Leipzig – Exoskelette der neuesten Generation, innovative Prothesensteuerungen sowie den Stand der Forschung bei Brain Computer Interfaces präsentieren Wissenschaftler, Entwickler und Hersteller auf dem Weltkongress und der internationalen Fachmesse OTWorld 2016, die vom 3. bis 6. Mai in Leipzig stattfindet. Verschiedene Symposien stellen praktische Erfahrungen in der Patientenversorgung sowie Anforderungen an Hightech-Hilfsmittel ins Zentrum.
„Exoskelette haben eine rasante Entwicklung erlebt und an Bekanntheit gewonnen. Auf der OTWorld werden die neuesten Modelle vorgestellt sowie die praktischen Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie kritisch diskutiert“, unterstreicht Stefan Bieringer, Direktor der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (BUFA) in Dortmund und Chair des Symposiums „Exoskelette, was geht derzeit?“. Im Moment seien etwa fünf Exoskelett-Systeme auf dem deutschen Markt verfügbar, schätzt der BUFA-Direktor. Rund 15 bis 20 Rehakliniken nutzten diese Technik inzwischen. „Nach wie vor ist die Studienlage auf dem Gebiet der Exoskelette dünn und wir möchten auf der OTWorld Impulse geben, um die Forschungsarbeit zu verstärken“, so Bieringer.
Werden Exoskelette alltagstauglich?
„Bisher werden Exoskelette vor allem als funktionelle Unterstützung der Physiotherapie in der Rehabilitation genutzt. Eine Dauerversorgung, die den Rollstuhl ersetzt und den ganzen Tag getragen werden kann, sind sie nicht“, stellt Bieringer fest. Durch die Fortschritte bei der Elektromobilität und die damit verbundene Verkleinerung der Batterien seien die Geräte aber schon heute leichter tragbar. „Bis zu Alltagsgeräten für breite Patientengruppen, mit denen sich lange Strecken zurücklegen lassen, ist es noch ein weiter Weg. Diese Entwicklung möchten wir auf der OTWorld darstellen.“
Die Praxistauglichkeit von Exoskeletten steht ebenso im Mittelpunkt des Symposiums „Robotik in der Rehabilitation“. „In den letzten fünf Jahren gab es einen Riesenhype“, konstatiert Dr.-Ing. Rüdiger Rupp, Leiter Experimentelle Neurorehabilitation an der Klinik für Paraplegiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und einer der Vorsitzenden dieses Themenblocks. Einer der Referenten ist Dr. Mirko Aach vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum. Er wird über die Erfahrungen mit Exoskeletten zur Rehabilitation der Gehfunktion referieren und Trainingsresultate vorstellen, die von 2012 bis 2016 bei 75 Patienten mit Querschnittlähmung erzielt wurden. „Letztlich lassen sich die Systeme sehr gut in der Therapie nutzen, liefern jedoch keine besseren Ergebnisse als manuelle Methoden“, bemerkt Rupp. Von Robotern werde viel erwartet, für einen Rollstuhlersatz seien sie aber noch nicht autonom genug und ihr therapeutischer Zusatznutzen überschaubar.
Bionik: Fortschritte bei multifunktionalen Händen?
„Prothesen, die sich genauso verhalten wie menschliche Hände – diesem Traum ist man in den vergangenen Jahren ein kleines Stück näher gekommen“, hebt Rupp hervor. Er ist ebenso einer der Vorsitzenden des Symposiums „Handprothesensteuerung: Jüngste Fortschritte“. „Wir richten den Fokus auf nutzerzentriertes Design und konkrete Ergebnisse am Patienten“, kündigt Rupp an.
Bislang sei die Entwicklung von Brain Computer Interfaces sehr technologieorientiert vorangetrieben worden. „Wir möchten Fragen zur Alltagstauglichkeit dieser Technologien beantworten.“ Zum Beispiel werde Boris Bertram, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg, auf den Stand der Technik bei Versorgungen der Arm- und Hand-Amputierten eingehen: „Wir erhoffen uns eine kontroverse Debatte, die den Unterschied zwischen theoretischer Machbarkeit und Regelversorgung aufzeigt. Gerade Brain Computer Interfaces werden oft an gesunden Probanden erforscht, aber bei Patienten funktioniert dann alles wesentlich schlechter, da sich deren für die Bewegung zuständigen Gehirnareale aufgrund von Lähmungen verändern“, sagt Rupp. „Wir brauchen mehr Studien und ein genaueres Verständnis der Neurophysiologie des Gehirns – das sind die Herausforderungen der Zukunft.“
Weitere Informationen zum Kongress und zur Messe finden Sie unter ot-world.com.
Bild:
Auf der OT World 2014: Präzision und Beweglichkeit – mit elektronischer Handprothese von RSL Steeper. (Quelle: Leipziger Messe GmbH/Tom Schulze)