Unter einer Chondrokalzinose versteht man gemeinhin Mineralisationen in hyalinem Knorpel und im Faserknorpel. Meistens werden derartige Mineralisationen als Begleitphänomen der Arthrose gedeutet. Bei diesen pathologischen Mineralisationen sind zwei Kalziumphosphatminerale von besonderem Interesse: Kalziumpyrophosphatdihydrat (CPPD) und basische Kalziumphosphate (BCP).
Die Häufigkeit von Mineralisationen im Knorpelgewebe ist letztlich nicht geklärt. Mittels Standardröntgentechnik wurden Prävalenzen von 0,4 – 5% im Hüftgelenk und von 8,0 – 25% im Kniegelenk gefunden (Wilkins et al. 1983, Ramonda et al. 2009, Abishek et al. 2012). Die Detektion von Mineralisationen gestaltet sich jedoch schwierig, da die Deposite oft mikroskopisch klein sind und den konventionellen Bildgebungen mittels Röntgen und CT entgehen. So muss davon ausgegangen werden, dass die genannten Prävalenzen aufgrund der Bildauflösung deutlich zu gering eingeschätzt wird.
In Operationsresektaten ließen sich mittels hoch auflösender digitaler Kontaktradiographie hohe Prävalenzen von Kalziumphosphatablagerungen feststellen: Bei hochgradig arthrotisch veränderten Hüft- und Kniegelenken fanden Fuerst et al. 2009 in 100 % der Fälle Mineralisationen im hyalinen Gelenkknorpel. Mitsuyama et al. Konnten 2007 zeigen, dass mittels digitaler Kontaktradiographie von Resektatgewebe Mineralisationen bereits im jungen Alter ohne Anzeichen einer Arthrose des Kniegelenkes festzustellen waren.
Zahlreiche Studien haben sich in den letzten Jahren mit der Bedeutung der Gelenkmineralisation befasst, wobei insbesondere die Bedeutung für die Arthroseentwicklung und Arthroseentstehung vielfach beleuchtet worden ist. Man konnte zeigen, dass Mineralisationen im Gelenkknorpel biomechanische Veränderungen herbeiführen (Roemhildt et al. 2014), die Apoptose von Chondrozyten induzieren (Ea et al. 2009), Matrixmetalloproteinasen regulieren und Entzündungsmediatoren ausschütten (McCarthy et al. 2009). Mit derartigen Vorgängen können Degenerationen im Knorpel begünstigt werden. Den Mineralisationen wird daher eine proinflammatorische Rolle im Arthroseprozess zugesprochen.
Es bleibt aber nach wie vor unklar, ob Mineralisationen ein Resultat der Arthrosedestruktion darstellen oder ob Mineralisationen auch für die Entstehung der Arthrose eine Rolle spielen.
Weiterhin ist vorstellbar, dass die Mineralablagerungen unabhängig vom Arthroseprozess als ein Epiphänomen der Alterung anzusehen sind.
In unseren Studie konnten Verstorbene unterschiedlichen Alters (20. – 90. Lebensjahr) bezüglich Mineralisationsvorgängen in unterschiedlichen Gelenken systematisch untersucht werden. Dabei ließ sich zeigen, dass Mineralablagerungen im hyalinen Knorpel und im Faserknorpel mit einer sehr hohen Prävalenz von über 80 % systemisch in allen chondralen Strukturen auftreten. Die Mineralisation ließ sich schon bei jungen Individuen nachweisen, ohne dass lichtmikroskope Degenerationen des Gelenkknorpels vorhanden waren. Mit zunehmender Mineralmenge nahm der Grad der Knorpeldegeneration unabhängig vom Alter zu. Es lässt sich vermuten, dass Kalziumphosphatablagerungen im Knorpelgewebe einen ursächlichen Faktor in der Pathogenese der Knorpeldestruktion darstellen und möglicherweise gar eine entscheidende Rolle für die Entstehung einer Arthrose spielen. Besonders bemerkenswert erscheint uns die Beobachtung, dass Mineralisationen chondralen Gewebes als ein systemisches Geschehen aufzufassen ist und nicht allein als lokales Geschehen bei einer Arthrose.
Da in verschiedenen Studien (u. a. Fuerst et al. 2009) die höhere Menge an Mineraldepositionen auch mit höherer Schmerzhaftigkeit einherging, werden Mineraldepositionen im Gelenk möglicherweise ein therapeutisches Target darstellen, um die Schmerzhaftigkeit einer Arthrose zu beeinflussen.
Zusammenfassung
Die Chondrokalzinose ist bei der fortgeschrittenen Arthrose ein regelhaftes Phänomen. Auch in jungen, nicht arthrotisch veränderten Gelenken lassen sich chondrale Mineraldepositionen mit hoher Prävalenz nachweisen. Diese Mineralisationen entgehen in aller Regel der Detektion durch bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT und MRT. Die Häufigkeit der Chondrokalzinose wird deshalb deutlich unterschätzt. Es mehren sich die Hinweise, dass Knorpelmineralisationen für die Entstehung einer Arthrose von Bedeutung sind und im weiteren Verlauf die Arthroseentwicklung beschleunigen können.
Dr. med. Jan Hubert
Dr. med. Thelonius Hawellek
Prof. Dr. Wolfgang Rüther
Klinikum Bad Bramstedt
Klinik für Orthopädie und Orthopädische Rheumatologie