Die additive Fertigung ist schon lange kein Zukunftsszenario mehr und wird in der Orthopädietechnik zur Herstellung von individuell angepassten Hilfsmitteln genutzt.
Bei rahm – Zentrum für Gesundheit und Mobilität beschäftigt man sich seit 2015 mit der Herstellung von additiv gefertigten Orthesen und kann schon jetzt auf zahlreiche erfolgreiche Versorgungen zurückblicken. Die Orthesen der rios® (Rahm individuelle Orthopädie Systeme) Produktfamilie für die obere Extremität wurden gemeinsam von Ergotherapeuten, Orthopädietechnikern und Entwicklungsingenieuren entworfen und bieten ein leichtes und atmungsaktives Design bei gleichzeitig hoher Stabilität und Funktionalität. Um diese überaus erfolgreichen Versorgungskonzepte, als state of the art etablieren zu können, hat rahm sich mit leistungsstarken Partnern zusammengetan und wird ab 2024 Hightech 3D Orthesen zusätzlich unter der Marke SMINA+ bundesweit anbieten.
Bei der Fertigung von individuellen Orthesen ist eine präzise Maßerfassung besonders wichtig. Es wird ein modernes 3D Körperscan-Verfahren (Abb. 1, Körperscan-Verfahren) eingesetzt, welches die Körpermaße berührungslos mit Hilfe eines Handscanners erfasst und anschließend in ein digitales dreidimensionales Abbild umwandelt.
Mit Hilfe einer Funktionsanalyse und Zielformulierungen zu den individuellen Optionen, agiert das interdisziplinäre Team zusammen mit dem Patienten, um zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Das Besondere im Herstellungsverfahren zeigt sich hier bei den dreidimensionalen digitalen Konstruktionsmöglichkeiten (Abb. 2, CAD). Im Vergleich zum z. B. ergotherapeutischen Schienenbau (Modellieren direkt am Patienten) oder auch zum klassischen Modellieren am Gipsabdruck in der Orthopädietechnik, sind hier innovative Gestaltungsmöglichkeiten gegeben.
Die erwähnten modernen Gestaltungsmöglichkeiten sind zum einen die werkzeuglose Einhandverstellung vieler Orthesen, welche zu einer großen Selbständigkeit des Patienten beitragen. Zusätzlich bietet sich daraus folgend die Möglichkeit, die Orthesen je nach Tagesform und Zustand der Hand individuell zu korrigieren. Therapeutische Konzepte (bspw. Aspekte der Manuellen Therapie – Distraktion auf arthrotische Gelenke, Narbenbehandlung – Verwendung von Silikon in Kombination mit Kompression und der Schmerztherapie) können in die Entwicklung der Orthese einfließen (Abb. 3, rios® RhizSpiral – Distraktion auf das CMCI).
Abgerundet wird die individuelle Versorgung durch konsequenten Leichtbau und wasserfeste Materialien bei den rios® Orthesen.
Auszug des Produktportfolios 3D gedruckter Orthesen für die obere Extremität
Die rios® RhizSpiral wurde 2019 in Zusammenarbeit von Orthopädietechnikern, Entwicklungsingenieuren und Handtherapeuten entwickelt. Die Besonderheit der Orthese, besteht in der redressierenden Wirkung auf das schmerzende CMCI der Rhizarthrose Patienten. Aufgrund des Spiralaufbaus der Orthese entsteht eine Federwirkung, die eine Distraktion auf das CMCI erwirkt. Ein zusätzlicher sensorischer Impuls an der Thenarmuskulatur, bewirkt eine Detonisierung in diesem Bereich. Eine Silikonauskleidung der Orthese, verspricht einen angenehmen Tragekomfort und verhindert ein Verrutschen der Orthese. Die ausgewählte Scanposition unterstützt den Gelenkschutz des CMCI, da weitere Scherkräfte bei Alltagssituationen vermieden werden (Abb. 3, rios® RhizSpiral).
Im Laufe der Jahre, zeigt sich, dass die rios® RhizSpiral hält, was sie verspricht. Mehrere Patientenbefragungen (im Rahmen einer Kundenbefragung intern und zweier wissenschaftlicher Arbeiten der Hochschule Trier) bringen durchweg positive Ergebnisse im Hinblick auf die Schmerzreduktion, vor allem bei Alltagstätigkeiten. Im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme 2023 durch Prof. Tobolski (Sporthomedic) zum Vergleich verschiedener Rhizarthrose- Orthesen, wurden ebenfalls positive Ergebnisse erzielt. Wesentliche Erkenntnisse sind ein signifikant verbesserter VAS – Score, eine deutliche Steigerung der Handkraft nach 12 Wochen und die Verbesserung der Gelenkposition im DVT – betreffend die Subluxation und die Gelenkspaltweite.
Eine Kontraindikation für die rios® RhizSpiral, stellt die Luxation des CMCI dar. In diesen Fällen empfiehlt sich eine SMINA+ TPU Daumenorthese (Abb. 4, SMINA+ TPU Daumen Orthese). Diese besteht aus einem weicheren Material (Thermoplastisches Polyurethan), als die RhizSpiral und kann dennoch eine gezielte Korrektur der Fehlstellung des Daumens vornehmen. Das Material ist ebenfalls wasserabweisend und kann atmungsaktiv gestaltet werden was den Einsatz der Hand im Alltag möglich macht.
Das Wirkprinzip der Distraktion wird ebenfalls bei Patienten mit Arthrose im Handgelenk eingesetzt (Abb. 5, SMINA+ Distraktion). Die Traktionsdosierung kann durch den Patienten selbst erfolgen und tagesformabhängig bestimmt werden. Aufgrund der freien Beweglichkeit von Finger und Hand, ist ein Alltagseinsatz der Orthese möglich Im Bereich der Rheumatologie wird die Kombination aus verschiedenen Materialien genutzt, sodass ein selbständiger und schmerzfreier Einstieg in die Orthese möglich ist und dennoch eine Korrektur der Fehlstellung der Finger (Ulnardeviation) durch festere Materialien gegeben ist (Abb. 6, SMINA+ UlnarM TPU)
Die Kosten für 3D gedruckten Orthesen werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.
Der Fertigungsprozess / 3D Druck
Alle 3D gedruckten Hilfsmittel werden individuell auf Grundlage des Körperscans digital modelliert und für den Patienten am Computer konstruiert. Zur Herstellung werden marktübliche 3D Druck Verfahren evaluiert, sodass ein Hilfsmittel mit dem jeweils geeignetsten hergestellt werden kann. Die verschiedenen Vor- und Nachteile der einzelnen Druckverfahren, in Kombination mit unterschiedlichen Materialien, geben eine Vielfalt an
Möglichkeiten.
Eines der am häufigsten verwendeten Verfahren ist der Selektive Lasersinterprozess (SLS). Hier wird Pulver gezielt durch einen Laser verfestigt, sodass besonders atmungsaktive Konstruktionen gefertigt werden können.1 Es entstehen orthopädische Hilfsmittel mit evidenzbasierten Versorgungskonzepten, die nicht nur eine erstklassige Funktionalität erfüllen, sondern auch ästhetischen Ansprüchen gerecht werden, welches die Compliance der Patienten positiv beeinflusst. Die verwendeten Materialien erleichtern die hygienische Handhabung und Reinigung durch den Patienten und bieten somit bei der dauerhaften Anwendung im privaten und beruflichen Alltag einen erheblichen Vorteil (Abb. 7, SIMNA+ Rhiz- Spiral).
Durch das Ausnutzen der Verfahrensvorteile und die Kombination der verschiedenen 3D Druck Verfahren, können zum derzeitigen Standpunkt, die bestmöglichen orthopädischen Hilfsmittel hergestellt werden. Diese Flexibilität, Vielfalt gepaart mit den geringen Limitationen, kombiniert mit dem interdisziplinären Team ist dabei das Erfolgsgeheimnis für gewinnbringende, moderne Patientenversorgungen in der Orthopädietechnik.
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.