Viele Verletzungen im Zuge der rund 1,5 Millionen jährlich auftretenden Sportunfälle in Deutschland können durch die Befolgung von zehn Empfehlungen zur Vermeidung von Sportunfällen verhindert werden.
„Wer Sport treibt, sollte lernen, Risiken zu vermeiden, ein präventives Trainingsprogramm in die Routine einzubauen und den Grundsatz zu beherzigen, nicht zu viel in zu kurzer Zeit erreichen zu wollen“, sagt Dr. Gerd Rauch. „Außerdem sind genügend Ruhepausen zur Erholung notwendig.“ Rauch ist DKOU-Kongresspräsident für den Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) und Mitinhaber der Orthopädisch-chirurgischen Gemeinschaftspraxis und Praxisklinik Kassel. Er ist zudem Mannschaftsarzt des Handball-Bundesligisten MT Melsungen.
Verletzungen führen sehr häufig dazu, dass Freizeitsportler – egal ob jung oder alt – die Freude am Training verlieren und schließlich schmerzgeplagt und frustriert aufgeben. Viele Freizeitsportler konzentrieren sich zu sehr auf das eigentliche Match oder den Lauf und Versäumen es, die nötigen Kräfte, Fertigkeiten und Techniken zu entwickeln, zu trainieren und sich mit einem präventiven Übungsprogramm vor Verletzungen zu schützen. Vor allem Kinder und Jugendliche, die ihren Sportidolen bestmöglich nacheifern wollen, sind gefährdet.
Ein gutes sportliches Training hat einen hohen Wert für Körper und Geist. Regelmäßiger Sport beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor, wirkt antidepressiv und ist eine der wenigen anerkannten Präventionsmaßnahmen gegen Alzheimer-Demenz. Sportliche Wettkämpfe vermitteln auch wichtige Lektionen fürs Leben. Wer regelmäßig antritt, lernt Zielstrebigkeit, Teamgeist und den Umgang mit dem Scheitern, denn hinter jedem verlorenen Wettkampf wartet die nächste Chance auf das Siegerpodest. Die Kehrseite des Sports ist allerdings das Verletzungsrisiko.
Verletzungen drohen, wenn Belastung und Belastbarkeit auseinanderdriften. In Deutschland treten jedes Jahr rund 1,5 Millionen Sportunfälle auf, 53 Prozent davon im Verein, 47 Prozent beim Freizeitsport. 83 Prozent der Verletzungen müssen ärztlich behandelt werden. Die Gesamtkosten für diese Behandlungen werden auf circa 1,5 Milliarden Euro geschätzt [1]. Diese Zahlen machen deutlich, dass die Prävention von Sportverletzungen oberste Priorität hat, besonders bei Kindern und Jugendlichen, weil sich deren frühes Desinteresse am Sport über Jahrzehnte negativ auswirken wird.
Bei den Sportverletzungen wird zwischen knöchernen Verletzungen und Weichteilverletzungen unterschieden. Letztere sind häufiger, vor allem in Form von Zerrungen und Prellungen, die durch eine exzessive oder chronische Überbelastung der Muskeln verursacht werden. Solche Muskelverletzungen treten vor allem bei Sportarten mit einem ständigen Wechsel aus Be- und Entlastung auf sowie bei Sportarten mit vielen Sprung-, Dreh- und Kickbewegungen, etwa bei den Ballsportarten. Begünstigt werden solche Verletzungen durch eine hohe muskuläre Spannung, ein Ungleichgewicht zwischen dem als Agonist und dem als Antagonist wirkenden Muskel, durch ein zu hohes Körpergewicht, mangelnde Beweglichkeit, Koordinationsschwächen und Knieverletzungen. Es sind aber nicht nur Zerrungen und Prellungen möglich, es kann beim Aufprall auch zum Abriss einzelner Muskelfasern oder ganzer Muskelfaserbündel kommen.
Bei den Knochenbrüchen wird zwischen Ermüdungsbrüchen, sogenannten Stressfrakturen, und klassischen Sturz- oder Aufprallverletzungen unterschieden, bei denen der Knochen unter einer einzelnen, massiven Belastung bricht. Bei Stressfrakturen ist der Knochen über längere Zeit zu stark oder falsch belastet worden. Sie treten häufig beim Laufen und beim Springen auf. Die Ursachen sind oft Trainingsfehler. Dem Knochen wird mehr zugemutet als er verkraften kann. Kinder und Jugendliche haben ein besonders hohes Risiko für Stressfrakturen, weil der Körper noch wächst, die Knochen ständig umgebaut werden und die Muskeln noch nicht voll ausgebildet sind. Kinder und
Jugendliche beachten oft auch nicht, dass sich durch das Wachstum der Arme und Beine die Hebel verändern und anders kontrolliert werden müssen. Sie haben neben der Schule und den anderen Aktivitäten auch weniger Zeit zur Regeneration.
Zehn Empfehlungen zur Vermeidung von Sportverletzungen:
- Betreiben Sie möglichst viele unterschiedliche Sportarten wie Laufen, Schwimmen und Fahrradfahren und spezialisieren Sie sich nicht zu früh auf eine einzige Sportart, die Sie dann exzessiv betreiben. Ab Mitte fünfzig sollten Sie mehr mit dem Fahrrad fahren und weniger laufen.
- Bereiten Sie sich durch ein präventives Trainingsprogramm ausreichend auf den Sport vor und lassen Sie diese Übungen zur Routine werden, wann immer Sie Sport treiben, auch vorm Skifahren oder einem Golf- oder Tennismatch.
- Gönnen Sie sich nach dem Sport ausreichend Zeit zur Erholung. Trainieren Sie nicht an aufeinanderfolgenden Tagen.
- Stehen Sie zu Ihrem individuellen Bewegungsoptimum und entwickeln Sie die sportlichen Fähigkeiten, die zu Ihrem Alter und zu Ihren körperlichen Kräften passen. Überfordern Sie sich nicht und streben Sie nicht nach Leistungen, die den absoluten Profis vorbehalten sind!
- Achten Sie darauf, dass Sie sämtliche Übungen und spielerischen Bewegungen präzise und im Sinne der korrekten Technik ausführen.
- Schauen Sie auf die Umgebungsbedingungen – etwa auf den Bodenbelag oder die Witterungsverhältnisse – und passen Sie sich den Umgebungsbedingungen an.
- Tragen Sie Helme, Schutzkleidung oder Orthesen, wo dies nötig und geboten ist,
gegebenenfalls auch Schuheinlagen mit Dämpfung. Wechseln Sie Ihre Schuhe. - Sprechen Sie mit Ihrem Trainer oder Ihrem Arzt, wenn Sie Schmerzen beim Sport verspüren oder Ihre Gelenke geschwollen sind. Ignorieren Sie diese Alarmzeichen nicht, sondern hören Sie auf Ihren Körper! Wenn Sie nach einer längeren Zeit wieder sportlich aktiv werden, sollten Sie sich vorher orthopädisch und allgemeinärztlich untersuchen lassen, gegebenenfalls auch kardiologisch.
- Gönnen Sie sich nach einer Verletzung ausreichend Zeit für die Rekonvaleszenz und kehren Sie erst zum Sport zurück, wenn Sie dazu wieder in der Lage sind.
- Sorgen Sie mit ausreichend elektrolythaltiger Flüssigkeit und ausgeglichener Ernährung dafür, dass Ihre Muskeln nicht dehydrieren. Achten sie auf ihr Körpergewicht. Beim Sport bemerken Sie jedes überflüssige Kilogramm.
(Die Empfehlungen wurden in Anlehnung an die amerikanische Kampagne „Stop Sports Injuries“ formuliert [7].)
Quellenangaben und weitere Informationen finden Sie in den Presseunterlagen zu DKOU 2018: hier klicken