Knorpeltumoren sind in der Mehrzahl der Fälle benigne. Die beiden weitaus häufigsten Vertreter sind das Enchondrom und die kartilaginäre Exostose (Synonym Osteochondrom). Während das Enchondrom zumeist einen asymptomatischen Zufallsbefund darstellt, so wird die kartilaginäre Exostose in der Regel in der Jugend durch eine tastbare Schwellung diagnostiziert.
Bei den benignen Knorpeltumoren bedürfen viele Tumoren keiner operativen Therapie und werden auch als leave-me-alone lesion bezeichnet. Abzugrenzen von solitären Befunden sind hierbei allerdings die Enchondromatose (Morbus Ollier) und die Multiple, hereditäre Exostosenerkrankung. Hier besteht insbesondere bei stammnahen Läsionen das Risiko der malignen Transformation in ein Chondrosarkom im Erwachsenenalter, so dass operative Maßnahmen individuell in Erwägung zu ziehen sind. Zumindest bedürfen diese Erkrankungen einer lebenslangen Überwachung mittels MRT-Untersuchungen. Gegenüber den benignen Tumoren sind maligne chondrogene Tumoren sehr selten und werden als Chondrosarkom (zumeist G2, G3) bezeichnet. Die chirurgische R0-Resektion stellt bei diesen Tumoren den Goldstandard dar. Seit ca. 20 Jahren werden hochdifferenzierte, niedrig-maligne chondrogene Tumoren aufgrund ihres fehlenden bzw. geringen Metastasierungspotentials nicht mehr als Chondrosarkom G1 bezeichnet, sondern als atypischer chondrogner Tumor (ACT) mit intermediärer Dignität. Die Therapie dieser Tumoren besteht in der Regel nicht mehr in einer R0-Resektion, sondern in einer Kürettage und zumeist Auffüllung mit Knochenzement. Das Ziel dieses Artikels ist es, dem Leser neben einer kurzen Übersicht über die Familie der Knorpeltumoren insbesondere diagnostische und therapeutische Hilfestellungen zu vermitteln.
Klassifikation, Inzidenz, Altersverteilung und Ätiologie
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Familie der Knorpeltumoren. Der weitaus häufigste benigne Knorpeltumor ist das Enchondrom. Genaue Angaben zur Inzidenz sind allerdings nicht möglich, da Enchondrome in der Mehrzahl der Fälle im Erwachsenenalter nur als Zufallsbefund diagnostiziert werden (z.B. im Rahmen einer MRT-Untersuchung bei einem Impingement-Syndrom der Schulter). Auch über die Inzidenz der kartilaginären Exostose, welche klinisch aufgrund der tastbaren Schwellung zumeist in der Kindheit diagnostiziert wird, können keine gesicherten Aussagen getroffen werden, da die Mehrzahl der Patienten keiner operativen Therapie zugeführt wird. Auch bei der Inzidenz des ACT gibt es analog dem Enchondrom keine gesicherten Angaben, da auch dieser Tumor durchaus als schmerzloser Zufallsbefund diagnostiziert werden kann (siehe Diagnostik). Studien aus den Niederlanden konnten zeigen, dass durch die Zunahme an MRT-Untersuchungen die Zahl der Patienten mit der klinischen Diagnose eines ACT deutlich zugenommen hat. Dieser Umstand lässt auch bei diesem Tumor eine hohe Dunkelziffer vermuten. Hochmaligne Chondrosarkome hingegen werden aufgrund ihres aggressiven Wachstumsmusters früher oder später symptomatisch. In der Regel sind Patienten ab dem 50. Lebensjahr betroffen. In Deutschland kann von ca. 150 Fällen pro Jahr ausgegangen werden. Hinsichtlich der Ätiologie wird die hereditäre, multiple Exostosenerkrankung durch verschiedene genetische Mutationen (EXT1, EXT 2, EXT3) hervorgerufen und folgt einem autosomal dominanten Erbgang. Bei Chondrosarkomen wird in ca. 50 % der Fälle eine IDH1/2-Mutation nachgewiesen.
Diagnostik
Das Enchondrom stellt zumeist einen klassischen asymptomatischen Zufallsbefund in einer aus anderem Grund indizierten Bildgebung dar (Abb. 1A–C). Nur in Ausnahmefällen verursacht ein Enchondrom Schmerzen. Sollte das Enchondrom nur mittels MRT-Diagnostik detektiert worden sein, so muss noch eine konventionelle Röntgenbildgebung (jeder Knochentumor muss auch im Röntgen abgebildet werden) angeschlossen werden. Diese zeigt in der Regel die typischen popkornartigen Verkalkungen. Bei Verdacht auf eine Ausdünnung der Kortikalis oder gar Perforation sollte diese mittels CT-Untersuchung ausgeschlossen bzw. verifiziert werden.
Bei eindeutig auf den Knorpeltumor zurückzuführenden Schmerzen liegt in der Mehrzahl der Fälle eine Beteiligung der Kortikalis vor, so dass ein ACT oder bei Vorliegen einer Weichteilkomponente im MRT (mit Kontrastmittel) ein höhergradig malignes Chondrosarkom nicht ausgeschlossen werden kann. Hier muss dann die Vorstellung in einem Sarkomzentrum erfolgen, um über die Notwendigkeit einer Biopsie zu entscheiden. Es muss betont werden, dass sowohl radiologisch als auch pathologisch bei Vorliegen einer Kortikalisausdünnung bzw. Unterbrechung nicht immer sicher zwischen einem Enchondrom bzw. ACT unterschieden werden kann und erst der weitere Verlauf eine Antwort geben kann (siehe unten).
Bei dem klinischen Verdacht auf eine kartilaginäre Exostose bei Kindern und Jugendlichen sollte zunächst eine konventionelle Röntgendiagnostik erfolgen. Typischerweise setzt sich der Markraum des betroffenen Knochens in den Stiel der Exostose fort. Ist dies nicht der Fall muss ein MRT mit Kontrastmittel erfolgen und bei weiterhin nicht erkennbarer Fortsetzung des Markraums in die Exostose insbesondere an ein parossales Osteosarkom gedacht werden. Eine MRT-Diagnostik sollte des Weiteren nur bei sehr großen Exostosen zur Bestimmung der Dicke der Knorpelkappe (sollte unter 2 cm bei Erwachsenen und unter 3 cm bei Kindern liegen) oder auch zur Lagebeziehung zu neurovaskulären Strukturen vor operativer Resektion erfolgen.
Bei Patienten mit einer Exostose sollte klinisch eine multiple Exostosenerkrankung ausgeschlossen werden. Bei Nachweis von weiteren Exostosen sollte mittels Ganzkörper-MRT auch nach stammnahen, nicht tastbaren Exostosen gesucht werden. Patienten mit einer Enchondromatose fallen in der Jugend häufig durch frakturierte Enchondrome der Phalangen und auch Achsdeviationen bzw. Verkürzungen der langen Röhrenknochen auf. Auch hier sollte mittels Ganzkörper-MRT eine genaue Ausbreitungsdiagnostik erfolgen. Bei einem im Erwachsenenalter zufällig diagnostizierten Enchondrom ohne klinische Hinweise auf eine Enchondromatose empfehlen wir keine weiterführende Diagnostik.
Bei bildgebendem Verdacht auf ein Chondrosarkom oder ACT muss die Vorstellung in einem Sarkomzentrum erfolgen. Hier erfolgt dann neben der Biopsie auch die erforderliche Ausbreitungsdiagnostik zum Ausschluss einer pulmonalen (häufig) oder lymphogenen (selten) Metastasierung. Die Biopsie bei Verdacht auf einen chondrogenen Tumor muss ausreichend Gewebe beinhalten, da diese häufig eine heterogene Zusammensetzung aufweisen (hochdifferenzierte, benigne Anteile finden sich neben kleineren hochmalignen Anteilen). Die finale Diagnose muss dann immer in Synopsis aus Klinik, Radiologie und Pathologie in einer Tumorkonferenz erfolgen.
Therapie
Aufgrund der relativen Häufigkeit knorpelbildender Tumoren wird jeder Orthopäde und Unfallchirurg, aber auch Radiologe und Hausarzt in seinem klinischen Alltag sicher mit diesen Tumorentitäten konfrontiert werden. Aber wie gelingt es uns in der konkreten Situation nun, zwischen einer „leave-me alone lesion“ und einer weiter abklärungs- oder gar therapiebedürftigen Läsion zu unterscheiden? Wie in den vorherigen Kapiteln schon dargelegt wurde, gelingt diese Entscheidung häufig nur durch eine Synopsis von klinischem Erscheinungsbild, Radiologie und teilweise auch erst durch eine Verlaufsbeobachtung des Knorpeltumors. Es muss nochmals betont werden, dass der Pathologe ohne den Kliniker und Radiolgen häufig zwischen benignen Tumoren und Tumoren intermediärer Dignität wie dem ACT nicht unterscheiden kann.
Aus der Familie der benignen Knorpeltumoren stellen das Enchondrom und das Osteochondrom bei fehlenden Anzeichen für den Übergang in einen ACT klassische „leave-me alone lesions“ dar. Bei einer eindeutig auf den Tumor zurückzuführenden Schmerzsymptomatik in Kombination mit einer deutlichen Ausdünnung bzw. Unterbrechung der Kortikalis indizieren wir eine bioptische Abklärung bzw. sofortige Kürettage bei kleinen Tumoren und fehlendem Verdacht auf höhergradige Malignität. Bei einem beschwerdefreien Patienten mit einem zufällig diagnostizierten chondrogenen Tumor, bei dem jedoch in der Bildgebung eine Beteiligung der Kortikalis zu beobachten ist, sollte bei dem erstmaligen Nachweis des Enchondroms (oder gegebenenfalls ACT) zunächst eine engmaschige Verlaufskontrolle erfolgen (siehe unten). Bei Größenprogress muss trotz Schmerzlosigkeit die Biopsie oder bei kleinen Befunden und fehlendem Verdacht auf höhergradige Malignität ggf. die sofortige Kürettage erfolgen. Bei Diagnose eines ACT kann mit einer Kürettage und Defektauffüllung mit Knochenzement in 95% der Fälle eine lokale Kontrolle erzielt werden. Ein ACT im Beckenbereich wird allerdings weiterhin aufgrund der Lokalisation als Chondrosarkom G1 bezeichnet und sollte aufgrund eines aggressiveren Verhaltens einer R0-Resektion unterzogen werden.
Die Mehrzahl der solitären Exostosen sind asymptomatisch und bedürfen keiner operativen Therapie. Eine absolute Operationsindikation besteht bei Vorliegen einer Knorpelkappe über 2–3 cm – insbesondere bei Grössenprogress nach Wachstumsabschluss und auch bei Kompressionserscheinungen von neurovaskulären Strukturen. Eine relative Indikation besteht aus unserer Sicht bei Beschwerden oder eingeschränkter Gelenkbeweglichkeit (Abb. 2A–C). Durch eine Resektion können die Beschwerden zumeist rasch und zuverlässig behoben werden. Der Eingriff ist zudem komplikationsarm und die Rezidivgefahr äußerst gering – auch bei kleinen Kindern. Auch bei fehlenden Beschwerden sollten schon recht grosse Exostosen vor dem pubertären Wachstumsschub präventiv entfernt werden. Andernfalls kann es zu Verdrängungen und Deformierungen benachbarter Knochen und auch einer Kompression neurovaskulärer Strukturen kommen. Bei Patienten mit einer hereditären multiplen Exostosenerkrankung können stammnahe, gut resezierbare Exostosen präventiv abgetragen werden. Eine absolute Indikation zur Abtragung aller Befunde besteht aber nicht. Des Weiteren kann insbesondere bei multiplen Osteochondromen oder einer Enchondromatose eine Achsdeformität auftreten, die rechtzeitig erkannt und noch im Wachstum therapiert werden sollte.
Hochmaligne Chondrosarkome müssen in einem Sarkomzentrum einer R0-Resektion unterzogen werden. Aufgrund der relativen Chemo- und Strahlenresistenz der klassischen Chondrosarkome (G2/3) erfolgt in der Regel keine adjuvante Chemo- oder Strahlentherapie.
Nachsorge von leave-me alone lesions
Zu Beginn dieses Kapitels muss betont werden, dass die Empfehlungen zur Nachsorge nicht auf dem Boden prospektiv-randomisierter Studien erfolgen, sondern eigene Erfahrungswerte gepaart mit den Erfahrungen anderer Zentren darstellen. Zunächst stellt sich die Frage, ob und in welcher Form Patienten mit einer erstdiagnostizierten „leave-me alone lesion“ nachgesorgt werden müssen.
Ein klassisches Enchondrom bedarf aus unserer Sicht de facto keiner Verlaufskontrolle. In der Praxis allerdings führen wir auch aus forensischen Gründen eine einmalige Röntgenkontrolle (in Ausnahmefällen auch MRT) nach einem Jahr durch, um eine sehr seltene Progression zu erkennen. Wir würden das Enchondrom bei einem Progress dann auch als ACT bezeichnen, da ein Enchondrom nach Wachstumsabschluss keine Progression aufweisen sollte. Auch wird der Patient darüber informiert, dass bei Vorliegen von Schmerzen auch Jahre später eine erneute Bildgebung erfolgen sollte. Es muss aber betont werden, dass eine maligne Transformation eines solitären Enchondroms in ein hochmalignes Chondrosarkom eine Rarität darstellt. Demgegenüber muss bei Patienten mit einer Enchondromatose eine lebenslange Vorsorge mittels (Ganzkörper-) MRT erfolgen (alle 1,5 – 2 Jahre), da insbesondere stammnahe Enchondrome in bis zu 40 % der Fälle in ein Chondrosarkom (zumeist niedrigmaligne) transformieren können.
Bei radiologisch nicht sicher auszuschließendem ACT – welcher aufgrund asymptomatischen Verhaltens keiner Kürettage zugeführt wurde – empfehlen wir 6 monatliche MRTKontrollen für 2 Jahre gefolgt von jährlichen Kontrollen für ca. weitere 3 Jahre. Bei progredientem Befunden muss dann die Kürettage der Läsion erfolgen bzw. die alleinige Biopsie bei Verdacht auf eine höhergradig malignes Chondrosarkom. Diese schwierigen Entscheidungen sind allerdings individuell zu treffen und sollten einem Sarkomzentrum vorbehalten sein.
Bei der Diagnose einer Exostose, welche nicht operativ entfernt worden ist, sollte während der Pubertät alle 6 Monate zumindest eine klinische Kontrolle erfolgen, um Beinachsendeformitäten und eine Größenprogredienz der Exostose zu erkennen (siehe oben). Nach Wachstumsabschluss muss bei jeder Größenprogredienz einer singulären Exostose eine MRT-Untersuchung zur Bestimmung der Dicke der Knorpelkappen erfolgen. Ab einer Dicke von ca. 2–3 cm besteht der Verdacht auf die maligne Transformation in ein zumeist niedrigmalignes Chondrosarkom. Analog den Patienten mit einer Enchondromatose muss bei einer Hereditären multiplen Exostosenerkrankung eine präventive, engmaschige MRT-Kontrolle insbesondere der stammnahen Läsionen (Risiko der malignen Transformation ca. 20 %) erfolgen.