Berlin – Es geht nicht um Peanuts, sondern um Milliardenbeiträge: Rund ein Drittel der sogenannten Auffangversicherten zahlt keine Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Über mehrere Jahre hat dies zu einem Fehlbetrag von mehr als zehn Milliarden Euro geführt. Zum Vergleich: Das Bundesfamilienministerium hatte zuletzt einen Jahresetat von 9,2 Milliarden Euro. Auf dieses Problem wies kürzlich Prof. Rainer Schlegel hin, Präsident des Bundessozialgerichts. Er war einer der Referenten bei der wissenschaftlichen Tagung „Zwischen den Säulen – Grenzfragen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung“ des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht.
Hintergrund: 2007 wurde per Gesetz eine Krankenversicherungspflicht für alle eingeführt. Sogenannte Auffangversicherte sind Menschen, die bis dahin keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten und nicht freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung abgesichert waren. Sie wurden bei einer Mitgliedschaft in der GKV zur Beitragszahlung und auch zu Zinszahlungen verpflichtet, wenn sie säumig sind.
Theoretisch können die Krankenkassen den Versicherungsschutz von dauerhaft säumigen Zahlern auf ein Minimum reduzieren, nämlich auf den von Notfallbehandlungen. Darauf verwies bei der Tagung Nico Schumann, Fachbereichsleiter Zahlungsverkehrskonten/Vollstreckung bei der Betriebskrankenkasse BKK VBU. Doch dies erfordert nach seinen Worten umfangreiche Vorprüfungen. Außerdem können nach seinen Worten behandelnde Ärztinnen und Ärzte beim Einlesen der Krankenversichertenkarte nicht erkennen, dass ein Patient nur als Notfall behandelt werden darf.
Der Präsident des Bundessozialgerichts kritisierte im Zusammenhang mit den Milliardenschulden den Gesetzgeber: Wer Beitragspflicht vorschreibt, hat sich seiner Überzeugung nach auch darum zu kümmern, woher das Geld kommen soll – und zur Not einzuspringen. Es könne nicht sein, dass hier ein Sonderopfer aller GKV-Versicherten verlangt werde, so Schlegel. Dieser Hinweis ist aus seiner Sicht relevant, weil es Überlegungen gibt, auch eine Rentenversicherungspflicht für alle einzuführen. Dass auch die privaten Krankenversicherungen unter Nichtzahlern leiden, die sich nach der Gesetzesänderung versichern mussten, wurde ebenfalls angesprochen.