Vom 27. – 28. Oktober 2023 fand im Berliner Novotel am Tiergarten das Abschlussseminar des neugestalten RhefO-Curriculums statt. Insgesamt reisten 23 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet zu dieser Veranstaltung nach Berlin.
Dieses neu gestaltete Curriculum wurde von der gemeinsamen Akademie AOUC entwickelt und organisiert und teilte sich in einen Online-Teil, zwei Webinare und den zweitätigen Präsenzkurs in Berlin im Anschluß an den DKOU.
Das Abschlussseminar wurde von den 3 orthopädischen Rheumatologen Dr. Monika Schulze-Bertram, Falkensee, Dr. Klaus Thierse, Berlin und Dr. Wolfgang Böker, Lüneburg, geleitet. Zusätzlich waren am Samstag noch der Unfallchirurg Dr. Jörg Schmidt, Reha Assist Berlin, und Dr. Christoph Kuhn, internistischer Rheumatologe und Immunologe aus Karlsruhe, aktiv als Referenten und Tutoren dabei.
1. Seminartag
Das gesamte Curriculum stellt die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit Betonung auf Rheumatoid-Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA) und Spondylarthritis systematisch vor. Im abschließenden praktischen Seminar geht es in Kleingruppenarbeit um die Erhebung der Anamnese, die Erstellung der functional assessments mittels Scores sowie die bildgebende Diagnostik einschließlich Röntgen, MRT und Arthrosonographie.
Der Freitagnachmittag stand vor allem im Zeichen der praktischen Untersuchungen in kleinen Gruppen mit den Patient Partners der Rheuma-Liga. Der Kontakt kam über Fr. Dr. Monika Schulze-Bertram als Vorstandsmitglied der Rheuma-Liga, Landesverband Brandenburg, zustande. Hier kann das erworbene Wissen an realen Patienten angewendet werden.
Die Patient Partner sind Mitglieder der Rheuma-Liga e.V. und leiden seit Jahren an einer chronischen Form einer schweren ausgeprägten rheumatischen Erkrankung. Das Besondere daran ist, dass diese Patienten von der Rheumaliga für diese Veranstaltungen im Vorfeld geschult wurden. Sie haben ihre Krankheitsgeschichte auf Augenhöhe in angenehmer Umgebung vorgetragen. Anschließend hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, die Patienten zu untersuchen und auch an den zwei bereitgestellten Ultraschallgeräten eine Arthrosonographie an den peripheren Gelenken der Hände und Finger durchzuführen.
Eine dritte Gruppe wertete Knochendichtebefunde aus der Praxis von Fr. Dr. Schulze-Bertram aus, die vierte Gruppe intensivierte ihre Handfunktionsuntersuchungen mit Dr. Thierse.
Ein besonderer Höhepunkt, waren sicherlich die mitgebrachten sog. Rheumahandschuhe, ein Piloprojekt der Rheuma-Liga Brandenburg. Das sind besonders konzipierte dicke Handschuhe, die angezogen werden und die Behinderungen und Einschränkungen simulieren, die Rheuma-Patienten durch ihre Deformierungen im Alltag erfahren. Auch das Tastgefühl geht in diesen Handschuhen völlig verloren, ähnlich wie es die Patienten im täglich erleben. Die Seminarteilnehmer mußten versuchen, mit diesen Handschuhen eine Bluse zu öffnen oder auch nur eine Getränkeflasche mit und ohne Hilfsmittel zu öffnen. Jetzt ist allen Beteiligten klar, warum Rheuma-Patienten so ungern Blusen oder Hemden tragen und ein T-Shirt bevorzugen. Aber auch die Einschränkungen im täglichen Umfeld werden damit erlebbar.
An dieser Stelle noch mal der besondere Dank an die Rheuma-Liga und insbesondere Fr. Barbara Krahl, Präsidentin der Rheuma-Liga, Landesverband Brandenburg e.V. sowie ihre 3 Kolleginnen, allesamt patient partner der Rheuma-Liga, dass sie die Anreise nicht scheuten und sich für diesen Nachmittag ehrenamtlich zur Verfügung stellten.
2. Seminartag
Am 2. Tag stand die medikamentöse und auch die nichtmedikamentöse Therapie im Vordergrund. Der Tag begann mit einem Referat des internistischen Rheumatologen und Immunologen Herrn Dr. Christoph Kuhn über die medikamentöse Therapie, einschließlich Basistherapie auf Ebene der DMARDs und den Umgang mit den Biologika bzw. Biosimilars.
Anschließend wurden in Kleingruppen Krankheitsverläufe simuliert und diskutiert. Hier wurden intensiv reale Fälle vorgestellt und deren medikamentöse Therapie besprochen.
Der Nachmittag stand ganz im Zeichen der konservativen und operativen Therapie. Es zeigte sich, dass hier die Kernkompetenz bei den orthopädischen Rheumatologen liegt. In Kleingruppen wurde über die Fallstricke bei der operativen Therapie gesprochen sowie die physikalische und manuelle Therapie praktisch angewendet und das vorhandene Wissen vertieft.
Nach dem Abschlusstestat haben sich alle Teilnehmer noch einmal getroffen und über das Ergebnis der letzten zwei Tage und auch den gesamten Kurs diskutiert.
Feedback, Manöverkritik und Ausblick
Zunächst bleibt festzustellen, dass sich ausnahmslos alle Teilnehmer sehr intensiv in die interaktiven Falldiskussionen eingebracht haben. Die Teilnehmer waren äußerst motiviert und interessiert. Die Arbeit in den Gruppen und auch die Diskussionen über die zahlreichen mitgebrachten Fälle wurden von den Teilnehmern als besonders wertvoll bezeichnet.
Ebenso war der Umgang mit „echten“ Patienten, wo man die rheumatischen Erkrankungen selber „erfühlen und erfahren“ konnte, ein besonders Highlight des Abschluss-Seminars. So konnten alle von diesem Kurs profitieren und sind mit einem deutlich geschulten Auge hinsichtlich der rheumatologischen Erkrankungen nach Hause gefahren.
Der Kurs richtet sich an alle Orthopädinnen und Orthopäden, die die Voraussetzungen für die Zusatz-Weiterbildung orthopädische Rheumatologie nicht erfüllt haben, sich aber trotzdem in die Versorgung von rheumatologischen Patienten einbringen möchten. Grundsätzlich fallen laut Weiterbildungsordnung die entzündlichen Gelenkerkrankungen in das Fachgebiet und die Facharztkompetenz Orthopädie und Unfallchirurgie.
Es handelt sich hier um ein ausgesprochenes Mangelfach, die Versorgung der Rheuma-Patienten ist in Deutschland keineswegs gesichert. Die Wartezeiten sowohl für ambulante als auch stationäre Versorgungen sind lang, zeitweise dauert es Monate bis Jahre, bis die Patienten einen kompetenten Ansprechpartner finden. Dies wurde auch von dem anwesenden internistischen Rheumatologen mehr als eindrücklich bestätigt.
Der Kurs hat das Ziel, die Teilnehmer in der Sicherheit der Diagnostik zu stärken und die Therapieschritte der ersten Monate zu klären. Auf dieser Basis „anbehandelte“ Patienten werden (auch durch die Vermittlung der TSS) bei Problemen mit dem weiteren Procedere sicherlich deutlich schneller Termine bei orthopädischen oder internistischen Rheumatologen bekommen.
Insofern ist es wichtig, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen mit der Facharztqualifikation Orthopädie und Unfallchirurgie an der Versorgung von Rheuma-Patienten beteiligen.
In der Weiterbildung kommt dieses Thema allerdings weiterhin zu kurz, weil sie im Wesentlichen in Kliniken stattfindet. Die konservative Therapie insgesamt und die Kompetenzvermittlung zu rheumatischen Erkrankungen im Speziellen nimmt nur einen kleinen oder keinen Teil der Weiterbildungszeit ein.
Dies gilt es aktiv auszugleichen, zumal der Bedarf, sehr hoch ist. Deshalb bietet der BVOU die RhefO-Kursreihe an und bespricht das Thema „Orthopädische Rheumatologie“ ausführlich in den beliebten Facharztprüfungsseminaren.
Ein Hindernis, sich in die Behandlung von Rheumapatienten einzubringen, ist sicherlich die vergleichsweise schlechte Vergütung sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Hier gilt es, auch auf Seiten des Berufsverbandes, die Situation für die in der Rheumatologie tätigen Kollegen zu verbessern.
Am Ende bleibt festzustellen, dass dieses wichtige Teilgebiet der Facharztqualifikation O&U einer weiteren Unterstützung bedarf. Insofern wird das Kursangebot auch in Zukunft weiter aufrechterhalten und um RhefO-Refresherkurse ergänzt. Diese ermöglichen es erfahreneren Kolleginnen und Kollegen, sich kontinuierlich zur orthopädischen Rheumatologie fortzubilden. Die RhefO-Refresherkurse bietet die ADO traditionell im Rahmen der Kongresse VSOU und DKOU als Kompaktseminare an.
Das RhefO-Curriculum wurde durch die Ärztekammer Berlin mit 44 Fortbildungspunkten zertifiziert.
Die nächste Abschlussveranstaltung des RhefO-Curriculums wird im Rahmen des VSOU 2024 stattfinden. Interessierte Kolleginnen und Kollegen können sich ab sofort in das Curriculum einschreiben und die digitalen Fortbildungsteile absolvieren. Im Frühjahr 2024 folgen dann noch zwei Warmup-Webinare bevor vom 25.-26.04.2024 das nächste Abschluss-Seminar in Baden-Baden stattfindet.
Dr. Wolfgang Böker
Dr. Monika Schulze-Bertram
Dr. Jörg Ansorg