Vom 25. bis 26. April fand erstmals im Kongresshaus in Baden–Baden das Abschlussseminar des neugestalten RhefO-Curriculums statt, nun nach der Premiere in Berlin vom 27. bis 28. Oktober 2023 zum zweiten Mal.
19 Teilnehmer vornehmlich aus Süddeutschland und aus Österreich reisten zu dieser Veranstaltung an, die für maximal 20 Teilnehmer ausgelegt ist. Insbesondere die Diskussionen mit unseren Wiener Kollegen und Kolleginnen haben wir als sehr informativ empfunden und uns ausdrücklich über die länderübergreifende Teilnahme gefreut.
Das neu gestaltete RhefO-Curriculum wurde zum zweiten Mal von der gemeinsamen Akademie AOUC organisiert und teilte sich in einen Online-Teil, ein Webinar und den besagten zweitätigen Präsenzkurs in Baden-Baden parallel zur Tagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden e.V. (VSOU).
Aufbau des neuen Kursformats
Der zweitätige Präsenzkurs incl. Abschlusstestat wurde in bewährter Weise von den drei orthopädischen Rheumatologen Dr. Monika Schulze-Bertram, Falkensee, Dr. Klaus Thierse, Berlin und Dr. Wolfgang Böker, Lüneburg, geleitet.
Zusätzlich waren noch der Unfallchirurg Dr. Jörg Schmidt, Reha Assist, Berlin und Dr. Christoph Kuhn, internistischer Rheumatologe und Immunologe aus Karlsruhe, tätig. Letzterer hatte sozusagen einen Heimvorteil, sowie Dr. Arbogast, CA Rheumaorthopäde in Oberammergau, in bewährter Weise tätig.
Bei dem Seminar wurden die entzündlich rheumatischen Erkrankungen mit Betonung auf RA, PsA und SpA nochmals systematisch vorgestellt, und im praktischen Teil in Kleingruppen anschließend die Erhebung der Anamnese, die Erstellung der Functional Assessments mittels Scores sowie die bildgebende Diagnostik, einschließlich Röntgen, MRT und Arthrosonographie besprochen.
Der Donnerstagnachmittag stand vor allem im Zeichen der praktischen Untersuchungen in Kleingruppen mit den Patient Partners der Rheuma-Liga, Landesverband Baden-Württemberg, e.V . Der Kontakt kam zustand über Dr. Monika Schulze-Bertram als Vizepräsidentin der Rheuma-Liga, Landesverband Brandenburg, e.V. Die Planung fand seit Februar 2024 statt.
Die Patient Partner sind Mitglieder der Rheuma-Liga e.V. und leiden seit Jahren an einer chronischen Form einer schweren ausgeprägten rheumatischen Erkrankung. Das Besondere daran ist, dass diese Patienten von der Rheumaliga für diese Veranstaltungen im Vorfeld geschult wurden. Sie haben ihre Krankheitsgeschichte auf Augenhöhe in angenehmer Umgebung vorgetragen.
Anschließend hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, die Patienten zu untersuchen und auch an den zwei bereitgestellten Ultraschallgeräten eine Arthrosonographie an den peripheren Gelenken der Hände und Finger durchzuführen. Die Patient Partner rotierten, so dass alle Teilnehmer die Gelegenheit hatten, diese sonographisch zu untersuchen.
Eine dritte Gruppe wertete Knochendichtebefunde aus der Praxis von Fr. Dr. Schulze-Bertram mithilfe der BVOU Osteoporose-App.
Die vierte Gruppe intensivierte ihre praktischen Fähigkeiten der Handfunktionsuntersuchungen mit Dr. Thierse. Eine unserer österreichischen Kolleginnen ist eine versierte Handchirurgin. Wir konnten einiges lernen.
Ein besonderer Höhepunkt waren sicherlich diese mitgebrachten sog. Rheumahandschuhe. Das sind besonders konzipierte dicke Handschuhe, die angezogen werden und die Behinderungen und Einschränkungen simulieren, die Rheuma-Patienten durch ihre Deformierungen täglich erfahren. Auch das Tastgefühl geht in diesen Handschuhen völlig verloren, ähnlich wie es die Patienten im Alltag erleben. Anschließend mussten die Teilnehmer versuchen, mit diesen Handschuhen eine Bluse zu öffnen oder auch nur eine Getränkeflasche mit und ohne Hilfsmittel zu öffnen. Lediglich der Handchirurgin aus Wien gelang dies. Jetzt ist allen Beteiligten klar, warum Rheuma-Patienten so ungern Blusen oder Hemden tragen und ein T-Shirt bevorzugen. Aber auch die Einschränkungen im täglichen Umfeld werden damit erlebbar.
An dieser Stelle noch mal der besondere Dank an die Patient Partner der Rheuma-Liga, Landesverband Baden-Württemberg e.V., dass sie die Anreise aus Sinsheim, Ulm und aus Murnau nicht scheuten und sich für diesen Nachmittag ehrenamtlich zur Verfügung stellten.
Am 2. Tag standen die medikamentöse und auch die nichtmedikamentöse Therapie im Vordergrund.
Folgerichtig begann der Tag mit einem Referat des internistischen Rheumatologen und Immunologen Dr. Christoph Kuhn, Karlsruhe, über die medikamentöse Therapie, einschließlich Basistherapie auf Ebene der csDMARDs und den klinischen Umgang mit den Biologika bzw. Biosimilars.
Anschließend wurden in Kleingruppen Krankheitsverläufe simuliert und diskutiert. Hier wurden intensiv Fallvorstellungen und deren medikamentöse Therapie besprochen.
Der Nachmittag stand ganz im Zeichen der konservativen und operativen Therapie. Es zeigte sich, dass hier die Kernkompetenz bei den orthopädischen Rheumatologen liegt. Auch hier wurden wieder in Kleingruppen über die Fallstricke bei der operativen Therapie gesprochen, sowie die physikalische und manuelle Therapie praktisch angewendet, beziehungsweise nochmals vertieft. Beeindruckend waren insbesondere die Kasuistiken und klinischen Hinweise von Dr. Arbogast.
Nach dem Abschlusstestat haben sich alle Teilnehmer noch einmal getroffen und über das Ergebnis der letzten zwei Tage und auch den gesamten Kurs diskutiert.
Zunächst bleibt festzustellen, dass sich ausnahmslos alle Teilnehmer sehr intensiv in die interaktiven Falldiskussionen eingebracht haben. Die Teilnehmer waren äußerst motiviert und interessiert. Die Arbeit in den Gruppen und auch die Diskussionen über die zahlreichen mitgebrachten Fälle wurden von den Teilnehmern als besonders wertvoll bezeichnet. Natürlich auch der Umgang mit „echten“ Patienten, wo man die rheumatischen Erkrankungen selber „erfühlen und erfahren“ konnte. So konnten alle von diesem Kurs profitieren und sind mit einem deutlich geschulten Auge hinsichtlich der rheumatologischen Erkrankungen nach Hause gefahren.
An wen richtet sich der Kurs?
Der Kurs richtet sich an alle Orthopäden, die die Voraussetzungen für die Zusatz-Weiterbildung orthopädische Rheumatologie nicht erfüllt haben, sich aber trotzdem in die Versorgung der orthopädischen Patienten einbringen möchten. Grundsätzlich fallen laut WbO die entzündlichen Gelenkerkrankungen in das Fach Orthopädie /Unfallchirurgie.
Es handelt sich bei auf dem Gebiet der Rheumatologie um ein ausgesprochenes Mangelfach, die Versorgung der Rheuma-Patienten ist in Deutschland keineswegs gesichert. Die Wartezeiten sowohl für ambulante als auch stationäre Versorgungen sind lang, zeitweise dauert es Monate bis Jahre, bis die Patienten einen kompetenten Ansprechpartner finden, sowohl orthopädisch als auch internistisch rheumatologisch.
Der Kurs hat das Ziel, die Teilnehmer in der Sicherheit der Diagnostik zu stärken und die Therapieschritte der ersten Monate zu klären. Auf dieser Basis „anbehandelte“ Patienten werden (auch durch die Vermittlung durch die TSS) bei Problemen mit dem weiteren Procedere sicherlich deutlich schneller Termine bei orthopädischen oder internistischen Kollegen bekommen.
Insofern ist es wichtig, dass sich deutlich mehr Orthopäden an der Versorgung der Rheuma Patienten beteiligen. In der Weiterbildung kommt dieses Fach allerdings weiterhin zu kurz. Auch durch die Einbindung der Unfallchirurgie wird die konservative Therapie, und damit die Lehre über die rheumatischen Erkrankungen weiter geschwächt. Dies gilt, es, aktiv auszugleichen, zumal der Bedarf, wie oben beschrieben, sehr hoch ist. Ein Hindernis ist sicherlich die vergleichsweise unzureichende Vergütung sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich, insbesondere bei den orthopädisch tätigen Kollegen und Kolleginnen, sowohl konservativ als auch operativ.
Hier gilt es, auch auf Seiten des Berufsverbandes, die Situation für die in der Rheumatologie tätigen Kollegen zu verbessern.
Am Ende bleibt festzustellen, dass dieses wichtige Fach einer weiteren Unterstützung bedarf, insofern wird das Kursangebot auch in Zukunft weiter aufrechterhalten und auch noch ausgebaut werden.
Die Gesamt-Veranstaltung wurde durch die Ärztekammer Baden-Württemberg mit 37 Fortbildungspunkten bedacht.
Jetzt noch anmelden
Wir möchten schon jetzt alle Interessierten auf die kommende Veranstaltung im Rahmen des DKOU in Berlin hinweisen. Die Veranstaltung wird vom 25. bis 26. Oktober im Novotel/Geschäftsstelle stattfinden. Es sind noch einige wenige Plätze frei. Die gesamte Veranstaltung, bestehend aus Curriculum, Präsenskurz und Vorab-Webinar am 16.10.2024, wird mit 44 Fortbildungspunkten von der Ärztekammer Berlin bewertet. Wenn das kein Grund ist sich fortzubilden. Wir freuen aus auf einen regen Austausch mit Ihnen.
Dr. Monika Schulze-Bertram
Dr. Wolfgang Böker