Berlin – Im Vorfeld des 120. Deutschen Ärztetages hat der Marburger Bund (MB) seine Forderungen zur Verbesserung der ärztlichen Weiterbildung vorgestellt. In einem Thesenpapier spricht sich der Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte für eine kompetenzorientierte Neugestaltung und klare, verbindliche Strukturen in der Weiterbildung aus. Zudem fordert er eine Stärkung der Rolle der Landesärztekammern als Organisatoren und Richtliniengeber für die Facharztweiterbildung.
Eine strukturierte Weiterbildung sei die Voraussetzung für die Qualität der ärztlichen Berufsausübung und damit auch für die Qualität und Sicherheit in der Patientenversorgung, betont der MB in seinem Thesenpapier. Der Berufsalltag vieler junger Ärzte lasse allerdings oft nur wenig Zeit für die Inhalte der Weiterbildung: insbesondere der stationäre Bereich sei aufgrund des zunehmenden ökonomischen Drucks von hoher Arbeitsverdichtung, permanenter Unterbesetzung und Personalfluktuation geprägt, erklärte Dr. Henrik Herrmann, Mitglied des Bundesvorstands des MB, bei einem Pressegespräch vergangene Woche in Berlin.
Junge Ärzte zunehmend überlastet
Dass fehlende Strukturen in der Weiterbildung und zu wenig Zeit im Arbeitsalltag junge Ärztinnen und Ärzte zunehmend belasten, zeigte kürzlich auch eine Online-Umfrage des Hartmannbundes. Demnach bewertet lediglich rund ein Drittel der 1.300 befragten Assistenzärzte seine Arbeitssituation als „sehr gut“ (5,8 Prozent) oder „gut“ (29,5 Prozent). Fast zwei Drittel der jungen Ärztinnen und Ärzte vergeben Noten von „befriedigend“ (32,2 Prozent) über „ausreichend“ (20,2 Prozent) bis hin zu „mangelhaft“ (12,3 Prozent).
Der MB sieht hier vor allem auch die Krankenhäuser in der Pflicht, mehr Freiraum für die ärztliche Weiterbildung zu schaffen – etwa indem Assistenzärzte von unnötiger Verwaltungsarbeit und Dokumentation entlastet werden.
Ambulante Weiterbildung stärken
Aber auch die ambulante Weiterbildung müsse durch die Schaffung gleichrangiger Konditionen gestärkt werden, fordert der Verband. Nach wie vor bleibe die Vergütung von Ärztinnen und Ärzten in ambulanter Weiterbildung – ob in Arztpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften oder Medizinischen Versorgungszentren – hinter der in kommunalen Krankenhäusern zurück. Auf mittlere Sicht müsse es auch hier tarifvertragliche Regelungen geben, wie es sie in Kliniken bereits gibt.
Kompetenzorientierung im Mittelpunkt
Die geplante Novellierung der Muster-Weiterbildungsordnung, die auf dem kommenden Ärztetag Ende Mai in Freiburg erneut zur Diskussion steht, sieht einen neuen, kompetenzbasierten Ansatz in der Facharztweiterbildung vor. Damit soll es für junge Ärztinnen und Ärzte künftig nicht länger darum gehen, strikte Zeiten in bestimmten Fachgebieten zu absolvieren, sondern klar definierte Kompetenzen und Fertigkeiten zu erwerben.
Der MB befürwortet den kompetenzorientierten Ansatz ausdrücklich und verspricht sich davon vor allem eine bessere inhaltliche Strukturierung der Weiterbildung, aber auch die Möglichkeit flexiblerer Weiterbildungszeiten. Denn bisher sei eine Weiterbildung in Teilzeit oft nicht sinnvoll möglich und die Facharztanerkennung verzögere sich – mit negativen Auswirkungen auf die Karrierechancen gerade junger Ärztinnen, betonte Herrmann. Hier fordert der Verband mehr Flexibilität von Weiterbildern und Arbeitgebern. Außerdem gehörten die Mindestweiterbildungszeiten auf den Prüfstand: der MB plädiert für eine Gesamt-Weiterbildungszeit von maximal 60 Monaten.
Mehr Verbindlichkeit für Weiterzubildende
Um neben klaren inhaltlichen Strukturen auch mehr Verbindlichkeit für Ärzte in Weiterbildung zu schaffen, fordert der MB darüber hinaus Weiterbildungsverträge zwischen dem weiterbildungsberechtigten Arzt und dem Weiterzubildenden sowie ein elektronisches Logbuch. Die Standards für die Weiterbildungsverträge müssten von den Landesärztekammern festgelegt und überwacht werden, erklärte Dr. Hans-Albert Gehle, Mitglied des Bundesvorstands und Vorsitzender des Arbeitskreises Fort- und Weiterbildungspolitik des MB.
MB sieht Landesärztekammern in der Pflicht
Auch darüber hinaus seien die Ärztekammern als „Garanten einer unabhängigen, allein der Qualität ärztlicher Berufsausübung verpflichteten Weiterbildung“ gefragt, den Prozess der kompetenzbasierten Weiterbildung künftig noch stärker zu begleiten und ein einheitliches Vorgehen zu garantieren, forderte Herrmann. Die Kammern hätten in den letzten Jahren bereits viel unternommen, um die Weiterbildung zu verbessern, sagte Gehle. Zumeist seien dies allerdings vereinzelte „Inselprojekte“ gewesen, denen es an Struktur und Koordination fehlte.
Personelle Ressourcen stärken
Neben dem Engagement der Kammern brauche es außerdem auch weiterbildungsbefugte Ärzte, die die geschaffenen Strukturen im Auge behalten, so Gehle. Dafür schlägt der MB sogenannte „Kümmerer“ vor, erfahrene Oberärzte, die sich neben der Patientenversorgung schwerpunktmäßig um die Weiterbildung kümmern und als Mentoren für die jungen Ärztinnen und Ärzte fungieren, erklärte Herrmann. Dieser Mehraufwand mache es allerdings auch erforderlich, dass zusätzliche finanzielle Mittel für die Weiterbildung bereitgestellt würden.
Abschluss der Novellierung für 2018 geplant
Seit dem vergangenen Jahr befinden sich Bundesärztekammer und Landesärztekammern in Gesprächen mit den Fachgesellschaften und Berufsverbänden, darunter auch dem BVOU, um sich über die inhaltliche Gestaltung der Muster-Weiterbildungsordnung auszutauschen. Auf dem kommenden Ärztetag in Freiburg soll zunächst der Abschnitt B – die Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie die Allgemeinen Inhalte der Weiterbildung und das Glossar – beschlossen werden. Bis Mitte 2018 soll die neue Muster-Weiterbildungsordnung endgültig verabschiedet werden.
Mastertrainer-Initiative des BVOU
Neben der Mitarbeit an der neuen Muster-Weiterbildungsordnung engagiert sich der BVOU auch darüber hinaus für eine strukturierte Weiterbildung in O und U: gemeinsam mit weiteren Partnern hat der Verband die Mastertrainer-Initiative ins Leben gerufen, um die Qualität der Facharztweiterbildung zu verbessern. Dabei werden erfahrene Weiterbilder zu einem Mastertrainer ausgebildet und in der Anwendung einfacher Instrumente zur Strukturierung der Facharztweiterbildung in ihren Einrichtungen geschult.