Berlin – Inwieweit müssen negative Arztbewertungen hingenommen werden? Wie kann man sich wehren? Antworten gibt BVOU-Verbandsjustitiar, Dr. Jörg Heberer.
Herr Dr. Heberer, wer darf eigentlich eine negative Bewertung in Arzt-Bewertungsportalen abgeben?
Dr. Jörg Heberer: Eine Bewertung bei einem entsprechenden Portalbetreiber ist nur vom Patienten zulässig. Nicht also beispielsweise der Nachbar, ein konkurrierender Arzt oder sonstige Dritte können solche Bewertungen zulässigerweise abgeben.
Hat der Portalbetreiber denn die Pflicht, den Beanstandungen des Arztes nachzugehen?
Heberer: Der Portalbetreiber ist verpflichtet, die Beanstandung des Arztes an den Bewertenden zu übersenden sowie den Bewertenden (also den Patienten) aufzufordern, den angeblichen Behandlungskontakt detailliert darzustellen. Ferner müsse der vermeintliche Patient vom Portalbetreiber aufgefordert werden, konkrete und möglichst umfassende Belege für den behaupteten Behandlungskontakt zu übersenden. Beispielhaft nannte hier der Bundesgerichtshof Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien. Des Weiteren sei der Betreiber sodann zur Weiterleitung der Informationen und Unterlagen an den Arzt verpflichtet.
Muss der Arzt negative Bewertungen im Internet überhaupt dulden?
Heberer: Der Arzt muss aus Sicht der Rechtsprechung in der Regel Einschränkungen seines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, insbesondere wenn nur die Sozialsphäre durch die Bewertung betroffen ist. Die Bewertung der beruflichen Tätigkeit zählt zur Sozialsphäre, also zu einem Bereich, in dem sich aus Sicht der Rechtsprechung die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht.
So lange durch die Bewertung für den Arzt keine gravierenden Folgen wie Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung zu befürchten sind, sind negative Sanktionen bei allein die Sozialsphäre betreffenden Äußerungen nach einheitlicher Rechtsprechung leider nicht zulässig.
Ferner sieht die Rechtsprechung ein generelles öffentliches Interesse der Patienten, die Bewertung anderer Patienten zu erfahren, nachdem sich das Angebot der beruflichen, ärztlichen Dienstleistungen an jedermann richte.
Sofern solch ein besonderes öffentliches Interesse besteht, muss sogar leider eine möglicherweise polemische oder überspitzte Kritik aufgrund der höchst richterlichen Rechtsprechung hingenommen werden.
Angenommen, man erhält solch eine Bewertung: Gegen wen und auf welche Weise sollte ein betroffener Arzt vorgehen?
Heberer: Der betroffene Arzt muss sich bei Beanstandungen einer Bewertung an den Portalbetreiber richten. Gegen den Patienten selbst kann sich regelmäßig ein solcher Anspruch nicht richten, ganz abgesehen davon, dass der betroffene Arzt regelmäßig keine positive Kenntnis von der Person des Bewertenden haben wird.
Die kostengünstigste Lösung für den Arzt ist, wenn er zunächst selbst eine Überprüfung durch den Portalbetreiber beantragt. Dazu gibt es regelmäßig unter der Bewertung ein Feld „Problem melden“, worin sodann der Sachverhalt aus Sicht des betroffenen Arztes dargelegt werden kann. Hierbei sollte der Arzt die objektiv nachprüfbaren Falschbehauptungen aufführen und darstellen, dass die Behauptungen den tatsächlichen Gegebenheiten objektiv nachprüfbar widersprechen. Er sollte daher beantragen, dass die Bewertung (möglicherweise nebst Notenbewertung) vollständig gelöscht wird.
Auch könnte der betroffene Arzt selbst die Bewertung des Patienten kommentieren.
Schließlich besteht natürlich auch die Möglichkeit, über einen Rechtsanwalt den Betreiber zur Entfernung der Bewertung auffordern zu lassen, wodurch selbstverständlich Kosten verursacht werden, die möglicherweise nicht erstattet werden.
Herr Dr. Jörg Heberer, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno, Presse BVOU.