Frankfurt am Main – Die endoprothetische Versorgung in Deutschland hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert: Niedrige Komplikationsraten sowie eine hohe Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit bescheinigte zuletzt das kürzlich erschienene Weißbuch Gelenkersatz. Aber auch die Anforderungen und Ansprüche an Endoprothesen nehmen zu. Bei den „Aesculap Hüft- und Knietagen“ Anfang Juni in Frankfurt am Main tauschten sich 240 führende Orthopäden und Unfallchirurgen aus ganz Deutschland über die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen in dem Fachgebiet aus.
Die Themenpalette reichte von der Darstellung gelenkerhaltender Verfahren über Fragen der Patientenzufriedenheit bis hin zur Bedeutung unterschiedlicher Materialien. Der zweitägige Kongress vom 9. bis 10. Juni stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Michael Clarius, Chefarzt für Orthopädie, Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie an der Vulpius Klinik in Bad Rappenau, und Prof. Dr. Daniel Kendoff, Chefarzt des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie am HELIOS Klinikum Berlin-Buch. Organisiert wird die jährlich stattfindende Veranstaltung von B. Braun Aesculap.
Begleitend zum wissenschaftlichen Programm konnten die Gäste an Expertenforen teilnehmen und sich über spezifische Prothesensysteme informieren. Auch fachübergreifende Themen wie ökonomische und interdisziplinäre Gesichtspunkte standen auf dem Plan.
Gelenkerhaltende Verfahren
Gelenkerhaltende Verfahren sowie die Differenzierung bei der hüftendoprothetischen Versorgung waren die Schwerpunkte des von Prof. Dr. Henning Windhagen und Prof. Dr. Michael Clarius moderierten Teils. Dr. Stefan Landgraeber vom Universitätsklinikum Essen stieß mit seinen Ausführungen über „Autologe Chondrozyten Transplantation an der Hüfte“ auf großes Interesse, ist doch die Knorpelzelltherapie auf diesem Feld relativ neu.
Neue Entwicklungen in der Kurzschaftendoprothetik
Windhagen, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover, sprach über seine Erfahrungen mit dem Kurzschaft, in dem er mittlerweile einen etablierten Bestandteil eines modernen Versorgungsportfolios an Kliniken sieht. Nach mehr als zehn Jahren praktischer Erfahrung gebe es allerdings auch Entwicklungen in der Kurzschaftendoprothetik, die man anfangs nicht im Blick gehabt habe. Für Dysplasien beispielsweise sei der Kurzschaft bestens geeignet; bei Hüftkopfnekrose hingegen gebe es eine etwas höhere Komplikationsrate als im Standard-Mittel. Windhagen legte dar, dass bei der mittlerweile existierenden breiten Palette von Kurzschaft-Alternativen höchste Aufmerksamkeit geboten sei: „Die kleinsten, optisch kaum wahrnehmbaren Design-Unterschiede können erhebliche Unterschiede ausmachen.“
Nach Einschätzung von Clarius, der über „Versorgungstrategien bei der Hüftpfanne“ referierte, geht der Trend zur zementfreien Pressfit-Pfanne. Besonders gute Ergebnisse sieht Clarius bei hochvernetzten Polyethylen-Systemen mit Vitamin E, wie von Aesculap entwickelt. „Es bleibt allerdings immer eine individuelle Entscheidung, abhängig von der Anatomie des Patienten und der Erfahrung des Operateurs mit dem jeweiligen Implantat“, so Clarius.
Bedeutung unterschiedlicher Implantatmaterialien
In der Knieendoprothetik drehte es sich um Themen wie die Patientenzufriedenheit, die Anwendung von PS-Implantaten in der primären Situation sowie die Bedeutung unterschiedlicher Implantatmaterialien. Prof. Dr. Marcus Jäger, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Essen, veranschaulichte den Einfluss von Implantatmaterialien aus der Sicht des Anwenders. Dipl.-Ing. Martin Hintner vom Testlabor EndoLab Thansau/Rosenheim widmete sich der Problematik aus der Sicht der Biomechanik. Prof. Dr. Peter Thomas von der Münchner Uniklinik für Dermatologie und Allergologie schilderte den Ergebnisstand seiner Forschungsgruppe zu den Auswirkungen unterschiedlicher Materialien auf die Entzündungsaktivität: Endoprothesen mit Multilayer-Beschichtung zogen diesen Resultaten zufolge deutlich weniger allergische Reaktionen nach sich als Kobalt-Chrom-Implantate.
Infektionsbekämpfung bei endoprothetischen Eingriffen
Über Möglichkeiten der Risikominimierung von Infektionen bei endoprothetischen Eingriffen berichtete Prof. Dr. Rudolf Ascherl, Chefarzt der Klinik für spezielle Chirurgie und Endoprothetik am Krankenhaus Tirschenreuth. „Resistente Keime haften sich gerne an die Oberflächen von Hüft- und Knieprothesen und bilden einen Biofilm, wodurch eine Infektion des Knochens verursacht werden kann.“ Der Spezialist für septische Chirurgie erläuterte sein Konzept „don‘t screen, but clean“. Patienten würden angeleitet, auf ihren Hautzustand zu achten und kurz vor dem operativen Eingriff eine Reinigung mit Waschlotionen vorzunehmen. Die Patienten kämen dann in einem weitgehenden Ausmaß dekontaminiert ins Krankenhaus. Ascherl: „Das heißt, das, was wir eigentlich suchen beim Screening, sollte schon bereinigt sein, durch die Patientenvorbereitung zuhause.“
Anne Faulmann/B. Braun Melsungen AG
Bilder: B. Braun Melsungen AG