Das Junge Forum O und U (JFOU) ist ein Referat des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) und ein Gremium der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Es wurde eine Nachfolge für das zum 1. Juli 2024 ausscheidende Leitungsteam von Dr. Annika Hättich, Dr. Marit Herbolzheimer und Dr. Marie Samland gewählt. Das sind sie:
In Kürze: Stellen Sie sich doch einmal vor und sagen Sie etwas über Ihre bisherige Erfahrung im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Sarah Lif Keller: Ich bin 35 Jahre alt, Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie und Zusatzweiterbildung Notfallmedizin. Nach meinem Studium in Freiburg hatte ich meine erste Stelle in einem kleinen Haus in Bonn (St. Josef Hospital Beuel). Von dort wechselte ich 2018 ans Städtische Klinikum Karlsruhe, wo ich seither geblieben bin.
Richard Trauth: Ich bin 34 Jahre alt, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und aktuell arbeite ich in der Hessing Klinik in Augsburg, einer orthopädischen Fachklinik. Zuvor habe ich nach meinem Studium in Mannheim/Heidelberg meine Erfahrungen an der Uniklinik in München, einem kirchlichen Haus mit Schwerpunkt Unfallchirurgie und einer weiteren orthopädischen Fachklinik gesammelt.
David Ullmann: Ich bin 28 Jahre alt und Arzt in Weiterbildung. Seit zwei Jahren bin ich am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum tätig und lege damit meinen Schwerpunkt auf die Unfallchirurgie. Im Studium lag mein Schwerpunkt zunächst auf der Orthopädie durch Famulatur/ PJ. Mit dem Berufsstart hat mich die Traumatologie insbesondere durch die Frakturversorgung komplexer Brüche in den Bann gezogen.
Warum haben Sie sich für dieses schöne Fach entschieden?
Keller: Ich mag das lösungsorientierte Arbeiten in unserem Fach. Wir „heilen“ Menschen oft – verwalten seltener nur die Krankheiten. Zudem mag ich das Arbeiten am Patienten, bei dem man sein Fingerspitzengefühl und seine handwerklichen Fähigkeiten weiterentwickeln kann.
Trauth: An der Orthopädie und Unfallchirurgie fasziniert mich das extrem weite Spektrum. Es gibt fast alles: von operativ bis konservativ, Gelenke zum Anpacken oder doch eher die Lupenbrille, Rheumatologie, Neurologie, Osteologie, das breite Feld der Bildgebung sowie von der Ruhe eines Gutachtens oder der Forschung bis zum Nervenkitzel eines Polytraumas ist alles dabei. Jeder findet hier seinen Platz!
Ullmann: Die endgültige Entscheidung zur Orthopädie und Unfallchirurgie ist erst zum Ende des Studiums gefallen. Nach acht Monaten chirurgischer Tätigkeit im Praktischen Jahr fehlte mir im Tertial Innere Medizin jedoch die handwerkliche Arbeit im OP. Daher entschied ich mich Chirurg zu werden.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für die Leitung des Jungen Forums O und U zu bewerben?
Keller: Die Arbeit im JFOU empfinde ich als Befreiung. In der Arbeit läuft ja nicht immer alles ideal, man fängt an sich zu beschweren, aber keiner ändert wirklich was. So motivierte und gleichgesinnte Menschen wie beim JFOU zu treffen, hat eine befreiende und unglaublich motivierende Wirkung. Endlich ist man nicht mehr alleine und bewegt etwas zusammen! Dafür lohnt es sich zu arbeiten und in der Konsequenz auch mehr Verantwortung zu übernehmen als Leitung.
Trauth: Es ist der Teamspirit, der einen beflügelt. Die gemeinsame Idee, etwas bewegen zu können, unsere Zukunft zu gestalten. Sich unter gleich gesinnten motivierten Kollegen auszutauschen und nun in der Funktion als Leitung selbst die Verantwortung zu übernehmen, den Erfolg des Jungen Forums aufrechtzuerhalten.
Ullmann: Bereits im Studium habe ich gemerkt, wie wichtig Mentoring in der medizinischen Karriere ist. Nicht jeder hat den Vorteil aus einer Medizinerfamilie zu stammen oder Bekannte in dem Berufsfeld zu kennen. Ich sehe das Junge Forum O und U als genau diesen Ausgleich für KollegInnen, die ein solches Umfeld nicht haben.
In unseren letzten Umfragen hat sich gezeigt, dass das Junge Forum O und U unter unserem Nachwuchs gar nicht mal so bekannt ist. Für die Verbesserung eben dieser Voraussetzungen und die damit einhergehende Aufgabenerfüllung auch zur Stärkung unseres Faches bin ich angetreten.
Wie planen Sie, das Junge Forum O und U weiterzuentwickeln und die Interessen der jungen Mediziner in der BVOU und DGOU zu vertreten?
Keller: Wir sind in unseren Sektionen schon sehr breit aufgestellt und haben viele Projekte am Laufen. Diese weiterzuentwickeln und zu halten, ist schonmal die größte Aufgabe. Neue kommen dann ja immer wieder auf uns zu und an uns heran.
Da es aktuell Nachwuchsmangel in allen Bereichen der Medizin gibt, ist es natürlich von besonderem Interesse, was die Jungen dazu zu sagen zu haben und wie man so mehr junge Menschen für unser Fach begeistern und gewinnen kann. Wir werden also gehört und einbezogen wie viele vor uns nicht. Das wollen wir nutzen, um die Bedingungen für unsere Arbeit und Weiterbildung so weit wie möglich zum Positiven zu verändern.
Trauth: Als Leitung obliegen uns meiner Meinung nach zwei wesentliche Aufgaben. Zum einen haben wir zwar im Verbund des Jungen Forums die Meinungen der jungen Ärzte in Orthopädie und Unfallchirurgie zu vertreten und sollten langfristig hierdurch einen Mehrwert für alle erreichen. Zum anderen sind wir ein starkes Team aus vielschichtigen und leistungsstarken Individuen, die jeweils ihre eigene Erfahrung, Expertise und Motivation mitbringen. Dieses Wissen und Motivation gilt es zu koordinieren und zu bündeln, um gemeinsam mehr und das Richtige zu erreichen.
Ullmann: Digitalisierung ist auch hier ein wichtiger Begriff. Das Junge Forum muss noch digitaler und gleichzeitig präsenter beim Nachwuchs werden. Gemeinsame Interessen der jungen und alten Generation müssen bewusst gemacht und gemeinsame Projekte gestärkt werden. Dafür setzte ich mich ein.
Welche konkreten Projekte oder Veranstaltungen haben Sie für die nächste Zeit geplant, um die Vernetzung und den Austausch unter jungen Orthopäden und Unfallchirurgen zu fördern?
Keller: Aktuell sind wir in der Planung des DKOU 2024 eingebunden, wo wir 2 Sitzungen planen (BP 19 und 20) und auch unsere Ausschusssitzung am Donnerstag abhalten. Alle Interessierten sind hierzu gerne eingeladen.
Zudem wollen wir unsere Präsenz in den sozialen Medien weiter ausbauen, damit wir für junge KollegInnen sichtbarer werden.
Trauth: Es existieren bereits viele etablierte Projekte und Veranstaltungen, die den Austausch und die Vernetzung fördern. Noch mehr Veranstaltungen in die wenige Freizeit von jungen Ärzten zu packen, wird das Ziel verfehlen. Es gilt, die vorhandenen Veranstaltungen sinnvoll zu nutzen und die Projekte gerade auch in der digitalen Welt auszubauen. Wir wollen Informationen schneller und einfacher zur Verfügung stellen und die Mitwirkung an Projekten niederschwellig für alle aktiven Mitglieder zugängig machen, damit wir das volle Potenzial ausschöpfen können.
Ullmann: Wenn man Kolleginnen und Kollegen fragt, ist die Zeit stets der begrenzende Faktor für Projekte, Vernetzung und Austausch. Daher macht es wenig Sinn, neue Projekte auf dem Weg zu bringen. Stattdessen ist es logischer und zielführender, aktuelle Projekte auszubauen und attraktiver zu gestalten sowie die Bekanntheit dieser zu fördern.
In den letzten Umfragen von uns hat sich diese Einschätzung bestätigt.
Wie möchten Sie die Mitglieder des Jungen Forums O und U dazu ermutigen, sich aktiv an Verbandsaktivitäten zu beteiligen und sich für ihre Belange einzusetzen?
Keller: Das schöne ist, dass wir die Mitglieder des Jungen Forums kaum motivieren müssen, weil eigentlich alle von uns sehr motiviert sind und sich aktiv an unseren Projekten beteiligen. Wir versuchen aber noch weitere Motivierte zu finden und sie zum Jungen Forum einzuladen, dass wir noch mehr umsetzen und bewirken können.
Trauth: Das Junge Forum ist komplett freiwillig und ehrenamtlich. Somit sind die Mitglieder glücklicherweise bereits jetzt hoch motiviert. Das herausfordernde Ziel ist somit eher, die Motivation langfristig zu erhalten. Durch einen digitalen Brückenbau über ganz Deutschland und teilweise über Landesgrenzen hinweg können die Interessierten trotz großer Entfernungen niederschwellig miteinander an Projekten arbeiten. Somit hoffen wir die eine oder den anderen zu mehr Mitarbeit zu animieren. Denn der Wille mitzumachen, war schon mit der Anmeldung beim Jungen Forum da. Diesen Willen dann in Taten umzuwandeln, wird unsere Herausforderung.
Ullmann: Ich bin der Überzeugung, dass der Wille zur Verbandsarbeit bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem JFOU sehr stark ist. Dies erlebe ich bei jedem einzelnen Treffen und Projekt. Dies bedarf keiner zusätzlicher Ermutigung. Limitierend ist eher die Zeit für dieses Ehrenamt, die uns zur Verfügung steht. Daher ist es umso wichtiger neue Mitglieder zu gewinnen.
Welche digitalen Tools und Plattformen planen Sie einzusetzen, um die Vernetzung und den Wissensaustausch unter jungen Medizinern zu erleichtern?
Keller: Unsere Kommunikation läuft hauptsächlich über Whatsapp und Mail. Um mehr Reichweite zu haben, wollen wir die schon vorhandenen sozialen Plattformen mehr bespielen und über unsere Aktivitäten auf z.B, Instagram und LinkedIn mehr informieren.
Trauth: Wir nutzen aktuell bereits neben der Webseite, wissenschaftlichen Zeitschriften, E-Mail, WhatsApp, Facebook, Instagram und LinkedIn schon Wissensplattformen wie Winglet, Podcasts und Medizin2Go. Um die digitale Transformation unserer Generation umzusetzen und nicht nur analoge Prozesse zu digitalisieren, sind wir aktuell bereits dabei eine für alle Mitglieder online nutzbare Literaturdatenbank, Mediensammlung und eine Mitmachplattform auf Basis von vom BVOU gestellten Microsoft Teams zu etablieren.
Ullmann: Das Junge Forum O und U ist in der Basis bereits sehr gut aufgestellt. Von unserer Internetseite, über Winglet, Podcasts, Instagram, WhatsApp, LinkedIn und Facebook bis hin zu regelmäßigen Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften und im persönlichen Austausch auf Kongressen und Seminaren ist das Junge Forum O und U breit präsent. Des Weiteren arbeiten wir weiter an der internen Verknüpfung und Digitalisierung von Arbeitsabläufen. Dies aktuell u.a. durch den Ausbau der durch den BVOU bereitgestellten Möglichkeiten mit Mikrosoft Teams. Ergänzend hierzu ist die Aufstellung einer eigenen Bibliothek und Mediathek in Arbeit.
Auf welche Weise planen Sie, die berufliche Weiterentwicklung und Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Mediziner in der Orthopädie und Unfallchirurgie zu verbessern?
Keller: In Anbetracht der sich ändernden Krankenhauslandschaft mit einer Zunahme ambulanter Eingriffe und weiteren Änderungen durch die Krankenhausreform besteht aktuell eine große Not, die Weiterbildung hierbei nicht zu vergessen. Wir wollen hierbei für alle KollegInnen nach uns ein sinnvolles Konzept mitgestalten, dass eine umfassende breit aufgestellte Facharztweiterbildung weiterhin möglich ist. Es darf nicht an den jungen AssistentInnen hängen bleiben, sich die Weiterbildung mühsam zusammenstückeln zu müssen.
Trauth: Da wir nicht direkt in entscheidenden Gremien für die Weiterbildung sitzen, jedoch mittlerweile von vielen Gremien Gehör geschenkt bekommen, wird unsere Hauptaufgabe in der Informationsvermittlung auf allen Ebenen sein. Einmal die Information der jungen Ärzteschaft, damit sie die Möglichkeiten und ihre Rechte kennen. Andererseits auch die Information der Weiterbilder zu den Wünschen und Sorgen der jungen Ärzte, zu Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Weiterbildung oder auch die Vorstellung von Konzepten außerhalb der aktuellen Norm, wie z. B. dem Teilschrittekonzept.
Ullmann: Ich sehe unsere primäre Aufgabe darin, angehende und junge KollegInnen in der beruflichen Weiterentwicklung und Weiterbildung zu unterstützen, beraten und ihre Anregungen zu Verbesserungsmöglichkeiten zu transportieren. Sowohl über die DGOU als auch den BVOU haben wir die Möglichkeit, im Sinne der zukünftigen Orthopäden und Unfallchirurgen Projekte zu initiieren sowie Schwerpunkte zu setzen.
Wie möchten Sie das Junge Forum O und U nutzen, um innovative Forschungsprojekte und Studien bei jungen Medizinern zu fördern und zu unterstützen?
Keller: Wir haben hierfür eine eigene Sektion Wissenschaft, wo man sich Informationen zu wissenschaftlichem Arbeiten zum Beispiel in Form unserer Checklisten beschaffen kann oder an Projekten mitarbeiten kann. Zudem ist im direkten Austausch eine Vernetzung über ganz Deutschland hinweg möglich, was ungemein hilfreich sein kann.
Trauth: Erfolg ist neben einer gewissen Expertise und Motivation oft das Ergebnis von Zufall, Glück und den richtigen Unterstützern. Gerade letzteres zeichnet den Werdegang eines Menschen oft stärker, als man auf den ersten Blick denkt. Als Junges Forum verfügen wir über ein großes Netzwerk und können die richtigen Kollegen sowie passende Förderprogramme bzw. Stipendien zusammenbringen, damit aus guten Ideen auch erfolgreiche Projekte werden und nicht nur verblassende Träume.
Ullmann: Beruflicher Erfolg in der Forschung ist immer ein Zusammenwirken von Glück, Zufällen und Unterstützung durch Kollegen. Das Junge Forum O und U bietet sowohl die Möglichkeit zur Vernetzung und Anregung von Forschungsprojekten als auch zur Anregung der Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung.
Auf welche gesundheitspolitischen Themen und Herausforderungen werden Sie den Fokus legen, um die Interessen junger Mediziner in der Orthopädie und Unfallchirurgie zu vertreten?
Keller: Wie oben schon genannt sind die Themen mit direktem Bezug zur Alltagswirklichkeit der Weiterzubildenden aktuell unser Hauptfokus: Die Krankenhausreform und zunehmende Ambulantisierung.
Trauth: Ein Hauptkritikpunkt der jungen Ärzte, den man regelmäßig zu hören bekommt, ist die mangelnde Weiterbildung. Oft bestehen keine Strukturen in den Klinken und Weiterbildung ist eher ein Zufallsprodukt des Arbeitsalltags. Die Weiterbildung erstickt in Bürokratie und Arbeitsverdichtung. Eine Lösung hierfür zu finden, ist sicherlich bei der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklung kein einfaches Unterfangen. Es wäre mir jedoch eine Herzensangelegenheit, die Weiterbildung für jeden, egal ob jung oder alt, Frau oder Mann, in Vollzeit oder Teilzeit, wieder effizienter, nachhaltiger und attraktiver zu gestalten. Denn auch ich möchte eines Tages von fähigen, gut ausgebildeten Ärzten behandelt werden, wenn es so weit ist …
Ullmann: Im Rahmen der Gesundheitsreform ist insbesondere aufgrund der Ambulantisierung der Erhalt einer guten Weiterbildung in unserem Fach besonders wichtig. Hierzu wollen wir Möglichkeiten aufzeigen und haben in diesem Jahr bereits mit anderen Verbänden ein erstes gemeinsames Positionspapier erarbeitet und veröffentlicht. Diesen Weg wollen wir für den Erhalt einer guten Weiterbildung in unserem Fach weiter gemeinsam verfolgen.
Wie planen Sie, die internationale Vernetzung und den Austausch von Wissen mit anderen jungen Medizinern im Ausland zu fördern und auszubauen?
Keller: Ich selbst bin als Leitung der Sektion Internationale Zusammenarbeit für die Zusammenarbeit mit ESTES tätig. Hier wurde von meinen Vorgängerinnen letztes Jahr die Young ESTES mitgegründet. Für die Organisation und Gestaltung des Jahreskongresses (diese Jahr ECTES Lissabon) findet hier eine spannende Zusammenarbeit und Austausch statt.
Vielen Dank für das Interview und eine erfolgreiche Zeit.
Das Gespräch führte Janosch Kuno, BVOU-Pressearbeit.