Ulm/Basel – Der Ulmer Unfallchirurg Dr. Björn Drews ist für seine Forschung zum Anterolateralen Ligament (ALL) mit dem Alwin Jäger Preis ausgezeichnet worden. Die Funktion des Kniebandes wird seit seiner Wiederentdeckung durch belgische Ärzte 2013 in der Fachwelt stark diskutiert. Nach ihrer Überzeugung verbessert ein Ersatz des ALL die Rotationsstabilität des Knies nach Operationen der vorderen Kreuzbänder. In biomechanischen Versuchsreihen fand Drews mit seinem Team heraus, dass das Band jedoch fast keinen Einfluss auf die Rotationsstabilität hat.
Wiederentdeckung eines wenig erforschten Kniebandes
Das ALL wurde erstmals bereits 1879 von dem französischen Chirurgen Dr. Paul Ferdinand Segond beschrieben. Seine Bedeutung für die Kniefunktion galt jedoch lange Zeit als umstritten. In einer Publikation im Journal of Anatomy im Jahr 2013 nahmen die orthopädischen Chirurgen Dr. Steven Claes und Prof. Dr. Johan Bellemans von der Universitätsklinik in Löwen in Belgien das Band erneut in den Blick und beschrieben erstmals dessen genauen Verlauf und Funktion.
Ihren Ausführungen zufolge spielt das ALL eine wichtige Rolle in der seitlichen Stabilisierung des Kniegelenks. Ein Riss des Bandes könnte damit am sogenannten Pivot-Shift-Phänomen beteiligt sein, welches für eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes spricht. Claes und Bellemans gingen dementsprechend davon aus, dass ein Ersatz des ALL das Knie nach einer Operation der vorderen Kreuzbänder stabilisieren könne. Dieser Ansatz wird seitdem diskutiert und erforscht.
„Wir wollten wissen, wie sich das ALL in der Bewegung des Knies verhält, denn darüber ist noch sehr wenig bekannt“, erläutert Preisträger Dr. Björn Drews, Facharzt der Ulmer Universitätsklinik für Unfall-, Hand-, plastische und Wiederherstellungschirurgie. In einem Kniesimulator setzte das Team um Drews besonders präparierte Kniegelenke Beuge- und Drehbewegungen aus, zum Teil unter extra Belastung, und beobachtete die Auswirkungen auf das Band.
Kein wesentlicher Einfluss auf die Kniestabilität
„Wir konnten feststellen, dass das ALL bei passiver Bewegung ohne zusätzliche äußere Krafteinwirkung ohne Funktion bleibt, also keinen wesentlichen stabilisierenden Effekt hat. Aufgrund dieser Erkenntnisse können wir in einem Ersatz des ALL im Rahmen einer Operation der vorderen Kreuzbänder keinen zusätzlichen Nutzen für die Stabilität erkennen“, erläutert der 33-jährige Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie das Ergebnis seiner Studie.
Für die Teamarbeit in den biomechanischen Laboren des Ulmer Universitätsklinikums wurde Drews gemeinsam mit seinen Kollegen, dem Schweizer Orthopäden PD Dr. Oliver Kessler sowie den Ulmer Wissenschaftlern Prof. Dr. Anita Ignatius und apl. Prof. Dr. Lutz Dürselen vom Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik des Universitätsklinikums, mit dem Alwin Jäger Preis ausgezeichnet. Der Preis wurde im September auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie in Basel von der Alwin Jäger Stiftung verliehen.
Ziel der Stiftung ist es, die Arthroskopie und minimal-invasive Orthopädie zum Wohle der Patienten weltweit voranzutreiben. Der Alwin Jäger Preis gilt europaweit als angesehener Innovationspreis des Fachgebiets und ist mit 2.500 Euro dotiert. In diesem Jahr wurde neben der Studie der Ulmer Forscher, „Biomechanische Analyse von Dehnung und Funktion des anterolateralen Ligamentes“, eine weitere Arbeit mit dem Preis ausgezeichnet. Der Freiburger Wissenschaftler Robert Ossendorff erhielt die Auszeichnung für seine Studie „Die Knorpelzelltransplantation unter Simulation osteoarthrotischer Bedingungen mittels TNFα in einem Kniegelenk-spezifischen Bioreaktor“. Beide Preisträger erhielten je 1.250 Euro.
Anne Faulmann/Universitätsklinikum Ulm