Im Gespräch erläutern Dr. Anna Völker (OrthoChat-Entwicklerteam) und Dr. Jörg Ansorg (BVOU-Geschäftsführer), wie Künstliche Intelligenz (KI) die Patientenberatung revolutionieren kann. Welche Vorteile bringt der Einsatz von Technologien wie der Chatbot OrthoChat für Patienten und Ärzte mit sich? Darüber hinaus diskutieren sie die ethischen und rechtlichen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, um das Vertrauen der Patienten in diese innovativen Lösungen zu stärken.
Welche konkreten Anwendungsbereiche sehen Sie für die Künstliche Intelligenz (KI) in der medizinischen Patientenberatung?
PD Dr. Anna Völker: KI kann in der medizinischen Patientenberatung in mehreren Bereichen eingesetzt werden, wie z.B. bei einer ersten unabhängigen Unterstützung eines Patienten, der auf der Suche nach Antworten auf seine Beschwerden ist. Dies ermöglicht eine unverbindliche Information und ermöglicht es dem Patienten, selbst aktiv zu werden und präventiv wirksam zu sein. Noch vor der ersten Arztkonsultation.
Zudem kann KI mit Informationen über Erkrankungen, Behandlungsmöglichkeiten und Präventionsmaßnahmen zu Erkrankungen einen wichtigen Beitrag zur Hebung der Gesundheitskompetenz unserer Bevölkerung leisten.
Wie gewährleisten Sie eine hohe Qualität der Informationen, die eine KI wie OrthoChat den Patienten zur Verfügung stellt?
Dr. Jörg Ansorg: Die Qualität der Informationen kann durch die Verwendung einer kuratierten, spezialisierten BVOU-eigenen Wissensdatenbank sichergestellt werden. OrthoChat greift ausschließlich auf diese kuratierten Informationen zu. Wir vermeiden damit sog. Konfabulationen von Standard-KI-Systemen. Regelmäßige Überprüfungen und Aktualisierungen der Inhalte sind entscheidend, um sicherzustellen, dass diese hohe Informationsqualität dauerhaft gehalten wird.
Welche ethischen Herausforderungen sehen Sie beim Einsatz von KI in der Patientenberatung?
PD Dr. Völker: Eine der Hauptfragen ist die Rolle des menschlichen Arztes: KI sollte als unterstützendes Werkzeug fungieren, aber niemals die persönliche Beziehung zwischen Arzt und Patient ersetzen. Zudem müssen wir die Verantwortung im Falle von Fehlern klären, insbesondere wer haftbar ist, wenn die KI irreführende Informationen bereitstellt. Es ist wichtig, transparente Prozesse zu schaffen, um das Vertrauen der Patienten in die Technologie zu stärken.
Wie können wir als Berufsverband die Akzeptanz von OrthoChat bei unseren Mitgliedern und Patienten gleichermaßen fördern?
Dr. Ansorg: Wir können die Akzeptanz fördern, indem wir Aufklärungskampagnen starten, die die Vorteile und Funktionen von OrthoChat verdeutlichen. Darüber hinaus sollten wir Schulungen für Ärzte und Praxismitarbeiter anbieten, damit sie den Chatbot selbst nutzen und ihren Patienten empfehlen können.
PD Dr. Völker: Ein herausragender Vorteil von OrthoChat ist seine Mehrsprachigkeit. Das Angebot spricht fließend 50 Sprachen und unterstützt so bei der Behandlung von Patienten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Diese können mit Hilfe von OrthoChat offene Fragen vor oder nach einem Arztgespräch noch einmal in der eigenen Muttersprache klären.
Und seitens der Nutzer?
PD Dr. Völker: Positive Erfahrungsberichte von Nutzern tragen ebenfalls dazu bei, Vertrauen in das System aufzubauen. Erste Evaluationen sind bereits erfolgt, im Jahr 2025 werden wir eine weitere Welle starten. Wir freuen uns auf die Kritik von Anwendern und Experten und hoffen, damit das System immer weiter zu verbessern.
Dr. Ansorg: In der letzten Ausgabe unserer Mitgliederzeitschrift haben wir zudem ein OrhoChat-Poster für das Wartezimmer beigelegt.
Dieses kann kostenfrei unter service@bvou.net angefordert werden. Durch den dort platzierten QR-Code können Patienten OrthoChat direkt starten und ihre Fragen stellen. Es kostet vielleicht den ein oder anderen Kollegen eine gewisse Überwindung, auf diesem Weg seinen Patienten OrthoChat zu empfehlen. Aber am Ende sprechen Sie mit sehr viel besser informierten und motivierten Patienten, die Ihren Empfehlungen wissend folgen werden.
Welche Rolle spielt die menschliche Interaktion in einer KI-gestützten Patientenberatung?
PD Dr. Völker: Eine intakte Arzt-Patienten-Beziehung bleibt entscheidend, da sie Vertrauen und Empathie fördert, die für den Heilungsprozess wichtig sind. OrthoChat sollte als ergänzendes Werkzeug gesehen werden, das Patienten und Ärzte bei der Informationsbereitstellung unterstützt. Die Schnittstelle zwischen OrthoChat und den Ärzten ist wichtig, um sicherzustellen, dass Patienten die notwendige persönliche Beratung erhalten, wenn es um komplexe Gesundheitsfragen des Bewegungsapparates geht.
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen mussten für den Einsatz von OrthoChat geschaffen werden?
Dr. Ansorg: Für den Einsatz von OrthoChat mussten wir sicherstellen, dass alle datenschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Dazu gehört unter anderem, dass keine personenbezogenen Daten abgefragt werden, die Rückschlüsse auf die Identität des Nutzers zulassen würden.
PD Dr. Völker: Und wir machen mehrfach deutlich, dass OrthoChat das vertrauensvolle Gespräch mit dem Arzt nicht ersetzt, sondern lediglich unterstützt. Sollte ein Nutzer auch nur den geringsten Zweifel haben, motivieren wir zur umgehenden Kontaktaufnahme mit einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Das kann über Orthinform ganz unmittelbar erfolgen. Geeignete Kolleginnen und Kollegen in der Umgebung des Nutzers werden kontextsensitiv empfohlen und ein Termin kann bei vielen direkt über Orthinform vereinbart werden.
Welche inhaltlichen Herausforderungen bestehen beim Aufbau eines solchen ChatBots?
Dr. Ansorg: Es ist notwendig, die medizinischen Standards zu berücksichtigen, die für die Bereitstellung von Gesundheitsinformationen gelten. Das bedeutet, dass die Inhalte von OrthoChat den aktuellen medizinischen Leitlinien entsprechen und von Experten überprüft werden. Durch diese Maßnahmen schaffen wir ein hohes fachliches und juristisches Niveau, damit OrthoChat als verlässliche Anwendung funktioniert und gleichzeitig dessen Rolle vom Anwender nicht überschätzt wird.
Wie wird sich die Rolle von KI in der Patientenberatung in den nächsten Jahren entwickeln?
PD Dr. Völker: Die Rolle von KI-Systemen wird sowohl in der Patientenberatung, als auch in der Patientenbetreuung weiter wachsen. Die Technologie leistungsfähiger und zugänglicher. Durch Sprachtools wird der Zugang auch für ältere Menschen sowie für Menschen mit Migrationshintergrund leicht zugänglich. KI wird verstärkt zur Personalisierung von Gesundheitsinformationen beitragen und die Patientenbindung verbessern.
Gleichzeitig wird die Integration von KI in bestehende Gesundheitssysteme zur Befundung und Patientenbetreuung zunehmen, wodurch eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Technologie und menschlicher Expertise gefördert wird. Der Berufsverband wird diese Entwicklungen auf allen Ebenen aktiv und mit eigenen Beiträgen begleiten.
Frau PD Dr. Völker und Herr Dr. Ansorg, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno.