In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass der Frauenanteil an Niederlassungen in eigener Praxis zunimmt. Diese Zahl ist jedoch unproportional niedrig im Vergleich zu dem Anteil der Frauen, die ein Studium in O & U absolvieren oder als Orthopädin und Unfallchirurgin angestellt sind. Dr. Anna Katharina Doepfer ist in Hamburg niedergelassen. Im Interview mit Janosch Kuno (BVOU-Pressearbeit) erläutert die Mutter und BVOU-Vorstandsmitglied, was sie zu der Entscheidung bewogen hat und wie sich Berufs und Familienleben vereinbaren lassen.
Frau Dr. Doepfer, Sie sind Orthopädin und Unfallchirurgin und arbeiten in einer Praxis mit weiteren Kollegen. Was waren Ihre Beweggründe für die Niederlassung?
Dr. Anna-Katharina Doepfer: Es gab dafür viele Gründe, aber einer der wichtigsten Gründe war die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Patienten. Ich kann in der Niederlassung einen Patienten durch die verschiedenen Lebensphasen und Problemsituationen begleiten und sehe ihn nicht „nur mal kurz“ in einer Klinik-Sprechstunde. Ein anderer sehr wichtiger Grund war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit eine gewisse Flexibilität in der Alltagsgestaltung. Ein selbstbestimmtes Arbeiten im Team macht mir jeden Tag Spaß. Auch wenn die „Freiberuflichkeit“ durch viele Regularien eingeschränkt ist.
Im Studium des Faches O & U lernt man viel über den Bewegungsapparat, aber wenige über erfolgreiche Praxisführung. Wo eignet man sich dieses Wissen an?
Dr. Doepfer: Das ist ein wichtiger Punkt, der einen größeren Stellenwert in unserer Aus- und Weiterbildung haben sollte. Ich persönlich hatte das Glück, vor allem einen Mentor zu haben, der mich in die Praxisführung hat reinwachsen lassen. Dennoch ist dann die Praxis-übernahme ein kleiner Sprung ins kalte Wasser gewesen – wenn auch in meinem Fall ein sehr kleiner (lacht).
Es gibt mittlerweile viele Kurse und Seminare zum Thema Praxisführung. Sich hier Informationen zu holen ist wichtig und sinnvoll. Auch bieten viele Kollegen Hospitationen an, bei denen man sehr viel für seine mögliche Praxis lernen kann.
Dr. Doepfer: Insgesamt ist die konservative Orthopädie und Unfallchirurgie, welche oft in der Praxis stattfindet, in der neuen Weiterbildungsordnung besser verankert. Dadurch kann man auch schon frühzeitig einen Einblick in die Niederlassung erhalten.
Die perfekte Arztpraxis: Ein Ort, an dem Sie sich Tag für Tag auf Ihre Arbeit freuen. In dem sich Patienten und das Team wohlfühlen. Der Ihnen Behandlung auf höchstem medizinischem Niveau ermöglicht. Was ist aus Ihrer Sicht das A und O, damit diese Punkte im Einklang zueinander sind?
Dr. Doepfer: Ich habe das Glück, in einem fantastischen Team arbeiten zu dürfen. Das merken auch unsere Patienten und kommen gerne zu uns. Eine gute Medizin kann nur in Zusammenarbeit mit den Patienten erfolgen, was jeden Tag unser Ziel ist.
Leider ist die GOÄ seit 30 Jahren nicht aktualisiert und auch der EBM nur mäßig angepasst worden. Die Medizin hat sich aber weiterentwickelt und wir behandeln unsere Patienten zum Glück nicht mit der Medizin von vor 30 Jahren. Es wäre schön, wenn die Politik das erkennen und wertschätzen würde.
„Wenn man versucht, sich als Arzt nieder-zulassen, ist es als wollte man ein Haifischbecken durchschwimmen.“ Wie stehen Sie zu dieser Behauptung?
Dr. Doepfer: Natürlich ist die Niederlassung ein Haifischbecken, denn es wird mit unterschiedlichen Waffen gekämpft. Es gibt mittlerweile einige Praxen, die als MVZ von einem Konzern geführt wer-den. Deren Möglichkeiten – nicht nur finanziell – sind deutlich anders als die einer einzelnen Person oder einer kleinen Berufsausübungsgesellschaft. Als freiberufliche Fachärztin muss ich mir zum Beispiel jede Investition sehr gut überlegen und ich spüre jede Veränderung in meiner KV-Abrechnung direkt.
Auch gibt es je nach Niederlassungs-Ort die Konkurrenz der Kolleginnen und Kollegen. Ich habe für mich entschieden, mich anhand meiner Interessen zu spezialisieren. Damit kann ich mit viel Fachwissen, Engagement und Spaß meinen Job machen und mich so im Haifischbecken behaupten.
Eigene Praxis, berufspolitisches Engagement und Familienleben – wie schaffen Sie es, das unter einen Hut zu bringen?
Dr. Doepfer: Es ist ein täglicher Spagat, der einem mal besser und mal weniger gelingt. Durch die enorme Unterstützung durch meinen Mann, meine Familie, meine Praxispartner und das Praxisteam schaffe ich es doch meistens, diesen Spagat stabil zu meistern. Es macht sehr viel Spaß, Dinge bewegen und im besten Fall verbessern zu können. Nur mit Engagement können wir die Orthopädie und Unfallchirurgie und letztendlich die gesamte medizinische Versorgung der Zukunft mitgestalten.
Sehen Sie die eigene Praxis noch als ein Zukunftsmodell?
Doepfer: Persönlich finde ich es enorm wichtig, die Patienten unabhängig beraten zu können und müssen. Ich möchte als Fachärztin keiner Geschäftsführung Bericht erstatten und medizinische Entscheidung rechtfertigen müssen. Ich muss abends in den Spiegel schauen können und sagen, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen behandelt habe. Bisher kann ich das – auch wenn die Politik uns leider immer mehr Steine in den Weg wirft. Die mangelnde Wertschätzung für unsere Tätigkeit tagtäglich seitens der Politik ist manchmal schon schwer zu verstehen und ertragen. Was mich dennoch jeden Tag motiviert, ist die Zusammenarbeit mit unseren Patienten und die Möglichkeit, deren Leben ein wenig besser und angenehmer zu machen.
Was raten Sie jungen Medizinerinnen, die darüber nachdenken, sich niederzulassen?
Dr. Doepfer: Wenn Sie noch in der Weiterbildung sind, machen Sie eine Rotation in die Praxis und lernen Sie so die Niederlassung kennen. Sollten Sie bereits einen Facharzt haben, hospitieren Sie bei den niedergelassenen Kollegen. Danach wissen Sie ob, wie und wo Sie sich niederlassen wollen.
Frau Dr. Doepfer, vielen Dank für das Gespräch.