Seit dem 1. Oktober 2016 hat die Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) einen neuen Vorstand, der neben vielen neuen auch ein bekanntes Gesicht enthält: Prof. Dr. Wolfgang Rüther, der die Fachgesellschaft bereits über viele Jahre begleitet, fungiert erneut als Präsident der DGORh und unterstützt seine neuen Kollegen Prof. Dr. Ralph Gaulke (Vizepräsident), Dr. Christoph Biehl (Schriftführer), Dr. Roger Scholz (Schatzmeister) und Dr. Ludwig Bause (Tagungsleiter). Im Interview berichtet Rüther von den künftigen Plänen des neuen Vorstands und den aktuellen Herausforderungen in der orthopädischen Rheumatologie.
BVOU.net: Prof. Rüther, wie gestaltet sich derzeit das Verhältnis zwischen orthopädischer und internistischer Rheumatologie?
Prof. Dr. Wolfgang Rüther: Kurz: in den Gremien reserviert und grundsatzorientiert, beim Rheumatologenkongress äußerst wertschätzend, in der Krankenversorgung vor Ort entspannt, kollegial bis freundschaftlich. Also seit 30 Jahren, die ich jetzt überblicke, nichts Neues.
Betrachtet man das Verständnis der internistischen und orthopädischen Rheumatologen von ihren Fachgebieten, so sind die Meinungen hier nicht weit auseinander. Allerdings bedurfte es dazu in den letzten Jahren einiger Klarstellungen.
BVOU.net: Welche waren das?
Rüther: Die internistischen Kollegen waren lange Zeit der Ansicht, Orthopäden seien grundsätzlich nicht dafür ausgebildet, entzündlich-rheumatische Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. Das stimmt nicht und wurde auch von verschiedenen Gremien klargestellt, unter anderem jüngst von der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Entsprechend der Weiterbildungsordnung sind Orthopäden kompetent, Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten konservativ und operativ zu behandeln. Ich denke, das wird von den internistischen Rheumatologen nicht länger ernsthaft in Frage gestellt.
BVOU.net: Wie ist die aktuelle Versorgungssituation von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in Deutschland?
Rüther: Es gibt derzeit etwa 600 internistische Rheumatologen in Deutschland. Das Memorandum der DGRh (Raspe et al. 2008) fordert für die optimale Versorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten ein Verhältnis von einem internistischen Rheumatologen auf 50.000 Menschen. An diese Relation kommen wir nur in sehr wenigen Regionen Deutschlands tatsächlich heran. Meist entspricht die Arztdichte weit weniger als der Hälfte der geforderten Zahl. Dies wird sich auch innerhalb der nächsten 20 Jahre kaum ändern lassen, da die Zahl internistischer Rheumatologen nur langsam steigt. Deshalb spielen die Orthopäden und orthopädischen Rheumatologen eine wichtige Rolle für die Sicherstellung der Versorgung.
BVOU.net: Welche Aufgaben können Orthopäden und orthopädische Rheumatologen dabei insbesondere übernehmen?
Rüther: Patienten mit Gelenkproblemen stellen sich ja zumeist beim Orthopäden vor. Er muss die entzündlich-rheumatischen Krankheiten erkennen – zumindest kann er den begründeten Verdacht erheben und eine gezielte und zügige Weiterleitung an seinen internistisch-rheumatologischen Kooperationskollegen veranlassen. Diese Vorselektion entlastet die internistischen Kollegen. Wir sind auch in der Lage, die medikamentöse Behandlung eines Patienten fortzuführen, nachdem der internistische Rheumatologe die Diagnose bestätigt und die Therapie eingeleitet hat. Orthopädische Rheumatologen mit ihren Spezialkenntnissen übernehmen die Behandlung entzündlich-rheumatischer Krankheiten auch vollständig, soweit es um die Erkrankung der Bewegungsorgane geht. Orthopäden und Unfallchirurgen und orthopädische Rheumatologen beteiligen sich also in ganz unterschiedlichem Ausmaß an der Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Krankheiten, je nach Tätigkeitsschwerpunkt der jeweiligen Praxis.
BVOU.net: Welche Ziele verfolgen Sie und der neue Vorstand in den kommenden Jahren?
Rüther: Es ist in den letzten Jahren gelungen, die Wahrnehmung der orthopädischen Rheumatologie innerhalb der Orthopädie und Unfallchirurgie deutlich zu stärken. Wir sind froh über diese Entwicklungen und darüber, dass die DGOOC, die DGU, der BVOU und alle anderen Gremien die orthopädische Rheumatologie stark unterstützen. In diesem Zusammenhang wollen wir natürlich auch, dass die schon vor längerer Zeit formulierten Inhalte der neuen Weiterbildungsordnung, die bereits die orthopädisch-unfallchirurgischen Gremien passiert haben, auch tatsächlich so von den Ärztekammern verabschiedet werden.
Die DGORh will in der Zusatzweiterbildung orthopädische Rheumatologie die nicht-operativen Inhalte gestärkt wissen. Denn ebenso wie das Mutterfach Orthopädie ist die orthopädische Rheumatologie sowohl ein konservatives als auch ein operatives Spezialgebiet. Die nicht-operative Orthopädie braucht wieder mehr fachlichen und wissenschaftlichen Glanz.
BVOU.net: Gibt es weitere Schwerpunkte für den neuen DGORh-Vorstand, gerade auch in Zusammenarbeit mit dem BVOU?
Rüther: Die organisatorische und berufsständische Trennung zwischen Niedergelassenen und Klinikern ist unglückselig. Teilweise treten sie gar konkurrierend auf. Wir müssen die Verständigung zwischen beiden Gruppen deutlich verbessern. Deshalb wollen wir die Fortbildungsangebote von DGORh und BVOU zusammenführen, die sowohl für Kliniker als auch für Niedergelassene attraktiv sind, Thema: Frühdiagnostik und Frühtherapie entzündlich-rheumatischer Krankheiten der Bewegungsorgane. Die Kursreihe RhefO (rheumatologisch fortgebildete Orthopäden) ist seit Jahren höchst erfolgreich. Es bedarf eines Kurskonzeptes für die Kollegen in Weiterbildung zum Facharzt für O&U. Wir wollen spezielle Fortbildungen entwickeln für jene Kollegen, die sich in der Weiterbildung zum orthopädischen Rheumatologen befinden.
Außerdem müssen wir uns mit dem unhaltbaren Umstand befassen, dass die Orthopäden und orthopädischen Rheumatologen in den Praxen für ihre Tätigkeit am Rheumakranken so gut wie nicht vergütet werden. Da ist Baden-Württemberg bereits ein gutes Gegenbeispiel. Hier sind Strukturverträge geschlossen worden, welche Orthopäden und orthopädische Rheumatologen in die Grundversorgung entzündlich-rheumatischer Krankheiten einbeziehen und dies auch entsprechend honorieren. Das ist beispielgebend und führt dort bereits dazu, dass die Orthopäden den entzündlich-rheumatischen Krankheiten stärkere Aufmerksamkeit schenken und Kooperationsnetze aufbauen. Das ist in meinen Augen der richtige Weg. Deshalb wollen wir solche Strukturverträge auch in anderen Bundesländern umgesetzt sehen. Es gibt dazu bereits einige gute Ansätze.
Im Rahmen des DKOU 2016 leitet Prof. Dr. Wolfgang Rüther am Dienstag, den 25. Oktober, die Sitzung des Referats Orthopädische Rheumatologie. Diese findet morgen von 16.30 Uhr bis 18.00 Uhr im Raum Dessau 3 statt.