Karlsruhe – Die Folgen des Anti-Korruptionsgesetzes werden von Orthopäden und Unfallchirurgen seit Monaten diskutiert. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BHG) gegen einen niedergelassenen Chirurgen, dessen ausführliche Begründung vor kurzem veröffentlicht wurde, befeuert diese Diskussion weiter. Es bezieht sich allerdings auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Anti-Korruptionsgesetzes.
Mit ihrem Urteil stellen die Bundesrichter klar, dass Vertragsärztinnen und -ärzte eine „Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkassen“ aus Paragraf 266 Absatz 1 Strafgesetzbuch heraus haben. Diese gebiete ihnen zumindest, Heilmittel nicht ohne jegliche medizinische Indikation zu verordnen, schon gar nicht in der Kenntnis, dass diese gar nicht erbracht, aber abgerechnet wurden.
Chirurg erhielt selbst kein Geld aus dem Geschäft
Der Verurteilte arbeitete als „Kooperationsarzt“ mit drei regionalen Gesundheitszentren zusammen. In rund 500 Fällen verordnete er in den Jahren 2005 bis 2008 physiotherapeutische und krankengymnastische Leistungen für Patienten, die er gar nicht selbst untersucht hatte. Die Rezepte wurden von den Zentren abgerechnet, die verordneten Leistungen allerdings nicht erbracht. Der Chirurg erhielt selbst keinen Anteil dieses Geldes. Ihm ging es dem Urteil zufolge darum, seine Stellung als „Kooperationsarzt“ der Zentren zu erhalten und seinen Geschäftspartnern dauerhafte Einnahmen zu verschaffen.
Den Krankenkassen entstand dadurch ein Schaden von mehr als 50.000 Euro. Das Landgericht Halle verurteilte den Chirurgen darauf hin wegen Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Der BHG änderte das Urteil ab: Verurteilt wurde der Chirurg in der letzten Instanz allein wegen Untreue, die Bewährungsstrafe bleibt. Die Bundesrichter verwiesen auf die „Vermögensbetreuungspflicht“ von Vertragsärzten. Diese zähle zu den Hauptpflichten gegenüber den Kassen. Denn mit seinen Verordnungen, hier den Heilmittelverordnungen, erkläre ein Vertragsarzt auch, dass alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, darunter auch die, dass das Heilmittel notwendig und wirtschaftlich sei. Sabine Rieser