Berlin – In die aktuelle Debatte um das Arztsuch- und Bewertungsportal Jameda sind viele Facharztgruppen involviert. Sie schreiben auch dem BVOU, wie ein Leserbrief von Dr. Peter Gorenflos zeigt, Gesichts- und Kieferchirurg in Berlin:
„Jameda löscht nun Vergleichslisten zahlender Kunden auf den Profilen von Zwangsteilnehmern und versucht damit, das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs, welches ausdrücklich eine Profil-Löschung zulässt, zu umgehen. Aber damit ist Jameda immer noch kein ‘neutraler Informations-Vermittler’ sondern nimmt der Obszönität unlauteren Wettbewerbs nur die Spitze. Eine 6.500-Fall-Statistik aus der ZEIT von Januar beweist, dass Kunden die besseren Noten haben, denn sie werden in der Regel von schlechten Bewertungen verschont. Ist das ihrem schönen Profil-Foto zu verdanken?
Wahrscheinlicher ist, dass Jameda aus Profitabilitäts-Gründen Bewertungs-Durchschnitte manipuliert und die Interpretierbarkeit dessen, was eine ‘Schmähkritik’ oder ‘Tatsachenbehauptung’ ist – beides obsolet – benutzt, um schlechte Bewertungen bei Kunden in der Regel zu blockieren. Bei Zwangsteilnehmern sind schlechte Bewertungen erwünscht, denn das Portal lebt von der Diskrepanz der Notendurchschnitte zugunsten der zahlenden Kundschaft. Unter den Kollegen mit schlechten, oft existenzgefährdenden Bewertungs-Durchschnitten befinden sich fast ausschließlich Zwangsteilnehmer. Das lässt sich schnell und einfach prüfen, indem man beliebige Arztgruppen beliebiger Fachrichtung in beliebigen Städten oder Umkreisen innerhalb der Web-Page des Portals nach dem Jameda-eigenen Kriterium ‘kritisch bewertet’ sortiert.
Mit Neutralität hat das nichts zu tun, man könnte eher von Schutzgeld-Erpressung der Zwangsteilnehmer sprechen, deren guter Ruf auf dem Spiel steht. Daran ändern auch Einzelfälle nichts, denn durch die juristische Auseinandersetzung mit einer zahnärztlichen Kollegin aus Essen, die Gold-Kunde ist, verschafft man sich nur ein willkommenes Alibi, nachdem die manipulative ‘Systemarchitektur’ des Portals ans Licht der Öffentlichkeit gekommen ist. Die Statistik und ihre Ergebnisse sind erdrückend! Nur mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb kann man diesem Spuk ein Ende bereiten. Gegen wirklich neutrale Bewertungsportale mit gleichen Spielregeln für alle und ohne kommerzielle Interessen – wie z.B. die ‘Weiße Liste’ – ist jedoch nichts einzuwenden. Nur die Anonymität bei Bewertungen, diese ‘digitale Burka’, ist unschön, denn sie leistet Feigheit und Intrige Vorschub.
Jameda kombiniert ein Werbe- mit einem Bewertungsportal, lebt von zahlenden Kunden und nimmt für sich in Anspruch, auch nicht zahlende Kollegen zwangsrekrutieren zu dürfen. Die logische Folge dieses Geschäftsmodells ist unlauterer Wettbewerb. Patienten von Zwangsteilnehmern werden abgeworben, die zahlende Kundschaft profitiert davon standeswidrig. Unter dem Deckmäntelchen digitalen Fortschritts versucht das Portal die Ärzte- und Zahnärzteschaft der Bundesrepublik flächendeckend zu korrumpieren. Das ist so offensichtlich, dass die Frage nach der Zurückhaltung der zuständigen Kammern gestellt werden muss. Der Vorsitzende der BÄK und der BZÄK, der Vorsitzende der KBV und der stellvertretende Vorsitzende der KZÄB üben – vermutlich hochdotierte – Aufsichtsratsmandate bei der Apotheker- und Ärztebank aus, die seit zehn Jahren Top-Rankings bei Focus-Money erzielt. Diese einflussreiche und auflagenstarke Zeitschrift gehört zur Burda-Gruppe genauso wie Jameda. Gibt es einen Deal hinter den Kulissen, einen Interessenkonflikt?
Kollegen, die sich kurzfristig einen Vorteil vom Kunden-Status bei diesem Kombinations-Portal Werbung/Bewertung versprechen, übersehen auch seine langfristige Zielsetzung. Wenn das Marktmonopol erst einmal erreicht ist – Jameda ist nicht weit davon entfernt – dann werden nicht nur Platin- gegen Gold-Kunden ausgespielt und die Preise in die Höhe getrieben. Dann gibt es auch keinen Grund mehr, etwas anderes zu praktizieren als zum Beispiel das HRS-Portal gegenüber den Hotels. Man verlangt Umsatzbeteiligung. Bei HRS sind das mittlerweile bis zu 15 Prozent und was das im Gesundheitswesen mit einem Jahresbudget von ca. 250 Milliarden Euro bedeutet, das muss man sich klar machen. Mit diesen Einnahmen werden dann Aktionäre bedient, die sich über die Kurzsichtigkeit – um kein stärkeres Wort zu benutzen – von Ärzten und Zahnärzten eins ins Fäustchen lachen. Auch die freie Arztwahl gehört dann der Vergangenheit an, wird zum Relikt aus dem vor-digitalen Zeitalter, denn die Verteilung der Patienten wird dann faktisch über die Internet-Präsenz des Portals geregelt. Wollen wir eine solche Entwicklung wirklich zulassen? Noch können wir sie verhindern. Werbe- und Bewertungsplattformen müssen getrennt werden, eine Kombination beider Portal-Typen muss im Antikorruptions-Gesetz ausgeschlossen werden.“
Autor: Dr. Peter Gorenflos, Berlin