Bad Homburg/Berlin – Osteoporose-bedingte Fragilitätsfrakturen stellen in der Orthopädie und Unfallchirurgie vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung ein zunehmendes Problem dar, wie im gemeinsamen Lunch-Symposium „Challenges in Thoraco-Lumbar Revision Spine Surgeries“ von DePuy Synthes und Lilly im Rahmen des Eurospine 2016 Anfang Oktober in Berlin deutlich wurde. In vielen Fällen folge nach wie vor auf die initiale chirurgische Frakturversorgung keine adäquate Behandlung der ursächlichen Grunderkrankung, stellte der Referent Dr. Carlos Revenga heraus.
Jedoch ließen sich nur mit einer rechtzeitigen Therapie der Osteoporose Folgefrakturen verhindern, wie der spanische Unfallchirurg aus dem Krankenhaus San Juan Grande in Jerez deutlich machte. Er forderte die Teilnehmer des Symposiums auf, sich der Schlüsselrolle von Chirurgen bei der Diagnose von Osteoporose und bei der Therapieinitiierung bewusst zu werden.
Viele Unfallchirurgen verorteten die Volkskrankheit Osteoporose bei Rheumatologen und Gynäkologen, bemängelte Revenga. Dabei sei gerade im Operationssaal die Knochenqualität von herausragender Bedeutung und damit auch eine zentrale Aufgabe der Chirurgie. „Wir haben eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung osteoporotischer Frakturen und bei der Therapieinitiierung“, betonte Revenga.
Prof. Paul Heini, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie am Schweizer Spital Sonnenhof in Bern, stimmte ihm, mit Blick auf die Revisionsrate (18 Prozent nach fünf Jahren) bei älteren Patienten mit Wirbelsäulendeformitäten,1 zu: „Die hohe Anzahl an Folgefrakturen muss man auch als Hinweis auf eine fehlende Behandlung der Grunderkrankung deuten“. Daher müsse man mehr darauf fokussieren, direkt bei der ersten Intervention auch die Osteoporose zu behandeln.
Mortalität steigt mit jeder weiteren Fraktur an
Die Konsequenzen einer unbehandelten Osteoporose zeigten sich besonders deutlich im exponentiell zunehmenden Frakturrisiko. Bereits bei der zweiten Fraktur sei das Risiko einer weiteren um das Dreifache erhöht,2 so Revenga. Bei vier vorangegangenen Frakturen steige das Risiko auf ein Achtfaches an (Grafik 1). Diese Risikokaskade gelte es zu durchbrechen, betonte Revenga.
Neben Schmerzen, eingeschränkter Bewegungsfreiheit und einem Verlust an Lebensqualität steige mit jeder weiteren vertebralen Fraktur auch das Mortalitätsrisiko.3 Umso alarmierender sei, dass bei einer Prävalenz von vertebralen Frakturen von bis zu 20 Prozent bei den 50- bis 79-Jährigen lediglich nur etwa die Hälfte der Frakturen zum Zeitpunkt des Frakturereignisses diagnostiziert würde.4 Revenga führte dies auf zwei Hauptprobleme zurück: Die Kenntnis über den Zusammenhang von Osteoporose und Frakturen bei älteren Menschen sei bei den Patienten selbst gering5 und auch bei den behandelnden Ärzten offenbar wenig ausgeprägt, sodass nur etwa 20 Prozent der Patienten mit vorheriger Hüft- oder anderen Fragilitätsfrakturen eine Osteoporose-Therapie erhalten6.
Antiresorptiv oder osteoanabol
„Je früher wir mit einer pharmakologischen Therapie starten, desto erfolgreicher sind wir in der Verhinderung von Folgefrakturen“, machte Revenga deutlich und verwies für die Wahl der Mittel auf internationale und nationale Leitlinien zur Therapie der Osteoporose. Grundsätzlich gebe es zwei unterschiedliche Therapieansätze: antiresorptiv oder osteoanabol. Die antiresorptive Therapie reduziert den Knochenabbau und führt insgesamt zu einem verminderten Knochenumsatz.7 Der „Ist-Zustand“ wird konserviert. Die osteoanabole Therapie mit Teriparatid stimuliert dagegen den Knochenstoffwechsel und führt zum Aufbau von neuem, belastbarem Knochen.8
„Beide Therapien senken das Frakturrisiko signifikant“, hob Revenga hervor. Bei schwerer Osteoporose – also bei Vorliegen von zwei Frakturen unter vorheriger antiresorptiver Therapie bzw. von drei oder mehr Frakturen ohne Therapie – plädiere er für den 24-monatigen Einsatz von Teriparatid, gefolgt von einer konservierenden antiresorptiven Therapie. Die Wirksamkeit der osteoanabolen Therapie sei eindrucksvoll belegt, erklärte Revenga und führte neben Head-to-head Vergleichen mit Bisphosphonaten9 aktuelle histomorphometrische Untersuchungen an10 (Grafik 2).
„Wir sind in einer Schlüsselposition bei der Bekämpfung der Osteoporose“, sagte Revenga zum Abschluss seines Vortrags und forderte seine Kollegen auf, bei der chirurgischen Versorgung von Osteoporose-bedingten Fragilitätsfrakturen zwingend eine pharmakologische Therapie der Grunderkrankung zu initiieren.
Quelle: Lilly Deutschland GmbH
1) Puvanesarajah V et al. J Neurosurg Spine, May 6, 2016.
2) Siris ES et al. Osteoporos Int 2007;18(6):761-70.
3) Kado DM et al. Arch Intern Med 1999;159(11):1215-1220.
4) O’Neill TW et al. The European Vertebral Osteporosis Study. J Bone Miner Res (1996); 11(7):1010-8.
5) Chevalley T et al. Osteoporos Int 2002; 13:450-55.
6) Dell RM et al. J bone Joint Surg Am 2009; 91(suppl 6):79-86.
7) Fleisch H, Endocr Rev 1998; 19:80-100.
8) Arlot M et al. J Bone Miner Res 2005; 20:1244-53.
9) McClung MR et al. Arch Intern Med 2005; 165:1762-8. Hadji P et al. Osteoporosis International 2012; 23:2141-2150.
10) Dempster et al. J Bone Miner Res 2016; DOI 10.1002/jbmr.2804.