BERLIN – Die wirtschaftliche Lage der Praxen von Orthopäden und Chirurgen war in den Jahren 2010 bis 2013 alles andere als rosig. In diesem Zeitraum sanken die Einnahmen orthopädischer Praxen um 1,9 Prozent, die Aufwendungen stiegen um 0,9 Prozent. Dies führte 2013 zu einem um 5,1 Prozent geringeren Jahresüberschuss (175.600 Euro) als 2010. Auf die Frage „Wie bewerten Sie Ihre Situation als Vertragsarzt insgesamt?“ antworteten 2014 denn auch nur 41 Prozent der niedergelassenen Orthopädinnen und Orthopäden mit „sehr gut“ oder „gut“. Damit liegen sie in der Zufriedenheitsskala von 27 Facharztgruppen ganz am Ende. Von allen Vertragsärztinnen und -ärzten zusammen waren 65 Prozent mit ihrer Situation „sehr zufrieden“ beziehungsweise „zufrieden“.
Die Einnahmen chirurgischer Praxen sanken zwischen 2010 und 2013 um 0,7 Prozent, die Aufwendungen stiegen um ein Prozent. Dies führte 2013 zu einem um 2,9 Prozent geringeren Jahresüberschuss (156.300 Euro) als 2010. Unter den niedergelassenen Chirurginnen und Chirurgen beurteilten ebenfalls nur 48 Prozent ihre Situation als Vertragsarzt mit „sehr gut“ oder „gut“. Unzufriedener waren nur noch Neurologen, Fachärzte für Physikalische und rehabilitative Medizin und Orthopäden.
Orthopäden und Chirurgen investierten mehr als andere
Das geht aus dem Jahresbericht 2014 des Praxis-Panels hervor, den das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) gerade vorgelegt hat. Es ist das fünfte Panel des Zi. Dafür füllen bislang rund 5.000 Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Steuerberater regelmäßig umfangreiche Unterlagen aus. „Die wirtschaftliche Lage in den Praxen hat sich zwischen den Jahren 2010 und 2013 merklich verschlechtert“, heißt es in der Gesamtauswertung. „Während die Jahresüberschüsse in den Praxen inflationsbereinigt zurückgingen, stiegen die Betriebskosten stärker als die Verbraucherpreise (Inflationsrate).“ Eine Folge seien deutlich reduzierte Investitionsausgaben. In den Jahren 2011 und 2012 wurde die Honorarentwicklung allerdings vom Gesetzgeber auch strikt budgetiert.
Im Vergleich zu anderen Facharztgruppen blieben die Investitionen in orthopädischen und chirurgischen Praxen hoch. Allerdings sind solche Vergleiche schwierig, sowohl zwischen einzelnen Jahren als auch zwischen einzelnen Facharztgruppen, wie das Zi einräumt. Grund ist, dass „in einigen Jahren, in denen zum Beispiel Geräte ersetzt oder neu angeschafft worden sind, sehr hohe Investitionen zu beobachten sind; in anderen Jahren hingegen nur geringe oder gar keine“.
Ein Beispiel: Im Jahr 2013 investierten Einzelpraxen durchschnittlich 7.200 Euro je Arzt, Gemeinschaftspraxen 12.000 Euro. In der Facharztgruppierung, zu der das ZI Orthopäden und Chirurgen zählt, wurden hingegen durchschnittlich 15.500 Euro je Arzt in Einzelpraxen und 30.500 Euro je Arzt in Gemeinschaftspraxen investiert. Aus einer weiteren Feinanalyse schließt das Zi: „So kann man am Beispiel der Chirurgen und Orthopäden sehen, dass Gemeinschaftspraxen ihre Gewinneffizienz durch die gemeinsame Nutzung von materiellen sowie personellen Ressourcen steigern können. Dennoch stellt die Anschaffung teurer technischer Geräte eine finanzielle Hürde für Praxen dar.“
Einnahmen und Gewinne lagen über dem Fachgruppendurchschnitt
Insgesamt lagen Einnahmen und Gewinne in orthopädischen und chirurgischen Praxen über dem Durchschnitt aller Facharztgruppen. Der durchschnittliche Jahresüberschuss (Gesamteinnahmen minus Gesamtbetriebskosten) betrug 2013 rund 145.000 Euro je Praxisinhaber. Bei Orthopäden waren es mehr als 175.000 Euro, bei Chirurgen 156.000 Euro. Das Zi weist aber darauf hin, dass der Jahresüberschuss aus der Tätigkeit für gesetzlich krankenversicherte Patienten nicht einfach zu ermitteln ist. Vielfach würden Praxen durch privatärztliche Tätigkeiten subventioniert.
Erhebliche Privateinnahmen in den Praxen
So sind 30 Prozent der Einnahmen orthopädischer Praxen Privateinnahmen, obwohl 88 Prozent der Patienten dort gesetzlich krankenversichert sind. In chirurgischen Praxen sind 18 Prozent der Einkünfte Privateinnahmen, dort sind 81 Prozent der Patienten gesetzlich krankenversichert. Das Zi unterscheidet bei diesen Angaben aber nicht zwischen Privatpatienten und gesetzlich krankenversicherten Patienten, die beispielsweise Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in Anspruch nehmen.
Nur ein Prozent der Einkünfte orthopädischer Praxen stammt aus der Behandlung von Patienten, die zulasten der Berufsgenossenschaft oder der Unfallversicherung versorgt werden. Bei chirurgischen Praxen liegt dieser Wert bei neun Prozent. Beide Facharztgruppen kommen zudem auf eine Wochenarbeitszeit von mehr als 50 Stunden (Orthopäden: durchschnittlich 52, Chirurgen: durchschnittlich 53). Der Fachgruppenschnitt beträgt 49 Stunden.
Die Steigerungen in einzelnen Kostenbereichen fallen sehr unterschiedlich aus. Den stärksten Anstieg über alle Fachgruppen verzeichneten Aufwendungen für Personal (+ 16,8 Prozent), Wartung/ Instandhaltung (+ 11,5 Prozent), Material/ Labor (+ 6 Prozent). Rückläufig waren die Kosten aufgrund von Fremdkapitalzinsen (- 27,9 Prozent), Abschreibungen (- 12,8 Prozent), Leasing/ Gerätemieten (- 6 Prozent).
Höhere Gewinne operierender Kolleginnen und Kollegen
Wie bereits in den letzten Zi-Praxis-Panels nachweisbar, haben auch im Zeitraum von 2010 bis 2013 tendenziell operierende Fachärztinnen und Fachärzte deutlich höhere Einnahmen erzielt als ihre konservativ tätigen Kollegen. Allerdings sind ihre Kosten auch höher. „In sechs Fachgebieten überwiegen die höheren Einnahmen bei operativer Tätigkeit die höheren Aufwendungen, so dass durchschnittlich um 19.000 bis 139.000 Euro höhere Überschüsse erzielt werden“, so die Ergebnisse des Panels. Eine Ausnahme seien lediglich „mittlere Operateure“ im Fach Orthopädie. Für eine Feinauswertung nach konservativ tätigen Ärzten, kleinen, mittleren und großen Operateuren hat das Zi bestimmte Facharztgruppen auf der Basis ihrer abgerechneten Leistungen unterteilt und genauer analysiert. Danach erzielten konservativ tätige Orthopäden einen Jahresüberschuss je Praxisinhaber von 72 Euro pro Stunde, Orthopäden der Kategorie „großer Operateur“ dagegen von 86 Euro pro Stunde.
Auch mit der Frage, ob Praxen mit angestellten Ärzten effizienter sind, hat sich das Zi erstmals befasst. Die Antwort laute „ja und nein“, kommentierte Dr. med. Andreas Gassen das Ergebnis. Der Vorstandsvorsitzende des Zi und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betonte: „Es ist zwar richtig, dass die meisten Praxen mit angestellten Ärzten höhere Überschüsse erwirtschaften. Dies geschieht aber nicht wegen der Anstellung der Ärzte, sondern aufgrund einer besonderen Spezialisierung dieser Praxen.“
Hier im Anhang : Auszüge aus dem ZIPP Jahresbericht 2014 mit freundlicher Genehmigung!