Osteoporose assoziierte Frakturen nehmen aufgrund der demographischen Entwicklung und oftmals insuffizienten Osteoporosetherapie älterer unfallchirurgischer Patienten stetig zu. Um Folgefrakturen zu reduzieren ist eine weiterführende osteologische Behandlung alterstraumatologischer Patienten jedoch eine essentielle Maßnahme der Sekundärprävention. In der Realität wird nach einer stattgehabten Fraktur nur bei einem Bruchteil der betroffenen Patienten eine weiterführende Diagnostik und Therapie einer zugrundeliegenden Osteoporose behandelt. Ein wesentliches Problem liegt an den Schnittstellen zwischen Klinik, niedergelassenem Arzt und einem Spezialisten für eine gezielte Osteoporosetherapie. Eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Sektoren findet nur begrenzt statt.
Die effektive Umsetzung und Steigerung der Therapieadhärenz für eine medikamentöse Osteoporosetherapie kann in einem (FLS) Fracture Liaison Service eine deutliche Steigerung der Effizienz der Osteoporosetherapie schaffen. Durch einen FLS wird eine zügige Initiierung einer geeigneten Osteoporosetherapie ermöglicht und Refrakturraten können deutlich gesenkt werden. Die optimale Umsetzung eines FLS-Konzeptes wurde zuvor in Form eines Kurzvideos durch das Team der Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der LMU München verfilmt und kann unter beigefügtem QR-Code angesehen werden.
Im Ausland konnte diese effektive medikamentöse Osteoporosetherapieumsetzung bereits gezeigt werden. So zeigten Axelsson et al. in einer Veröffentlichung in Osteoporosis International 2016, das die pharmakologische Behandlung in einem FLS-Setting um bis zu 170% gesteigert werden kann gegenüber einem nicht-FLS Setting. Neben der Steigerung der Therapieadhärenz konnten die Autoren auch demonstrieren, dass es zu einer 51%igen Reduktion der Refrakturrate kommt. Dabei ist die erforderliche Anzahl der behandelten Patienten mit einer NNT von 20 (Number needed to treat) um einer Re-Fraktur in einem Zeitfenster von 3 Jahren zu verhindern im Vergleich zu beispielsweise blutdrucksenkenden Medikamenten sehr gering (Nakayama A et al., Osteoporosis Int 2016). In einer neueren Metaanalyse von Wu Ch et al. konnte neben der signifikanten Reduktion von Folgefrakturen auch eine signifikante Reduktion der Mortalität identifiziert werden (Wu CH et al. Bone 2018).
Das Problem der effektiven Umsetzung einer medikamentösen Osteoporosetherapie bei Risikopatienten ist sicher auch der pekuniären Abbildung in unserem Gesundheitssystem zuzuschreiben. In England konnte eine Sicherung der medikamentösen Osteoporosetherapie beispielsweise durch den sog. „Best Practice Tariff“ geschaffen werden. Dabei wird den Behandlern von Hüftfrakturpatienten bei einer Absicherung der erforderlichen Sekundärpräventionsmaßnahmen ein höheres Entgelt für die individuelle Patientenbehandlung ausgeschüttet als dies für Hüftfrakturpatienten ohne Abklärung und Therapieeinleitung einer zugrundeliegenden Osteoporose getan wird.
Das Innovationsfondprojekt (FLS-CARE: Fracture-LiaisonService Case-Management zur Vermeidung von Refrakturen) widmet sich nun gezielt der Umsetzbarkeit eines derartigen Netzwerksystems zur Sicherung der Therapieadhärenz bei Osteoporose im deutschen Krankenhaussektor. Für die Forschung zur Senkung des Risikos erneuter Knochenbrüche bei Osteoporosepatienten durch vorbeugende Maßnahmen erhält das Konsortium um Prof. Dr. med. Wolfgang Böcker, Direktor der Unfallchirurgischen Klinik der Ludwigs-Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Christian Kammerlander stellvertretender Klinikleiter insgesamt 3,2 Mio. Euro aus dem Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses. Zusammen mit den Konsortialpartnern AUC-Akademie der Unfallchirurgie GmbH, pvm Versorgungsmanagement GmbH, dem Fachbereich Health Service Management der LMU sowie den Krankenkassen DAK-Gesundheit, IKK classic und der Techniker Krankenkasse soll in der 4-jährigen Studie FLS-CARE der Benefit für Patienten nachgewiesen werden, die nach einer hüftgelenksnahen Oberschenkelfraktur durch ein Netzwerk aus Ärzten, Pflegekräften und Physiotherapeuten enger betreut werden, eine dauerhafte medikamentöse Osteoporosebehandlung erhalten und in Übungen zur Vermeidung von Stürzen angeleitet werden. In dem im Oktober 2019 beginnenden Forschungsprojekt soll gezeigt werden, dass dadurch die Häufigkeit von Stürzen und von Folgebrüchen gesenkt, die Sterblichkeit verringert und die Lebensqualität der Patienten gesteigert werden kann.
Ein Vergleich der Behandlungskosten erneuter Frakturen mit den Aufwendungen für die engere Betreuung und die Medikamentenkosten soll die Frage beantworten, ob diese als Fracture Liaison Service (FLS) bezeichnete Begleitung der Patienten vom Krankenhaus in den ambulanten Bereich auch in Deutschland zu Kosteneinsparungen für die gesetzlichen Krankenkassen führt. Wenn sich die positiven Auswirkungen dieser Form der Patientenbetreuung bestätigen, kann diese neue Versorgungsform als Standardleistung der gesetzlichen Krankenkassen für alle Versicherten übernommen werden. Rund 1.200 gesetzlich versicherte Patienten mit Osteoporose-bedingter hüftgelenksnaher Oberschenkelfraktur ab 50 (Frauen) bzw. 60 Jahren (Männer) werden in 18 bayerischen Kliniken in die Studie eingeschlossen. Durch die enge und synergistische Zusammenarbeit der Konsortialpartner bereits in der Antragsphase gelang es, die Studie zugunsten einer besseren Versorgung von Patienten mit gesetzlichem Krankenversicherungsschutz aufzusetzen. Als Kooperationspartner beteiligt sich zudem die AOK Bayern, weitere gesetzliche Krankenkassen sollen noch als Partner gewonnen werden.
FLS-Team der Klinik für Allgemeine, Unfallund Wiederherstellungschirurgie des Klinikums
der Universität München (LMU):
Prof. Dr. Wolfgang Böcker, Prof. Dr. Christian
Kammerlander, Prof. Dr. Eric Hesse,
PD Dr. Carl Neuerburg, Dr. Ulla Stumpf
Konsortialpartner-FLS Innovationsfondprojekt „FLS-Care“:
- Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums der Universität München (LMU), Konsortialführung
Projektleitung: Prof. Dr. med. Wolfgang Böcker
und PD Dr. med. Christian Kammerlander
www.klinikum.uni-muenchen.de/Klinik-fuer-Allgemeine-Unfall-undWiederherstellungschirurgie/de/ - AUC-Akademie der Unfallchirurgie GmbH
Projektleitung: Dr.-Ing. Christine Höfer
www.auc-online.de - PVM Versorgungsmanagement GmbH
Projektleitung: Jörg Trinemeier
www.pvm-med.org - Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät
für Betriebswirtschaft, Fachbereich Health Services
Management
Projektleitung: Prof. Dr. Leonie Sundmacher
www.hsm.bwl.uni-muenchen.de
Als Konsortialpartner beteiligte Krankenkassen:
- Techniker Krankenkasse
- DAK-Gesundheit
- IKK classic
Als Kooperationspartner beteiligte Krankenkasse:
- AOK Bayern
- Barmer
- BKK Mobil Oil
PD Dr. Carl Neuerburg, Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Klinikum der Universität München, LMU München