Sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 23. Januar 2016 wird in Berlin ein von drei Ärztekammern erzwungener, außerordentlicher Deutscher Ärztetag stattfinden. Bei dieser Veranstaltung wird die seit 2011 verhandelte GOÄ-Novellierung beraten werden. Die Delegiertenversammlungen der Landesärztekammer Baden-Württemberg, die Brandenburgische Ärztekammer und die Ärztekammer Berlin haben diesen außerordentlichen Deutschen Ärztetag gegen den Willen der BÄK durchgesetzt. Leider wird die Veranstaltung zeitgleich zu unserer Vorstandssitzung stattfinden.
Viele Kenner der ärztlichen Selbstverwaltung glauben, dass die Art und Weise wie dieser außerordentliche Deutsche Ärztetag zustande gekommen ist, als fundamentale Kritik an der BÄK zu werten ist und sie nachhaltig schwächen wird. Sie sind sogar der Ansicht, dass die Diskussionen beim außerordentlichen Deutschen Ärztetag und die daraus resultierenden Konsequenzen möglicherweise über die Existenzberechtigung der BÄK entscheiden werden. Manche sehen sogar eine Zeitenwende bei den Entscheidungsstrukturen gekommen – weg von einer reinen Vorstandsherrschaft hin zu mehr Eingriffsmöglichkeiten durch die Ärzteschaft.
Egal, ob man diese Sichtweise teilt, sie für richtig oder falsch hält, man kann den öffentlichen Eindruck, der durch diese Vorgehensweise entstanden ist, nicht kleinreden. Es gibt in allen Fraktionen des Parlaments, insbesondere aber in der SPD und bei Bündnis90/Die Grünen Politiker, die die Daseinsberechtigung der ärztlichen Selbstverwaltung grundsätzlich in Frage stellen. Trotzdem muss eine kollegiale Diskussion möglich sein, die nicht als Angriff auf die ärztliche Selbstverwaltung gewertet wird. Die GOÄ ist schließlich im Interesse aller Ärztinnen und Ärzte.
Die BÄK und der Verband der Privaten Krankenversicherung verhandeln seit vier Jahren über einen gemeinsamen Novellierungsentwurf. In der Sache sind die von den Kritikern vorgetragenen Argumente weitgehend stichhaltig. Die Ärzteschaft ist bisher nicht über die geheimen Verhandlungen informiert worden. Offiziell kennt niemand den ausgehandelten GOÄ außer den Verhandlungsführern. Allerdings geben viele an, Teilbereiche zu kennen. Die Kritik entzündet sich an der Intransparenz des Diskussionsprozesses, der handwerklichen Umsetzung, der mangelnden Kommunikation mit den Berufsverbänden und vor allem an dem sogenannte „Paragraphenteil“.
Der Spitzenverband Fachärzte Deutschland e.V. (SPIFA) hat und wird, mit Unterstützung des BVOU, sachgerecht und ohne Polemik zu den einzelnen Kritikpunkten Stellung nehmen. Dass diese Stellungnahme die Position der BÄK möglicherweise gefährdet, ist den Verantwortlichen des SPIFA bewusst. Eine Schwächung der Ärztekammer per se wird von uns nicht gewünscht. Allerdings ist die Novellierung der GÖA zu wichtig für den freien Beruf des Arztes, als dass hier die Chance auf eine moderne GÖA vertan werden kann. Die GOÄ ist seit 1982 nur in Teilbereichen aktualisiert worden, zuletzt 1996. Die derzeit geltende Version bildet die Medizin also nur auf dem Stand der 1980ziger Jahre ab. Eine moderne Gebührenordnung ist mehr als überfällig. Medizinische Leistungen sollen durch keinerlei Tricks budgetiert oder reduziert, zu festen betriebswirtschaftlich kalkulierten Preisen angemessen vergütet werden und zwar im stationären sowie im ambulanten Sektor.
Anzumerken ist noch, dass in der BÄK die angestellten Ärztinnen und Ärzte traditionell dominieren. 60 Prozent der Vorstandsmitglieder sind angestellte Kolleginnen und Kollegen. Die Niedergelassenen haben zwar in den einzelnen Kammern das Übergewicht, setzen sich aber oft wegen ihrer Zerstrittenheit nicht durch. Leider ist vielen angestellten Kolleginnen und Kollegen die Wichtigkeit der GOÄ nicht bewusst, weil sie die Abrechnungen nicht selbst vornehmen, sondern die Klinik, für die sie arbeiten. Der SPIFA wird versuchen, gerade diese Kolleginnen und Kollegen genauer über die Bedeutung der GÖA für den freien Beruf des Arztes zu informieren.
Der BVOU engagiert sich seit langem für die Novellierung der GOÄ, nicht erst in den zurückliegenden Wochen, in denen die Wellen hochgeschlagen sind. Wir tun dies inhaltlich, strukturell und berufspolitisch, vor und hinter den Kulissen. Wir tragen die Vorgehensweise des SPIFA in dieser Angelegenheit ausdrücklich mit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Johannes Flechtenmacher
Dateianhänge:
- 2016-01-15 Offener Brief GOÄ_Marburger Bund.pdf (54 kB)
- 2016-01-15 Offener Brief GOÄ_BÄK etc.pdf (228 kB)
- 2016-01-15 Offener Brief GOÄ_Anlage.pdf (230 kB)