St. Pölten – Übergewicht und Adipositas werden gerade auch bei jungen Patienten zu einem immer größeren Problem. Neben schwerwiegenden Krankheiten wie Diabetes und Herzkreislauferkrankungen kann Übergewicht auch zur Schädigung der Gelenke führen und erhöht das Risiko einer frühzeitigen Arthrose. In dem neuen Projekt „Children’s KNEEs“ untersuchen Forscher der österreichischen Fachhochschule St. Pölten die Auswirkungen von Übergewicht auf die Gelenke von Kindern und Jugendlichen und erarbeiten aus klinischer und biomechanischer Sicht ein physiotherapeutisches Trainingsprogramm.
17 Prozent der Kinder in Österreich sind übergewichtig, sieben Prozent leiden unter Adipositas – Tendenz steigend. Ähnliche Werte finden sich auch in Deutschland: laut der KIGGS-Studie (2003-2006) des Robert-Koch-Instituts litten zum Erhebungszeitpunkt 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren an Übergewicht, etwa sechs Prozent davon waren adipös.
Das Gewicht belastet bei jedem Schritt die Knochen und Gelenke und kann so zu Gelenkproblemen führen. Studien haben einen starken Zusammenhang zwischen Übergewicht und negativen Auswirkungen auf biomechanische Abläufe beim Fortbewegen festgestellt. Vor allem die Kombination aus erhöhtem Körpergewicht und biomechanischen Fehlstellungen kann zu einer erhöhten und somit unphysiologischen Gelenksbelastung in Hüft-, Knie- und Sprunggelenken führen. Besteht diese Mehrbelastung über einen längeren Zeitraum hinweg, kann dies zu einem erhöhten Risiko führen, frühzeitig eine Arthrose zu entwickeln.
„Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass spezifische Trainingsprogramme zur Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle und der Muskelkraft dieser unphysiologischen Mehrbelastung entgegenwirken können. Dennoch sind die biomechanischen Mechanismen, die dahinter stecken, noch relativ unklar“, erklärt Projektleiter Brian Horsak, Sportwissenschaftler und FH-Dozent am Department Gesundheit der FH St. Pölten. In der Studie „Children’s KNEEs“ analysieren die Forscher die veränderten biomechanischen Abläufe beim Fortbewegen von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen. Dabei kommt die Methode des „Motion Capturing“ zum Einsatz. So können die Bewegungen der einzelnen Körpersegmente im dreidimensionalen Raum erfasst und analysiert werden.
„Es gibt eine Vielzahl an Richtlinien für Trainingsprogramme zum Aufbau von Muskelkraft und zur Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle, aber die meisten Programme richten sich nicht spezifisch an übergewichtige Kinder und Jugendliche“, so FH-Dozentin Barbara Wondrasch. Die Physiotherapeutin ist innerhalb des Projekts für die klinische Relevanz und das Trainingsprogramm zuständig.
Sie und ihre Kollegen untersuchen ungünstig veränderte biomechanische Abläufe in Hüft-, Knie- und Sprunggelenken von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen beim Gehen und Treppensteigen und entwickeln basierend auf diesen Erkenntnissen ein spezielles Trainingsprogramm für diese Zielgruppe. Im Rahmen der Studie wird die Effektivität des Programmes aus biomechanischer und therapeutischer Sicht evaluiert.
Untersucht werden etwa 50 übergewichtige Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 18 Jahren. Das Trainingsprogramm wird über zwölf Wochen stattfinden und eine Kombination aus neuromuskulären Übungen und Kräftigungsübungen für Hüft- und Oberschenkelmuskulatur beinhalten. Zu Beginn und am Ende des Programmes wird eine biomechanische 3D-Ganganalyse durchgeführt. Anhand dessen wollen die Forscher Unterschiede in den biomechanischen Abläufen vor und nach dem Training feststellen und analysieren.