Berlin – Ist eine Rückenoperation sinnvoll – oder nicht? Damit Kolleginnen und Kollegen im Rahmen eines Zweitmeinungsverfahrens auf diese Frage sinnvolle Antworten finden können, haben die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) und der Berufsverband Deutscher Neurochirurgen (BDNC) in einer Stellungnahme notwendige Anforderungen für eine qualifizierte Zweitmeinung formuliert. Dabei stünden die körperliche Untersuchung des Patienten und die fachliche Qualifikation der um eine zweite Meinung gebetenen Ärzte im Mittelpunkt. Das erläuterten Experten auf dem 133. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) in Berlin, wie aus einer Pressemitteilung der DGCH hervorgeht.
Diskussion um Wirbelsäulen-Operationen
In den Jahren 2005 bis 2011 ist demnach die Zahl verschiedener Eingriffe an der Wirbelsäule sprunghaft angestiegen. Dies hatte eine öffentliche Debatte darüber ausgelöst, ob bei Rückenbeschwerden mitunter zu schnell oder zu umfangreich operiert wird. Für das 2014 weist das Statistische Bundesamt 285.000 Operationen im vollstationären Bereich aus, Belegkliniken nicht mitgezählt. Darunter fallen etwa Operationen zur Entfernung von ausgetretenem Bandscheibenmaterial, der Einsatz von Spreizern oder Bandscheibenprothesen und Versteifungen an der Wirbelsäule.
Ein zentraler Punkt, den ein Zweitmeinungsverfahren erfüllen müsse, sei die körperliche Untersuchung und Befragung durch den Arzt. Die Begutachtung von Röntgenbildern allein ist aus Sicht der Neurochirurgen in keinem Fall ausreichend, um eine Entscheidung für oder gegen einen Wirbelsäuleneingriff zu treffen. „Erst in der Zusammenschau von Bildgebung, Beschwerden und körperlicher Untersuchung ist ein Urteil möglich“, sagte DGNC-Vizepräsident Prof. Dr. med. Walter Stummer.
Neutrale und rasche Zweitmeinung benötigt angemessene Vergütung
Schließlich müsse die zweite Begutachtung zeitnah erfolgen, betonte der Neurochirurg. Denn schmerzgeplagten Patienten dürften keine unnötigen Behandlungsverzögerungen zugemutet werden. Ein solches System setze eine angemessene finanzielle Vergütung voraus. „Nur so kann sichergestellt werden, dass eine wirklich neutrale und zügige Einschätzung erfolgt“, erklärte die DGCH-Präsidentin Prof. Dr. med. Gabriele Schackert.
Gemeinsamer Bundesausschuss arbeitet noch an Anforderungen
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz haben Versicherte einen Rechtsanspruch erhalten, sich vor mengenanfälligen planbaren Eingriffen eine unabhängige Zweitmeinung zur medizinischen Notwendigkeit einzuholen. Zusätzliche Zweitmeinungsangebote der Krankenkassen im Rahmen von Satzungsleistungen müssen bestimmte Anforderungen erfüllen. Für beide Konstellationen muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Festlegungen treffen. Eigentlich sollte er bis Ende 2015 bereits für alle Zweitmeinungsgeber Anforderungen an Qualifikation sowie an Strukturen und Prozesse festlegen. Auch sollte bis 31. März 2016 eine eigene Abrechnungsmöglichkeit im Einheitlichen Bewertungsmaßstab geschaffen werden. Das Abstimmungsverfahren laufe aber noch, hieß es auf Anfrage im G-BA. Sabine Rieser