Berlin – Am 22.11.2019 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Qualitätssicherung in Krankenhäusern die Pressemitteilung „Neue Richtlinie zur Qualitätssicherung: Frühestmögliche Versorgung einer hüftgelenknahen Femurfraktur“ herausgegeben. Der darin aufgeführte Beschluss wird nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger zum 1. Juli 2020 in Kraft treten. Zu beachten ist dabei, dass darin die Sanktion enthalten ist, dass Krankenhäuser, die die darin enthaltenen Mindestanforderungen nicht erfüllen, keinen Vergütungsanspruch haben. Entscheidend ist dabei neben der Vorgabe, Patienten mit hüftgelenknahen Femurfrakturen innerhalb von 24 Stunden operativ versorgen zu können, die Einhaltung von gewissen Mindestanforderungen an die Prozessqualität sowie das Vorhalten von mindestens sieben Standard Operating Procedures (SOP). SOPs dienen dazu, sich beim Erkennen und Behandeln von Krankheitssymptomen auf das Wesentliche zu konzentrieren und richtige Prioritäten zu setzen. Sie stellen einen hohen organisatorischen und personellen Aufwand dar, insbesondere da diese z.T. interdisziplinär zu erstellen sind“
Wesentliche Inhalte der Richtlinie
- Mindestanforderungen an die Prozessqualität, Standard Operating Procedures (SOP)
Krankenhäuser, die künftig die Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur anbieten wollen, sind verpflichtet, unverzüglich nach Aufnahme einer Patientin oder eines Patienten mit einer entsprechenden Diagnose die weitere Versorgung zu planen. Ziel ist es, dass die operative Versorgung in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme oder Auf-treten eines Inhouse-Sturzes erfolgt, sofern es der Allgemeinzustand der Patientin oder des Patienten zulässt. Krankenhausinterne Standardabläufe sollen dabei helfen, den typischen Hindernissen, die einer operativen Versorgung der Patientin oder des Patienten innerhalb von 24 Stunden erfahrungsgemäß oftmals entgegenstehen, zu begegnen. Die neue Richtlinie sieht deshalb vor, dass von den Krankenhäusern verbindliche, interdisziplinär abgestimmte, schriftliche und jederzeit verfügbare Standardabläufe (Standard Operating Procedures – SOP) ein-zuführen sind. Die SOP müssen dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens entsprechen. Krankenhäuser müssen für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur mindestens SOP zu folgenden Situationen und Entscheidungsbedarfen vor-halten:
- SOP „Besondere Situationen der Einwilligungsfähigkeit“
- SOP „Perioperative Planung: Priorisierung von Eingriffen, Planung von OP-Kapazitäten, Planung von OP-Teams“
- SOP „Operationsverfahren“
- SOP „Umgang mit gerinnungshemmender Medikation“
- SOP „Patientenorientiertes Blutmanagement (PBM)“
- SOP „Ortho-geriatrische Zusammenarbeit für Patienten mit positivem geriatrischem Screening“
- SOP „Physiotherapeutische Maßnahmen“
- Nachweisverfahren, Folgen der Nichteinhaltung der Mindestanforderungen und Dokumentationspflichten
Krankenhäuser müssen standortbezogen nachweisen, ob sie die Mindestanforderungen der Richtlinie – einschließlich der ggf. zum Zeitpunkt des Nachweises vorliegenden Abweichungen – erfüllen. Der Nachweis hat stichtagsbezogen gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu erfolgen. Kann ein Krankenhaus einzelne Mindestanforderungen länger als 48 Stunden nicht einhalten, muss dies den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatz-kassen unverzüglich angezeigt werden. Wenn die Mindestanforderungen nicht erfüllt werden, darf die Versorgung von Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur in der Einrichtung über die Diagnostik und Erstversorgung hinaus nicht erfolgen. Ein Krankenhaus, das die Mindestanforderungen nicht erfüllt, hat keinen Vergütungsanspruch.
- Strukturabfrage, Evaluation, Inkrafttreten der Richtlinie
Der G-BA wird sich mit Hilfe einer jährlichen Strukturabfrage einen Über-blick über die Erfüllung der Mindestanforderungen in den einzelnen Krankenhausstandorten verschaffen. Der G-BA beauftragt das IQTIG, die Auswirkungen dieser Richtlinie so-wie die Erreichung der Ziele qualitativ und quantitativ jährlich über einen Zeitraum von 5 Jahren zu evaluieren. Gegenstand der Evaluation sind darüber hinaus die Anwendung der SOP in den Krankenhäusern sowie die Untersuchung der Fragestellung ob, wie viele und warum Leistungen in Krankenhäusern erbracht worden sind, obwohl die Mindestanforderungen nicht erfüllt wurden. Der Beschluss tritt nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger zum 1. Juli 2020 in Kraft.
PD Dr. med. habil. Axel Sckell,
Mitglied im geschäftsführenden Vorstand
Universitätsmedizin Rostock -Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Chirurgische Klinik und Poliklinik