Berlin – Die Sonografie der Säuglingshüfte nimmt unter den Ultraschalluntersuchungen eine Sonderstellung ein. Nur in einem relativ engen Zeitintervall können drohende Hüftreifungsstörungen ausschließlich mit diesem Ultraschallverfahren erkannt und anschließend weitgehend behoben werden. Seit vielen Jahren veranstaltet die Akademie Deutscher Orthopäden Fortbildungskurse zu dieser Thematik. Kursleiterin PD Dr. Susanne Fröhlich aus Rostock erläutert, warum es sich lohnt, regelmäßig Refresher-Kurse zu besuchen und wie sich die häufigsten Fehlerquellen vermeiden lassen.
Frau PD Dr. Fröhlich, seit vielen Jahren geben Sie in der Akademie Deutscher Orthopäden –kurz ADO – Kurse zum Thema Sonografie der Säuglingshüfte: Auf welche Inhalte legen Sie ganz besonders Wert, die Sie an die Kursbesucher vermitteln?
PD Dr. Susanne Fröhlich: Die Sonografie der Säuglingshüfte ist ein standardisiertes Verfahren, das breite Anwendung findet. Sie ist einfach und reproduzierbar durchführbar. Es gibt klare Regeln, die befolgt werden müssen, um den Hüfttyp korrekt zu bestimmen und eventuelle therapeutische Konsequenzen abzuleiten. Die zügig eingeleitete Therapie bestimmt wesentlich die weitere Entwicklung des dysplastischen/reifungsverzögerten Gelenkes. In den Kursen soll die Wahrnehmung für die Einhaltung der Grundregeln geschärft werden.
Was wird häufig seitens der Kursteilnehmer gefragt? Wo herrschen Ihrer Meinung nach die meisten Wissenslücken? Wo Unsicherheiten?
Fröhlich: Fragen zum Untersuchungsablauf, respektive den Hüfttypen werden eher weniger gestellt. Vorherrschend ist die Unsicherheit hinsichtlich der Hüfttypbestimmung und der Therapieeinleitung, da doch immer mal wieder vom „Standard“ abgewichen wird. Unter dem Motto: „Das geht schon, ich habe ja alles gesehen, was ich brauche …“. Leider sind diese subjektiven Wahrnehmungen aber nicht auf einem Bild zusammengefasst. Und es fehlt dann doch der Unterrand des Os ilium oder es hat sich ein Rotationsfehler eingeschlichen.
Wenn möglich, zeigen Sie die Technik der Sonografie an einem Säugling. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Fröhlich: Um die Abtasttechnik zu demonstrieren und den Teilnehmern zu zeigen, dass, auch wenn ein Kind mal unruhig werden kann, trotzdem die Untersuchung nicht zeitaufwendiger sein muss. Eine sonografische Untersuchung sollte zwei bis fünf Minuten nicht überschreiten. Nicht nur die Kinder könnten zappelig werden, sondern auch die Untersucher selbst. Dann wird angefangen am Beinchen zu ziehen oder festzuhalten. Alles Dinge, die das Ziel in noch weitere Ferne rücken lassen.
Was muss man Ihrer Meinung nach besonders bei dem Verfahren beachten?
Fröhlich: Die Standards! Sie sind über Checklisten (Checkliste 1: Anatomische Identifizierung, Checkliste 2: Brauchbarkeitsprüfung) als auch über die Lagerungs-und Abtasttechnik klar durch Prof. Dr. Reinhard Graf definiert. Und in der täglichen Routine schleicht sich dann doch der Fehlerteufel ein. Warum ist das Einhalten der Standards wichtig? Weil Sie problemlos etwa aus einer „kritischen Hüfte“ vom Typ IIc eine reifungsverzögerte Hüfte vom Typ IIa schallen können. In der Kontrolluntersuchung ist die Verwunderung schließlich groß, wenn sich der Hüfttyp plötzlich und unerwartet verschlechtert hat.
Welche Fehlentwicklungen können per Ultraschall diagnostiziert werden? Warum ist hier ein enges Zeitintervall so essenziell?
Fröhlich: Sie können mit der Säuglingssonografie problemlos direkt postpartal dezentrierte, dysplastische und reifungsverzögerte Hüftgelenke erkennen. Die klinische Untersuchung kann das Problem nicht lösen, da nicht immer sichere Zeichen (relative Beinlängendifferenz mit einem Knietiefstand auf der betroffenen Seite, Abspreizhemmung oder positives Ortolanizeichen) nachweisbar sind. Und so dient die Sonografie als schnelles, unkompliziert durchführbares Diagnostikum, aus dem sofort die Therapie ab-und schließlich eingeleitet werden kann. Gesetzlich vorgesehen ist die Sonografie der Säuglingshüfte im Rahmen der U3. An der UMR Rostock führen wir bereits im Rahmen der U2 ein Screening durch. So können wir pathologische Hüftgelenke bereits sechs Wochen früher behandeln. Für die Therapie muss den Untersuchern die Reifungskurve des Hüftgelenkes bekannt sein. Ab der 12. bis 14. Woche hat das Hüftgelenk hinsichtlich der Wachstumspotenz einen Art Plateauverlauf, das heißt, die Behandlung zieht sich hin, so die dysplastische, oder reifungsverzögert Hüfte zu spät detektiert wird.
Was sind die häufigsten Fehlerquellen bei der Hüftsonografie? Wie können diese vermieden werden?
Fröhlich: Die Nichteinhaltung der Regeln und Checklisten, wie bereits erwähnt. Aus einer methodischen Fehleranalyse von Regressions- und Schlichtungsfällen sowie den Eingangstest aus Refresher-Kursen (auch mein Kurs beginnt mit einer Wissensüberprüfung, die nur für die Teilnehmenden selbst ist …) kristallisieren sich immer wieder klassische Fehler heraus.
In absteigender Folge sind dies:
- Insuffiziente Lagerungs-und Abtasttechnik (Fehlen der Lagerungsschale und/oder Sonoguide
- keine, respektive unvollständige anatomische Identifizierung (Checkliste 1)
- inkorrekte, oder fehlende Brauchbarkeitsprüfung (Checkliste 2)
- inadäquate Messtechnik
- Inkongruenz zischen Befundung und Winkelmessung
- Fehlende typgerechte therapeutische Konsequenz“
Welchen wichtigsten Ratschlag geben Sie Kursteilnehmern bei Ihren Seminaren mit auf den Weg?
Fröhlich: Halten Sie sich an die Grundregeln! Besuchen Sie regelmäßig Refresher-Kurse, wie beispielsweise auf dem kommenden VSOU in Baden-Baden vom 28. bis 30. April. Dies schärft die Wahrnehmung.
Frau Dr. Fröhlich, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno, Berlin, BVOU-Pressearbeit.