Berlin – Am 1. April sind diverse Neuerungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) in Kraft getreten, die auch für Fachärzte in Orthopädie und Unfallchirurgie relevant sind. Die wichtigsten Änderungen und neuen Gebührenordnungspositionen (GOP), die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband beschlossen wurden, finden sich hier im Überblick.
Neue Regelungen zum Notfall- und Bereitschaftsdienst
Laut KBV erhalten Ärzte im Notfall- und Bereitschaftsdienst für besonders schwere und aufwändige Fälle seit dem 1. April eine höhere Vergütung. So gibt es für Fälle mit erhöhtem Behandlungsaufwand nun zwei Schweregradzuschläge: einen für Patienten mit schwerwiegenden Behandlungsdiagnosen (Tag: GOP 01223, Bewertung: 13,48 Euro (128 Punkte); Nacht/Feiertage: GOP 01224, Bewertung: 20,53 Euro (195 Punkte)) und einen für Patienten mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit (GOP 01226, Bewertung: 9,48 Euro (90 Punkte)). Beide Zuschläge werden zu den Notfallpauschalen (GOP 01210 bzw. 01212) gezahlt.
Neu ist außerdem eine Abklärungspauschale für Patienten, die keine dringende Behandlung benötigen (Tag: GOP 01205, Bewertung: 4,74 Euro (45 Punkte); Nacht/Feiertage: GOP 01207, Bewertung: 8,42 Euro (80 Punkte)). Diese kann abgerechnet werden, wenn sich herausstellt, dass ein Patient keine Notfallbehandlung benötigt, sondern in der normalen Sprechstunde versorgt werden kann.
Krankenhausdirektoren kritisieren Abklärungspauschale
Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) hat diese Neuregelung scharf kritisiert. „Patienten, bei denen – dem Anschein nach – eine reguläre ambulante Behandlung genügt, sollen sofort und ohne gründliche Untersuchung an einen niedergelassenen Arzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen werden. Für die Blitzabklärung sind rund zwei Minuten kalkuliert. Mehr jedenfalls wird dem Krankenhaus nicht vergütet“, so ihre Erläuterung in einer Pressemitteilung.
„In so kurzer Zeit kann ein Patient doch dem Arzt kaum seine Beschwerden schildern. Soll der Mediziner in der Notaufnahme nur kurz mal die Stirn fühlen und dann entscheiden?“ kritisierte VKD-Präsident Dr. Josef Düllings. Ein älterer Mensch habe zum Beispiel meist mehrere Krankheiten, die mit in Betracht gezogen werden müssten. Und was passiere, wenn ein niedergelassener Arzt keine Sprechstunde habe und die Bereitschaftspraxis ebenfalls geschlossen sei oder weit entfernt liegt? Keine ungewöhnliche Situation, vor allem in ländlichen Regionen.
KV-Vorstand: Patientensteuerung ist das Problem
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen, Frank Dastych, hatte zu den neuen Ziffern beim DRG-Forum in Berlin Ende März Stellung genommen. Die neuen Ziffern seien kein Entgelt, wenn man den Patienten untersuchen müsse, sagte er. Sie seien nur gedacht als Vergütung, wenn ein Patient zu einem Mitarbeiter in der Notaufnahme etwa sage, er habe Rückenschmerzen und habe es nicht mehr zum Hausarzt geschafft. „Dann muss auch einmal die Message her, dass man nein sagen muss und sagen: Gehen Sie morgen oder am nächsten Werktag zum Hausarzt.“
Dastych räumte aber Schwierigkeiten mit der Notfallversorgung und ihrer Bezahlung für alle Beteiligten ein. Es sei das Beste, wenn KVen und Kliniken intelligente Kooperationsformen fänden, befand er: „Wir haben beide das zentrale gleiche Problem: Patientensteuerung. Zwar ist Deutschland eines der komplexesten regulierten Gesundheitswesen. Das einzige, was hier gar nicht reguliert ist, ist das Patientenverhalten.“ Man müsse aber gemeinsam Patienten steuern.
Neue telemedizinische Leistungen: Telekonsile und Videosprechstunde
Weiterhin wurden zum 1. April erstmals zwei telemedizinische Leistungen in die Regelversorgung aufgenommen: Telekonsile zwischen Ärzten bei der Befundbeurteilung von Röntgen- und CT-Aufnahmen sowie Online-Videosprechstunden. Hintergrund ist das E-Health-Gesetz, mit dem die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben werden soll. Die technischen Anforderungen für beide Verfahren haben KBV und GKV-Spitzenverband in den Anlagen 31a und 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte festgehalten.
Vergütung von Telekonsilen
Für die Abrechnung der Telekonsile gibt es künftig vier neue GOP. Das Einholen einer telekonsiliarischen Befundbeurteilung von Röntgen- und/oder CT-Aufnahmen rechnen Ärzte über die GOP 34800 ab, sie erhalten dafür 9,58 Euro (Bewertung: 91 Punkte). Die Beauftragung wird für maximal 3,75 Prozent der Behandlungsfälle einer Praxis vergütet, in denen mindestens eine Röntgen- oder CT-Aufnahme berechnet wurde, für die ein Telekonsil grundsätzlich in Frage käme.
Für die Befundung der Aufnahmen werden drei neue GOP in den EBM eingeführt: eine für Röntgenaufnahmen (GOP 34810, Bewertung: 11,58 Euro (110 Punkte)) und zwei für CT-Aufnahmen (GOP 34820, Bewertung: 29,06 Euro (276 Punkte); sowie GOP 34821, Bewertung: 40,96 Euro (389 Punkte)). Die Finanzierung erfolgt extrabudgetär.
Ärzte können Telekonsile durchführen, wenn die medizinische Fragestellung nicht in das Fachgebiet des Arztes fällt, der das Telekonsil einholt. Auch bei Vorliegen einer besonders komplexen medizinischen Fragestellung, die eine telekonsiliarische Zweitbefundung erforderlich macht, ist eine Abrechnung möglich. Nicht berechnet werden können diese Leistungen innerhalb von Medizinischen Versorgungszentren, Apparategemeinschaften und ähnlichen Einrichtungen sowie im Rahmen des Mammographie-Screening-Programms.
Vergütung der Videosprechstunde
Laut den Beschlüssen von KBV und GKV-Spitzenverband sind sowohl Orthopäden als auch Chirurgen und Fachärzte für physikalische und rehabilitative Medizin berechtigt, Videosprechstunden durchzuführen und abzurechnen. Zur Deckung der Kosten für die notwendige Hard- und Software gibt es einen Technikzuschlag von 4,21 Euro (GOP 01450, Bewertung: 40 Punkte), der extrabudgetär vergütet wird. Dieser wird für bis zu 50 Videosprechstunden im Quartal gezahlt, auch mehrmals im Behandlungsfall.
Darüber hinaus können Ärzte für Fälle, bei denen der Patient in einem Quartal nicht die Praxis aufsucht und die Videosprechstunde die persönliche Vorstellung in der Praxis ersetzt, die neue GOP 01439 abrechnen. Diese ist mit 88 Punkten (9,27 Euro) bewertet und kann einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden, wenn der Patient in den vorangegangenen zwei Quartalen mindestens einmal in der Praxis persönlich vorstellig geworden ist und die Verlaufskontrolle durch dieselbe Praxis erfolgt wie die Erstbegutachtung.
Außerdem wurde vereinbart, dass für eine Reihe von Gebührenordnungspositionen, die mindestens drei persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall voraussetzen, einer dieser Kontakte auch im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden kann. Dies gilt unter anderem für die Behandlung von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Zu den Indikationen, bei denen die Videosprechstunde vergütet wird, zählen laut Bewertungsausschuss unter anderem visuelle Verlaufskontrollen von Operationswunden sowie von Bewegungseinschränkungen und -störungen des Stütz- und Bewegungsapparates.
Auch an diesen neuen GOP gab es Kritik. Viele Fachleute halten sie für viel zu niedrig angesetzt. Außerdem gibt es ihrer Meinung nach bei der verwendbaren Technik zu wenig Auswahl für Ärztinnen und Ärzte.
Anhang 2 an neue OPS-Version angepasst
Darüber hinaus wurde der Anhang 2 des EBM zum 1. April an die aktuelle Version des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) angepasst. Es wurden Textkorrekturen, Ergänzungen und Anpassungen vorgenommen sowie einige bestehende OPS-Kodes gestrichen und neue aufgenommen. Die wichtigsten Änderungen, die sich daraus unter anderem für die Abrechnung von Eingriffen an den Bewegungsorganen ergeben, hat die KBV in einer Präsentation zusammengestellt.