für eine Arthroskopie optimal dokumentiert habe. Wenn ich mich präoperativ vergewissert habe, dass mein Patient keine oder keine nennenswerten Arthrosezeichen aufweist, muss ich diesen präoperativen Bund hinterher belegen können. Und zum Beispiel notieren, was exakt als indikationsstellender Befund vorliegt: einen blockierenden Meniskus, einen kleinen Knorpelabbruch – aber definitiv keine Arthrose.
Wenn ich beim Arthroskopieren feststelle, dass der Befund ein anderer ist als vermutet, muss gelten: Ich kann bei einer postoperativen Überprüfung nicht verantwortlich gemacht werden für Befunde, die ich präoperativ nicht hatte und die ich nicht erkennen konnte. Eine Prüfung muss sich streng auf die Tatbestände konzentrieren, die zur Indikationsstellung für die Operation geführt haben. Darüber sind auch mit allen Landes-KVen Gespräche geführt worden. Hier erwarte ich leider noch einige Arbeit wegen umstrittener Entscheidungen und vorhandenem Klärungsbedarf mit der Prüfstelle – das wird nicht ausbleiben.
Das Interview führte Sabine Rieser.