Berlin – Um die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zu stärken, sollte der Gesetzgeber ein deutliches Signal setzen. Schon die einzuholende Zustimmung der Aufsichtsbehörden bei Vorstandsdienstverträgen stelle einen Eingriff dar und müsse wieder abgeschafft werden. Inakzeptabel wäre es auch, wenn das aufsichtsrechtliche Beanstandungsrecht für den Haushalt durch einen Genehmigungsvorbehalt ersetzt würde.
Diese Auffassung hat der Verwaltungsrat des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (Spibu) am 8. Juni in einer förmlichen Erklärung vertreten. Hintergrund ist ein Eckpunktepapier zu einem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), das derzeit in Berlin kursiert und das dem BVOU vorliegt. Offiziell gilt die Quelle noch als unklar. In Berlin geht man davon aus, dass Anlass für die geplante Gesetzgebung in erster Linie Vorkommnisse in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zu Zeiten ihres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Köhler sind. In den letzten Monaten berichteten verschiedene Medien immer wieder über umstrittene Immobilien- und Kreditgeschäfte sowie arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen.
Kontrollrechte der KBV-Vertreterversammlung ausbauen
Mit einem künftigen GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz soll die staatliche Aufsicht über die Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen „wirksamer ausgestaltet“ werden. „Damit Kompetenzüberschreitungen und Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung frühzeitig erkannt werden können, bedarf es insbesondere einer Stärkung der Kontrollrechte der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane“, heißt es in den Eckpunkten. Damit ist im Fall der KBV die Vertreterversammlung (VV) gemeint. Umfasst würden von dem geplanten Gesetz aber auch der GKV-Spitzenverband und sein Medizinischer Dienst, der Gemeinsame Bundesausschuss und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. Für die KVen sollen die neuen Vorgaben nicht gelten.
Im Einzelnen sollen VV-Mitglieder zukünftig unter anderem über Beratungen in Ausschüssen ausreichend informiert werden, beispielsweise indem klare Regeln zur Dokumentation der Sitzungen getroffen und umgesetzt werden. Einsichts- und Prüfrechte der VV sollen stärker als Individual- oder Minderheitsrechte ausgestaltet werden. VV-Vorsitzende sollen leichter als bisher abgewählt werden können, Beraterverträge von VV-Mitgliedern für die Körperschaft transparenter werden.
BMG will Vermögen und Ausgaben stärker kontrollieren
Darüber hinaus werden im Eckpunktepapier aber vor allem Details zur Stärkung der staatlichen Aufsicht aufgeführt. So soll es Vorgaben zu Vermögensanlagen, Rücklagen und Betriebsmitteln geben, Jahresabschlüsse sollen verpflichtend geprüft und veröffentlicht werden. Der Haushalt könnte demnächst genehmigt werden und nicht lediglich beanstandet. Eingeführt werden soll bei allen Spitzenorganisationen auch ein unabhängiges Revisionssystem, dessen Mitarbeiter dem BMG zu berichten hätten. Außerdem könnte das Ministerium stärker durchgreifen, wenn Spibu und KBV sich uneinig sind.
Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen hatte dazu im Interview mit dem „Handelsblatt“ am 9. Juni erklärt: „Ich appelliere an den Gesetzgeber, den Bogen nicht zu überspannen.“ Man unterstütze das Reformvorhaben an sich ausdrücklich, vor allem an den Punkten, an denen es um mehr Transparenz gehe. Im Einzelnen nannte Gassen die Überprüfung der Finanzen durch externe Wirtschaftsprüfer und die ausgeweiteten Informationsansprüche von VV-Mitgliedern. Aber: „Das Haushaltsrecht ist eine originäre Aufgabe der VV.“ Gassen forderte auch, der Vorsitzende der VV solle weiterhin nur mit Zweidrittelmehrheit abgewählt werden können.
Sabine Rieser
Bild: Bürogebäude des BMG am Friedrichstadtpalast in Berlin (Quelle: Beek100/Wikimedia Commons)